Australische Geschichte in neuem Licht
Daniel Boyd im Gropius Bau

24. März 2023 • Text von

Daniel Boyd widersetzt sich in seiner künstlerischen Praxis der kolonialen Erzählung der australischen Geschichte. Mit seinen Gemälden sorgt er für eine veränderte Wahrnehmung und Repräsentation der First Nations im musealen Kontext. Wir sprechen mit dem Künstler anlässlich seiner Ausstellung „Rainbow Serpent (Version)” im Gropius Bau über den britischen Imperialismus in Australien, die Schöpfungsgeschichte der First Nations und Licht als Schlüsselkomponente seiner Arbeiten.

Ölgemälde des australischen Künstlers Daniel Boyd, das einen Mann zeigt, der mit Pfeil und Bogen schiesst.
Daniel Boyd, Untitled (PAITA), 2022, Öl und Archivkleber auf Leinwand, 74 x 103 cm, Courtesy: der Künstler und Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney

gallerytalk.net: Was ist mit dem für die Ausstellung titelgebenden Ausdruck „Rainbow Serpent“ gemeint?
Daniel Boyd: Es ist ein Oberbegriff, der für die Vielzahl von Schöpfungsgeschichten der First Nations in Australien verwendet wird. Dort, wo mein Vater herkommt, nennen wir die Schöpfungsgeschichte „Yamini”, aber es gibt noch viele andere Namen für diese Erzählung. Der verallgemeinerte Oberbegriff wurde von Menschen etabliert, die nicht zu den First Nations gehörten, und lässt eine Homogenisierung von einzelnen Gruppen entstehen. 

Gibt es noch weitere Bedeutungsebenen?
Die Idee der „Rainbow Serpent” hat auch mit Licht zu tun, da sich im Regenbogen das Licht bricht. Es ist ein Weg, sich mit der Idee des Lichts zu verbinden. Grundsätzlich möchte ich aber in meiner künstlerischen Arbeit all die unterschiedlichen Ideen und Systeme zur Schöpfungsgeschichte anerkennen und nicht einschließen oder vereinfachen, wie es mit dem Begriff „Rainbow Serpent” getan wird.

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Daniel Boyd, Foto: Tobias Rowles. // Daniel Boyd, Untitled (FJB), 2019, Gemälde, Archivkleber und Siebdruck auf Polyester, 41 x 31 cm. Courtesy: der Künstler und STATION, Melbourne.

Was bedeutet es nun für dich, diese Arbeiten im Gropius Bau auszustellen?
Indem ich meine Ideen in den Kontext des Museums einfüge, entsteht eine Verschmelzung innerhalb des Gebäudes. Der Ausstellungsraum ist nicht statisch, er ist nicht still und nicht geerdet. Es entsteht eine sichtbare Bewegung, eine Dynamik und eine Aura, die es erlaubt, poetisch zu sein.

Wer sind die Personen, die du in deinen Bildern darstellst?
Viele der Gemälde zeigen meine persönlichen Vorfahren oder Familienmitglieder. Mir geht es darum, Menschen ins Bild zu setzen, die traditionell nicht abgebildet wurden. Die Einführung von Braunen Körpern an Orten wie dem Gropius Bau ist wichtig. Es geht also auch um die Veränderung in der Repräsentation.

Gemälde des australischen Künstlers Daniel Boyd, dass eine Frau vor eine Spiegel zeigt, die sich einen Blumenkranz auf den Kopf setzt.
Daniel Boyd, Untitled (TDHFTC), 2021, Gemälde, Öl, Acryl, Holzkohle und Archivkleber auf Leinwand, 130 x 189 cm. Privatsammlung (Jean Sook Chae), Foto: Chunho An, Foto zur Verfügung gestellt von der Kukje Gallery

Eines deiner älteren Gemälde „Sir No Beard” (2009) zeigt einen weißen grauhaarigen Mann mit Stock und Augenklappe. Kannst du uns mehr über ihn erzählen?
„Sir No Beard” stellt Joseph Banks dar, einen Amateur-Botaniker und Wissenschaftler aus London. Er finanzierte die Reise der HMS Endeavour (1768-1771) mit Leutnant James Cook und reiste nach Ozeanien und Australien. In Indien ließ er Tee anpflanzen und er war maßgeblich an der Expansion von Brotfrüchten aus Tahiti beteiligt, die als günstiges Nahrungsmittel für die versklavte Bevölkerung genutzt wurden.

Gibt es weitere historische Persönlichkeiten, die du in der „No Beard“ Serie porträtierst?
Neben Joseph Banks sind auch James Cook und King Georges III Schlüsselfiguren in der imperialen Geschichte Australiens und Teil der Serie. „No Beard” ist während meines letzten Studienjahres an der Kunstschule entstanden. Ich wollte die Mythologien über die imperialistische Invasion aufgreifen und ins Gleichgewicht bringen, um die dabei entstandene Gewalt anzuerkennen.

Ölgemälde des australischen Künstlers Daniel Boyd, auf dem der Wissenschaftler Joseph Banks aus London abgebildet ist.
Daniel Boyd, Sir No Beard, 2009, Gemälde, Öl auf Leinwand, 153 x 137,5 cm. Courtesy: der Künstler und Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney, Foto: Jessica Maurer

Ist in dem Gemälde eventuell ein verstecktes Selbstporträt zu finden?
Mein Selbstporträt ist in einem Einmachglas im Hintergrund zu sehen. Damit spiele ich unter anderem auf die Evolutionstheorie von Charles Darwin an. Zudem verweise ich auch auf Pemulwuy, einen Krieger der Bidjigal. Er führte die Widerstandskämpfe in den ersten Jahren der imperialen Besiedlung Australiens an. Nachdem er gefangen genommen und getötet wurde, wurde sein Kopf abgetrennt und an Joseph Banks nach London geschickt. Diese Vermächtnisse können nicht getrennt voneinander betrachtet werden, sie müssen zusammen gedacht werden.

Seit 2010 hast du eine einzigartige Maltechnik entwickelt. Wie gehst Du beim Malen vor?
Die Oberflächen der Gemälde bestehen aus transparenten, konvexen Punkten. Jeder Punkt ist für mich die Darstellung einer Linse. Zwischen den Linsen ist ein schwarzer Raum, so dass jeder Lichtpunkt die Möglichkeit hat, in einer anderen Linse zu reflektieren. Wir erkennen an, was da ist und was nicht – ich möchte das Unbekannte zeigen.

Ölgemälde des australischen Künstlers Daniel Boyd, auf dem der Wissenschaftler Joseph Banks aus London abgebildet ist.
Daniel Boyd, Untitled (CPC), 2015, Öl, Acryl, Holzkohle und Archivkleber auf Polyester, 137,5 x 183 cm, Courtesy: der Künstler und Roslyn Oxley9 Gallery, Sydney, Foto: Ivan Buljan

Wie verortest du deine Maltechnik in der Kunstgeschichte?
Hinsichtlich der Verwendung von Licht beziehen sich die Gemälde durchaus auf den Pointillismus und Impressionismus. In meiner Arbeit ist Licht eine Schlüsselkomponente. Wenn man seinen Blick über die Oberflächen der Bilder streichen lässt, schimmert es.

Sollten deine Arbeiten dann am besten vor Ort erlebt werden?
Ja, es ist unmöglich, diesen Effekt auf einem Foto einzufangen. Die Gemälde sind keine statischen Objekte an der Wand, sie sind in Bewegung.

WANN: Die Ausstellung „Rainbow Serpent (Version)” läuft noch bis einschließlich Sonntag, den 9. Juli.
WO: Gropius Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin.

In freundlicher Zusammenarbeit mit dem Gropius Bau.

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