Liegen und rauchen Danielle Mckinney in der Galerie Max Hetzler
25. September 2024 • Text von Lara Brörken
Sirenen, Abgase, Menschenmassen, Vollzeitjob und dann kommt noch das Leben dazu. Tage sind häufig so unfassbar lang und laut; der Körper so schwer. Danielle Mckinneys Protagonistinnen kennen dieses Gefühl. Sie sind gerade zu Hause, haben ihre Kleider und ihre Körper abgelegt. Versinken in den Polstern und ihren eigenen Gedanken. Mit ihrer Soloshow “Haven” in der Galerie Max Hetzler porträtiert Mckinney Schwarze Frauen in ihrem Safe Space.
Es ist dunkel, schummrig und Licht einer gedimmten, nicht zu verortenden Lichtquelle lässt kleine Glanzpunkte erscheinen, rahmt das Bett goldglänzend. Der Tag drückt den Körper in die weiche Matratze, die nackte Haut ganz frei. Die Gedanken schweifen davon, der Rauch der Zigarette zieht wirbelnde Bahnen. Zufriedenheit, innere Ruhe, ein Schluck aus der Tasse. Über dem Bett markiert ein umzäuntes, eingesperrtes weißes Einhorn den hellsten Punkt in der Ausstellung ihren Titel gebenden Werk “Haven”. Ähnlich Gold umrahmt wie die Protagonistin in ihrem prächtigen Bett.
Mit ihrer Soloshow “Haven”, aufgeteilt auf die beiden Räumlichkeiten der Galerie Max Hetzler in der Bleibtreustraße, zeigt Danielle Mckinney 15 neue Arbeiten. Die Künstlerin malt ihre ausschließlich weiblichen und Schwarzen Protagonistinnen in Momenten der Geborgenheit, die sie in ihren eigenen vier Wänden finden. Hier hat keine fremde Hand einen Zaun gezogen, sondern nur sie selbst. Sie befinden sich in ihrem privaten Rückzugsort, können hier alle gesellschaftlichen Schranken und Hürden, denen Schwarze Personen und Frauen allgemein im Alltag immer noch ausgesetzt sind, für einen Moment ignorieren und aussperren.
Unter die allgemein friedliche Stimmung der zu sehenden Bilder, ihrem gemütlichen Halbdunkel mischt sich immer auch eine Tragik, denn diesen absoluten Frieden finden die Frauen bei sich zu Hause und allein dann, wenn die Welt, ihr Lärm und andere Menschen draußen bleiben. Selten wurde im Laufe der Kunstgeschichte der Alltag Schwarzer Menschen dargestellt, ganz pur. Der von weißen hingegen ständig.
So referieren auch Mckinneys Arbeiten immer wieder auf die Kunstgeschichte, scheinen in an Manets “Olympia” erinnernde, aber abgewandelte Posen eine Unabhängigkeit der Schwarzen Frau zu unterstreichen und der Fetischisierung des Schwarzen Körpers stark entgegenzuwirken. Die Die Nacktheit ihrer Figuren ist niemals aufreizend, sondern privat, die Blicke meist indirekt gesenkt und in eine Gedankenwelt gerichtet oder im Schlaf geschlossen. Matisses “Der Tanz” ist über einem Sofa zu sehen, die Tanzenden sind Schwarz, die Frau auf dem Sofa streckt sich und schlummert.
Das gefangene und eingesperrte Einhorn hat sich hingesetzt, es scheint das Beste aus seiner Situation zu machen. Mit “Haven” zitiert Mckinney die letzte Szene der “Meister der Einhornjagd”, einer siebenteiligen Tapisserie aus unbekannter Hand von circa 1500, die die verschiedenen Szenen einer Einhornjagd skizzieren. Der siebte, hier aufgegriffene Teppich zeigt das mögliche Happy End. Die Geschichte könnte alternativ auch mit dem sechsten Teppich “Tötung des Einhorns und Transport zur Burg” auserzählt sein.
In ihren Werken erschafft Mckinney einen sicheren Hafen für die Frauen. Ein “Haven” und ein Happy End am Ende jeden Tages, das sie sich selbst geschaffen haben. Mckinneys Figuren sind, wenn auch fiktional, so real und frei wie Lynette Yiadom-Boakyes, die obwohl der Fantasie der Künstlerin entsprungen der Welt entnommen scheinen und zu allgemeinen Repräsentant*innen des Schwarzen Lebens werden. Mckinney Frauen haben die Stärke derer von Kerry James Marshall, der im tiefen Schwarz der Haut und den alltäglichsten Szenen eine enorme Schwarze Kraft schafft, die immer da ist, immer war, aber eben selten ins Bild gesetzt wurde und wird. Mckinneys Frauen sind da, liegen und rauchen, verschmelzen mit ihrem Zuhause, könnten sich nicht weniger um das ganze Drumherum scheren.
WANN: Die Ausstellung “Haven” läuft noch bis Samstag, den 26. Oktober.
WO: Galerie Max Hetzler, Bleibtreustraße 45 & 15/16, 10623 Berlin.