Modularisierung der Welt
Coumba Samba im Kunstverein in Hamburg

20. Juni 2025 • Text von

In welchem Medium lassen sich strukturelle Verflechtungen, historische Abhängigkeiten und ökonomische Handlungsströme sichtbar machen? Für die senegalesisch-amerikanische Künstlerin Coumba Samba ist die Semiotik von Farben ein zentrales Werkzeug. In „deutschland“ im Kunstverein in Hamburg übersetzt Samba globale Machtrelationen in ein visuelles System aus Farben, Licht, Takt und Geometrie.

Coumba Samba, deutschland; Installationsansicht, Kunstverein in Hamburg, 2025. Foto: Edward Greiner. Courtesy die Künstlerin und Arcadia Missa Gallery. In Auftrag gegeben durch den Kunstverein in Hamburg, 2025.

“The history of transnationalism is about flows.” (dt. “Die Geschichte des Transnationalismus handelt von Strömen”) steht im Text von Mischa Lustin für Coumba Sambas Ausstellung “Red Gas“ im Jahr 2024 bei Arcadia Missa. Für ihre Ausstellung bemalte Coumba Samba die Heizkörper des Galerieraums in blau, rot und weiß. Die Farbsysteme verweisen auf historisch-gewachsene Machtverhältnisse, Energieabhängigkeiten und postkoloniale Beziehungen zwischen der russischen Gasindustrie, Europa und dem afrikanischen Kontinent. Gleichzeitig finden sich diese Farben auch in den Flaggen vieler kolonialer und imperialer Nationen wie Frankreich, Großbritannien, und den USA wieder.

Farben erscheinen bei Samba als geopolitisch aufgeladene Oberflächen. Sie sind kulturelle Träger von Bedeutungen und Spuren historischer Machtverhältnisse, was besonders in ihrer aktuellen Ausstellung im Kunstverein in Hamburg sichtbar wird. In ihrer Rauminstallation nehmen großformatige, monochrome Raumkörper die Form von Schiffscontainern an, deren Farbgebung Codes des globalen Handels aufgreift: Türkis verweist beispielsweise auf die dänische Reederei Maersk, Grün auf die senegalesische Flagge. In „deutschland“ markiert Farbe Bewegung als Fluss von Bedeutungen, von Macht und Erinnerung, aber auch Widerstand.

Coumba Samba, deutschland; Installationsansicht, Kunstverein in Hamburg, 2025. Foto: Edward Greiner. Courtesy die Künstlerin und Arcadia Missa Gallery. In Auftrag gegeben durch den Kunstverein in Hamburg, 2025.

Samba zitiert darin unter anderem die panafrikanischen Farben Rot, Gelb und Grün, die seit der Dekolonisation in zahlreichen Nationalflaggen afrikanischer Staaten erscheinen. Ursprünglich von der äthiopischen Flagge übernommen, einem der wenigen Länder des Kontinents, das nie dauerhaft kolonisiert wurde, stehen sie für afrikanische Einheit, Unabhängigkeit und Widerstand gegen koloniale Ordnungssysteme.

Die Flagge, die in ihrer spezifischen Farbkombination Territorium und nationale Identität markiert, wird in Sambas Arbeit dekonstruiert und verweist auf die Knotenpunkte von Handlungsmächten. Sie wird zur Oberfläche, auf der sich Geschichte und Warenströme abzeichnen. In der Dunkelheit des Ausstellungsraums folgen Besuchende automatisch den leuchtenden Wegmarkierungen, flankiert von blinkenden Bildschirmen. Bis auf die Bildschirme, die im hörbaren Takt blinken, herrscht Stille. Die Installation wirkt wie eine unbespielte Bühne oder Backstage, auf der sich die Handlung bereits vollzogen hat oder im Begriff ist, zu beginnen: ein eingefrorener Moment in einem ansonsten getakteten System als Ort vorläufiger Ruhe inmitten globaler Logistik.

Coumba Samba, deutschland; mixed unit, Installationsansicht, Kunstverein in Hamburg, 2025. Foto: Edward Greiner. Courtesy die Künstlerin und Arcadia Missa Gallery. In Auftrag gegeben durch den Kunstverein in Hamburg, 2025.

Formal erinnern die monochromen Container, die gestapelt im Raum stehen, an die geometrische Abstraktion des frühen 20. Jahrhunderts, an malerische Kompositionen von beispielsweise Imi Köbel oder Piet Mondrian. Während die historische Moderne das Universelle im Abstrakten suchte, richtet Samba den Blick auf die materiellen Infrastrukturen globaler Ungleichheit. Als bewusste Kompositionen zwischen Fläche, Farbe und Bedeutung setzt Samba die Container wie malerische Setzungen in den Raum. Ihre geometrisch reduzierten Kompositionen sprechen von Migration, Kolonialität und Kapital und wie sich diese eingebettet in die Apparate der Logistik und der Zirkulation in standardisierten Formen materialisieren.

Samba präsentiert die Container als Bindeglieder zwischen Ländern, als visuelle Verdichtung historischer und ökonomischer Beziehungen. Sie werden zu Zeichen einer weltumspannenden Ordnung, deren Machtverhältnisse sichtbar gemacht werden. Weiße und rote Lichter flackern am Boden wie auf einem Rollfeld. Zeit wird in Frequenz übersetzt, Logistik in Rhythmus, Kontrolle in Licht. Die kapitalistische Ordnung der Welt bekommt ein visuelles System, in dem Coumba Samba seine Codes offenlegt.

WANN: Die Ausstellung “deutschland” läuft bis Sonntag, den 10. August.
WO: Kunstverein in Hamburg, Klosterwall 23, 20095 Hamburg.

Weitere Artikel aus Hamburg