Das Städel Museum zum Mitnehmen

2. April 2016 • Text von

Seien wir mal ehrlich, von „Netflix und Chill“ werden wir nicht klüger. Wie man seine Zeit sinnvoller vor dem Laptop vertrödeln kann? Das Frankfurter Städel Museum bietet einen Online-Kurs zur Kunstgeschichte an. Wir haben ihn ausprobiert – und ihr solltet es uns gleich tun.

Anhand der Sammlung des Städels führt der Online Kurs durch verschiedene Epochen von der Aufklärung um 1750 bis zur Gegenwart. Mit 40 Stunden, wovon zwei davon auf Film gezeigt werden, scheint der Kurs zunächst happig bemessen, tatsächlich aber ist er erfrischend kurzweilig.

Wir fangen ganz langsam an, erst einmal Trailer gucken. Es grüßt Schauspieler Sebastian Blomberg. Zuletzt war der 43-Jährige als Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler im Politthriller „Der Staat gegen Fritz Bauer“ zu sehen, nun begrüßt er die angehenden Kunstgeschichtsstudenten. Er präsentiert ausgewählte Kunstwerke, wirft die essenziellen Fragen dazu auf.

 Moderator Sebastian Blomberg Foto: Städel Museum


Moderator Sebastian Blomberg, Foto: Städel Museum

Blomberg ist eine hervorragende Wahl. Wer sich gelegentlich einen Audio-Guide antut, weiß, das ist selbst mit für deutsche Verhältnisse hochkarätigem Schauspieler-Engagement keine Selbstverständlichkeit. Bloomberg aber wirkt als Erzähler auffallend charismatisch. Er hat eine beruhigende Stimme, der es Spaß macht, zuzuhören. Der Mundgeruch staubiger Professoren – Entschuldigung – bleibt uns obendrein erspart. Weiterer Online-Pluspunkt: War etwas unverständlich, können wir uns es einfach nochmal anschauen, ohne blöde Fragen stellen zu müssen.

Die Anmeldung zum Kurs ist unkompliziert, nach wenigen Klicks kann es losgehen. Der Kurs ist in fünf Module unterteilt und der Fortschritt wird einem jeweils aufgezeigt, sodass man noch mehr Motivation hat, den Kurs zu beenden.

Onlinekurs Login, Foto: Städel Museum

Onlinekurs Login, Foto: Städel Museum

Am Anfang wird der Umgang mit der Seite sehr präzise dargelegt und die verschiedenen Möglichkeiten der Webseite aufgezeigt, die auch zum Selbststudium und als Nachschlagewerk dienen. Es wird auch auf Sekundärliteratur hingewiesen, sollte der Wissensdurst auch nach 40 Stunden noch nicht gestillt sein. Auffallend ist die spielerische Herangehensweise des Kurses. Das macht ihn auch einem jüngeren Publikum schmackhaft.

Aufgabe aus dem Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Aufgabe aus dem Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Das Städel Museum hat sich besondere Mühe gegeben bei der Digitalisierung der Bilder. Bäume biegen sich in gemalten Ölbildern, man kann selber Bilder zusammensetzen, sein Auge schulen, sogar seinen Wortschatz unkompliziert verbessern, um Kunstwerke zu beschreiben. Verschiedene Malweisen, Gattungen, die Bedeutung von Licht, Raum und Form werden uns nähergebracht. Klingt nach Klugscheißer Einmaleins? Aber hallo, im besten Sinne!

Nach Beendigung des ersten Moduls wird das ganze Lernsystem ein bisschen anspruchsvoller. Man bekommt einzelne Bilder vorgeschlagen. Mit ihnen muss man sich auseinandersetzen und die dazugehörigen Texte lesen, um gewisse geschichtliche Hintergründe zu erfahren und wiedergeben zu können. Lohnt sich: Kann man schließlich gleich beim nächsten Museumsbesuch mit neuem Wissen prahlen.

 Zeitstrahl im Onlinekurs, Foto: Städel Museum


Zeitstrahl im Onlinekurs, Foto: Städel Museum

Der Kurs darf als Einstieg in die neuere Kunstgeschichte verstanden werden. Er vermittelt – etwa mit kleinen zweiminütigen Filmen – Grundkenntnisse als Orientierungshilfe. Wer teilnimmt, kann einerseits Wissenslücken schließen, andererseits wird an einzelnen Stellen sicherlich individuelles Interesse geweckt, dass zum Weiterlesen und -gucken an anderer Stelle einlädt.

Mit visueller Vielfalt und spielerischem Lernappell ist dem Städel ein Kurs gelungen, der seinesgleichen noch sucht. Inhaltlich soll an dieser Stelle nicht zu viel verraten werden. Probiert es selber aus! Wenn man so will, ist es auch ein Spaß für die ganze Familie, eine großartige Alternative zu Walt Disney.