Keine Ausreden, dig deeper
"Die Akademie" – Kunststudium verfilmt

20. März 2025 • Text von

Jojos Traum vom Kunststudium geht in Erfüllung. Der Mikrokosmos Kunstakademie erweist sich jedoch als wenig traumhaft. „Die Akademie“ folgt der Entwicklung einer angehenden Künstlerin, erzählt von einer, die sich auskennt. Regisseurin und Drehbuchautorin Camilla Guttner hat selbst an der AdBK München studiert. Mit ihrem Spielfilm ist sie an den Ort zurückgekehrt.

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DIE AKADEMIE: Jojo (Maja Bons). © Luca Bigazzi.

„Der Teil hier ist stark und fühlt sich wahrhaftig an.“ „Das ist wertloser Dreck.“ Willkommen an der Kunstakademie, wo weder Lob noch Tadel so richtig offenlegen, was eine mittelmäßige Arbeit von einem gefeierten Kunstwerk unterscheidet. Niemand wird der 19-jährigen Jojo sagen, wie sie malen soll. Sie muss es selbst herausfinden. Das lernt die Kunststudentin, gespielt von Maja Bons, in Camilla Guttners Kinofilm „Die Akademie“.

Schauplatz ist die Akademie der Bildenden Künste München (AdBK), die stellvertretend für vergleichbare Ausbildungsstätten stehen kann. Überhaupt kann vieles stellvertretend für das stehen, was man eben so erlebt, wenn man einen ersten Fuß in die Kunstwelt setzt.

Da ist der Professor, der sexuell übergriffig wird unter dem Vorwand, seine Studierenden mittels Provokation zur Wehrhaftigkeit zu erziehen. Der Galerist, den die junge Künstlerin vor versammelter Mannschaft an die Puppe seiner Schwester erinnert. Der freundliche Man-Bun-Träger, der für eine einwöchige Performance im Eisblock Frau und Kinder versetzt. Da sind Kommilitonen, die den Mund nicht aufmachen, und solche, die Freunde verraten, weil sie glauben wollen, dass ihre ganz große Chance soeben im Jaguar vorgefahren ist.

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DIE AKADEMIE. © Luca Bigazzi. // DIE AKADEMIE: Prof. Robert Copley (Jean-Marc Barr) und Jojo (Maja Bons). © Luca Bigazzi.

Diverse Enttäuschungen dämpfen also Jojos freudige Erwartungen an ihr erstes Jahr in der Malereiklasse von Robert Copley, gespielt von Jean-Marc Barr, doch sie malt weiter. „Art knows no buts, no excuses, no running away“ – die Kunst kennt kein Aber, keine Ausreden, kein Wegrennen. Solche Sätze scheinen der angehenden Künstlerin etwas zu bedeuten. Vielleicht muss man selbst Kunst machen, um sich von einem „dig deeper“-Imperativ herausgefordert zu fühlen. Irgendetwas muss ja dran sein an diesem institutionalisierten Ausloten von Wahrhaftigkeit, Banalität, Zwang und Grenzenlosigkeit.

Regisseurin und Drehbuchautorin Guttner war von 2003 bis 2007 selbst Studentin der AdBK. Wie Jojo hat sie erst Kunstgeschichte, dann Bildende Kunst studiert. Sie war Meisterschülerin des Malers Sean Scully, dessen geometrische Anordnung von Farbfeldern in „Die Akademie“ von Sänger Dagobert – er spielt sich selbst – als außerordentlich gelungen gewürdigt wird.

Einige von Jojos Arbeiten im Film stammen aus Guttners Zeit an der Kunsthochschule: „Das Leben“, 1,80 Meter mal 1,90 Meter, Öl, Wachs, Kohle auf Holz, wird zu einer Schlüsselarbeit. Andere hat Guttner im Stil früher Werke neu gemalt. Für das Familienporträt in „Die Akademie“, ebenfalls zentral für Jojos künstlerische Entwicklung, gibt es ein vergleichbares Vorbild. Man findet die Arbeit auf Guttners alter Website.

Nach ihrer Zeit an der AdBK studierte Guttner Spielfilmregie an der HFF München, der Hochschule für Film und Fernsehen. Währenddessen entstand bereits eine Kurzfilmversion von „Die Akademie“. Teile des ursprünglichen Casts, darunter Lars von Triers Langzeitkollaborator Barr, hat Guttner erneut verpflichtet. Offensichtlich kann sie Kontakte nicht nur knüpfen, sondern halten. Auch den renommierten Kameramann Luca Bigazzi, den sie als Filmstudentin mit „Luca Bigazzi – The Life of a DOP“ porträtierte, gewann sie für „Die Akademie“.

Man merkt dem Film an, dass Guttner sich auskennt in der Welt, die sie erzählt. Gedreht wurde im Kunstverein München, in der Alten Pinakothek, auf dem Gelände der Halle 6, vor der Galerie der Künstler*innen – wichtige Orte der Münchner Kunstlandschaft. Den Mann, der das Disco-Ei durch die Münchner Innenstadt schiebt, hat Guttner sich auch nicht ausgedacht. „Eggman“ Jörg Besser, Lehrer für Anatomisches Zeichnen an der AdBK, gibt es wirklich. Die Standkugelschreiber-Installation „Schreib Mal Wieder“ von Milen Till, die im Film den Rundgang eröffnet, wurde 2018 anlässlich der Jahresausstellung gezeigt. Die Aufnahmen dürften von damals stammen.

Studentin Jojo lässt sich in “Die Akademie” von Francisco Goya, William Kentridge oder Francis Bacon inspirieren – Künstler, die Guttner vor Jahren selbst als Referenzen anführte. Dass sie ihren Film ein autofiktionales Werk nennt, rechtfertigt eine gewisse Freude beim Raten, welche Worte ihres eigenen Professors Scully sie denn nun Jojos Mentorfigur Copley in den Mund gelegt haben könnte. Zufall, dass dem Kotzbrockenprofessor Norbert Roeg, gespielt von Andreas Lust, ausgerechnet eine großformatige Arbeit nicht gelingen will, die Anselm Kiefers „Winterwald“ von 2010 ähnelt?

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DIE AKADEMIE. © Luca Bigazzi. // DIE AKADEMIE. © Luca Bigazzi.

„Die Akademie“ folgt Jojo in Klassenbesprechungen, auf Partys, an improvisierte Schlafplätze, zu Eröffnungen, ins Atelier. Die Kunsthochschule skizziert der Film vor allem als feindselige Umgebung. Überall Egos, überall Männer. Konkurrenz, Ablehnung, Machtmissbrauch. Viele Szenen werden einstigen wie gegenwärtigen Kunststudierenden vertraut vorkommen. Allerdings könnte Jojos doch recht klischeehaftes Erleben der Akademie all diejenigen vor den Kopf stoßen, die sich längst auch mit Erfolg um angstfreie Räume und ein weniger pathosgeladenes Kunstverständnis bemühen.

Guttners Kunststudium liegt bald 20 Jahre zurück. An den Akademien läuft sicherlich noch immer nicht alles perfekt. Trotzdem hat sich einiges geändert. „Die Akademie“ ist von vielen Perspektiven auf das Kunststudium nur eine.

Vielleicht ist Jojo während ihres ersten Jahrs an der AdBK einfach mit sich selbst beschäftigt. Sie muss weitgehend allein scheitern, wachsen und sich lösen von der Deutungshoheit anderer, auch derer, die sie verehrt. Guttner räumt ihr keine Allianzen ein, wenig Gemeinschaft. Aber sie lässt ihr ihren großen Traum.

WANN: Der Spielfilm „Die Akademie“ läuft ab Donnerstag, den 20. März.
WO: Kinos, die den Film in Deutschland zeigen, findet ihr hier.