Dialog vorantreiben
Projekträume in Karlsruhe

1. Oktober 2018 • Text von

Im September fand in Karlsruhe der jährliche Galerientag statt. Neben den etablierten Einrichtungen waren auch dieses Jahr eine Reihe von Off-Spaces und Projekträumen beteiligt. gallerytalk.net berichtet über ausgewählte Eindrücke aus der Stadt an Rhein, Alb und Pfinz.

Mold Karlsruhe, Ausstellungsansicht: HELLO.

Von Köln oder Berlin aus besehen, erhält Karlsruhe nicht allererste Aufmerksamkeit in Sachen Gegenwartskunst. Doch scheint es logisch, dass eine Stadt, die sich sowohl mit einer Kunstakademie als auch einer Hochschule für Gestaltung schmückt, eine rege Szene hervorbringt. Tatsächlich beteiligen sich 26 Projekträume am Galerientag, was für eine lebendige Kunstproduktion und gute Förderungsbedingungen durch Baden-Württemberg und die Stadt Karlsruhe spricht. Doch ähnlich wie bei den Galerien, wo neben Meyer Rigger nur Wenige durch ein anspruchsvolles Programm bestechen, glänzen nicht alle Off-Spaces durch ambitionierte Ausstellungen. Einige aber schon! Diese bilden wichtige Knotenpunkte für die lokale Szene und bringen den Diskurs voran.

Ulrich Okujeni: Force the hand of chance, Geschwisterraum Karlsruhe.

Die erste Ausstellung, die obiges Kriterium erfüllte, war Ulrich Okujenis Präsentation „Force the hand of chance“ im Geschwisterraum in der Kriegsstrasse. Okujeni präsentierte Arbeiten auf Papier; „Hausaufgaben“, wie er sie nennt: „Die Zeichnungen entstehen jeden Tag, häufig in einem Durchlauf. Was funktioniert darf bleiben.“ Er versteht sie als Kontrapunkt zu seinen großformatigen Gemälden, die er in der letzten group show „Butterly Drink Turtle Tears“ bei „Meyer Rigger“ (gemeinsam mit Johanna Wagner und Jan Zöller) präsentierte. Aus den vermeintlich losen Gefügen bilden sich vielfarbige, geordnete Kompositionen aus und die vorgängige Abstraktion mündet in distinkte Figuration. Hier taucht eine weiße Hand als Fixpunkt immer wieder auf. Sie eint die Zusammenschau der Arbeiten und verleiht Form.

Ulrich Okujeni: o.T., 2018.

Weiter geht’s bei V8, dem dienstältesten Projektraum Karlsruhes. Phillip Röcker zeigt hier eine Soloshow (post-)minimalistischer Skulpturen und Eingriffe in die Beschaffenheit des Raumes. Gegenüber dem Eingang ist der Aufputz herausgelöst, so dass eine bildförmige Nische entsteht. Darin eingelassen befindet sich eine schwarz-weiß-Fotografie, die schroffe Formen wiedergibt und sich damit formalästhetisch auf die zentrale Gruppe bezieht. Wie zusammengedrängte Körper versammeln sich hier halbhohe, weiße Skulpturen. Ihre grobe Beschaffenheit bringt Eindrücke von Spuren grober, handwerklicher Bearbeitung zusammen mit der amorphen Sinnlichkeit postminimalistischer Manier.

Asaf Gruber, Theartape Karlsruhe, Ausstellungsansicht.

Das Gros der Karlsruher Off-Spaces präsentieren die künstlerische Produktion der Stadt und werden auch häufig von lokalen Künstler*innen geführt. Theartape in der Südweststadt hebt sich davon ab: Dieser ganz neue Projektraum lädt international junge Positionen ein und bietet damit ein Gesprächsangebot, welches den mitunter engen Bezugsrahmen Karlsruhes erweitert. Zudem soll es nicht bei Showcase-Ausstellungen bleiben, auch eine artist residency ist geplant. Der kleine Raum debütierte mit einer konzentrierten Vorstellung des in Berlin lebenden Künstlers Asaf Gruber. Das Publikum findet ein modernistisches Day-Bed aus schwarzem Leder vor, auf dem eine giftgrüne Bowling-Kugel ruht. In direkter Sichtachse befindet sich eine großformatige Fotografie, die einen etwas verstaubten Landschaftauschnitt zeigt. Wer ans Naturkundemuseum denkt liegt richtig: Asaf Gruber hat mit den Dioramen der DDR-Zeit des Berliner Naturkundemuseums gearbeitet und diese verfremdet. Bei ihm finden sich plötzlich Korallen in der kargen Landschaft wieder. Und auch die Bowlingkugel bietet beim Blick zurück eine Überraschung: Auf der Rückseite ist sie keineswegs rund, sondern zu einem Kegel verzerrt. Die vertrauten Objekte und Schauordnungen driften ins Seltsame ab und geben den Blick frei auf die historischen Konstruktionen und Episteme unserer vermeintlich leichtkonsumierbaren Freizeitvergnügen.

Tine Voecks bei Mold Karlsruhe.

Die Runde schließt bei „mold“, einem ebenfalls neuen Projektraum in der Augartenstrasse, den Absolvent*innen der Kunstakademie organisieren. Mit ihrer ersten Show „HELLO“ stellen sie sich erst einmal selbst vor und präsentieren subtile Konstruktionen in Dialog mit der Beschaffenheit des Raumes (Nina Laaf, Aleschija Seibt), Video-Installation (Verena Wippenbeck) oder Bildarbeiten, die malerische Prinzipien zitieren, um diese zu hintertreiben (Alexander Blum, Sebastian Wiemer). „mold“ möchte künftig eine Plattform für experimentelle Formate sein und vor allem den lokalen Austausch fördern. Um dies zu unterstreichen, hat das Kollektiv die Künstlerin Tine Voecks eingeladen, die bei „skulpturalen Drinks“ zum Gespräch einlädt. Und das funktioniert. Bei „mold“ wird der Abend lang.

WO: in der gesamten Stadt Karlsruhe.

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