Das Paradigma des Paradieses
Die Palme in der Kunst

30. Mai 2018 • Text von

Jahrhunderte lang galt sie als Symbol für Friede und Fruchtbarkeit. Heute, fast zum Kitschmotiv degradiert und vielfach in sozialen Medien abgebildet, verkörpert sie wie keine andere Pflanzenart die Sehnsucht nach Exotik und Paradies. Die Palme. Die Ausstellung „PARADISE IS NOW. Palm Trees in Art“ rückt die tropische Pflanze nun in das Zentrum künstlerischer Positionen seit 1945.

Paradise is Now, Robert Grunenberg Berlin & Salon Dahlmann, Ausstellungsansicht, Foto: Nick Ash.

Prunk. Triumph. Am meisten wohl aber Paradies. Die Palme assoziiert man mit vielen Begriffen. Palme und Paradies scheint wohl untrennbar verbunden. Als Sehnsuchtssymbol genussvollen Lebens präsentiert sie sich nun auch in der von Robert Grunenberg kuratierten Gruppenausstellung „PARADISE IS NOW. Palm Trees in Art“ bei Robert Grunenberg Berlin und im Salon Dahlmann. 

Dieses Emblem des süßen Lebens findet man farbenfroh und spielerisch in Szene gesetzt, als beinahe klassisches, immer wiederkehrendes Motiv in den Werken der vorrangig in Kalifornien arbeitenden Künstler wie David Hockney, Ed Ruscha oder John Baldessari. Letzterer begrüßt den Ausstellungsbesucher im Foyer mit seiner Fotocollage „Overlap Series: Palm Trees and Building (With Vikings)“ von 2001, die die Tropenpflanze als bunt koloriertes, hochgewachsenes Paradiesmotiv vor strahlend blauem Himmel über der kalifornischen Großstadt erscheinen lässt. Die Palme wiegt sich als faktisches Wahrzeichen von Los Angeles.

Paradise is Now, Robert Grunenberg Berlin & Salon Dahlmann, Ausstellungsansicht, Foto: Nick Ash.

Ähnlich dem sanften Wiegen dieser Palmenblätter wird auch der Besucher seicht von Werk zu Werk getragen – Werke, die vereint durch das gleiche Motiv, dieses divergenter nicht repräsentieren könnten: Verspielt in den Fotografien von Sigmar Polke, als Schutz stiftende Natur bei Barthélémy Toguo oder als Sehnsuchtssymbol in den Bildmontagen von Gregor Hildebrandt. Die Palme – Sinnbild für Sehnsucht, Schutz und Südsee? Nicht nur. Palmen werden im künstlerischen Diskurs mit einem viel breiteren Bedeutungsspektrum assoziiert, und so stößt man nach den bunten Darstellungen der Sorglosigkeit auf das Werk der britischen Künstlerin Juliette Blightman, die die Palme als gebändigte Topfpflanze aus einer Toilette sprießen lässt. Inszeniert als ebenjenes von ihrer Wildform isoliertes Gewächs, zeigt sie sich auch in der Rauminstallation von Marcel Broodthaers. Das Foto von Südseepalmen steht hier nicht für süßes Leben in den Tropen. Vielmehr sieht sie Broodthaers in seinem stetigen Ansatz der Institutionskritik als ehemaliges kolonialistisches Machtsymbol und inszeniert sie in der ausgestellten Publikation „La Séance. Racisme végétal“, 1974 als pflanzlichen Rassismus, vorrangig repräsentiert durch Palmengärten der Belle Époque – verortet als imperialistische Beute im Glashaus.

Paradise is Now, Robert Grunenberg Berlin & Salon Dahlmann, Ausstellungsansicht, Foto: Nick Ash.

Mit dem Sujet der Verortung beschäftigt sich auch Cyprien Gaillard, der in seiner melancholisch wirkenden Polaroid Serie, „Indian Palm Study“, die Palme als lokalisiertes Element, herausgerissen aus ihrem natürlichen Umfeld, inmitten der Großstadtarchitektur Delhis, Mumbais oder Kalkuttas als eingeengtes pflanzliches Relikt festhält. Ein pflanzliches Relikt, das auch im Werk von Alicja Kwade seine Natürlichkeit eingebüßt hat und sich in Kupfer gegossen jeglicher Endlichkeit widersetzt.

Auch der junge deutsche Künstler Simon Speiser negiert die Vergänglichkeit von Natur indem er in seinem Werk, „In A Young World of Resplendent Glitter“, 2018, einen scheinbar unendlichen Raum floralen Paradieses kreiert. Mittels virtueller Realität lässt er den Besucher in die Tiefen eines Palmenhains eintauchen und sich in den Untiefen des Dschungels verlieren. Inspiriert durch den naturbelassenen Regenwald auf dem Landgut seines Vaters in Ecuador, zeigt sich die Palme als Sinnbild für Exotik und Fernweh. Speiser schafft eine intensive Erfahrung in einer Umgebung, die jeder Besucher individuell beschreiten kann.

Paradise is Now, Robert Grunenberg Berlin & Salon Dahlmann, Ausstellungsansicht, Foto: Nick Ash.

Die Ausstellung hinterfragt die Bedeutung der Palme als ästhetisches und philosophisches Symbol in der Kunstproduktion. Eine Ausstellung, die Spaß macht. Die einen versinken lässt in paradiesischen Südseewelten und dem kalifornischen Lebensgefühl, und uns so für einen Moment die hektische Berliner Großstadtwelt vergessen lässt. Überkommenes Kitschprodukt oder klassisches Bildmotiv religiöser Ikonografie? Sinnbild für Reiselust oder gebändigte Topfpflanze? Die Palme kann für alles Genannte einstehen. Das Paradigma des Paradieses präsentiert selbst als Topfpflanze Ferne, Südsee, Exotik. PARADISE IS NOW – eine Hommage an die wohl symbolträchtigste Pflanze unserer Kulturgeschichte.

Paradise is Now, Robert Grunenberg Berlin & Salon Dahlmann, Ausstellungsansicht, Foto: Nick Ash.

WANN: Die Ausstellung kann noch bis zum 30. Juni immer Freitags und Samstags jeweils von 11 bis 18 Uhr besucht werden.
WO: Die Werkschau erstreckt sich über die Räumlichkeiten von Robert Grunenberg Berlin und dem Salon Dahlmann, Marburger Straße 3, 10789 Berlin.

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