Andere Begegnungen
Catherine Biocca bei SPACED OUT

31. Mai 2021 • Text von

Catherine Biocca arbeitet installativ, sie verbindet Audio, Video, Skulptur und Zeichnung zu expressiven theatralischen Inszenierungen. Für ihre Ausstellung “Mock Object” bei SPACED OUT hat sie neue Arbeiten entwickelt, die mit der Gediegenheit der einst herrschaftlichen Salons spielen. Mit uns sprach sie über ihren künstlerischen Zugang zu Räumen.

Catherine Biocca: Mock Object, 2021, Installationsansicht, SPACED OUT at Gut Kerkow.

gallerytalk.net: Du hast gerade eine Ausstellung an einem Ort, an dem man zeitgenössische Kunst nicht unbedingt erwarten würde. Wie kam es dazu?
Catherine Biocca: Die Ausstellung findet im Kontext von SPACED OUT statt, ein Projekt das Jochen und Christof Beutgen in Zusammenarbeit mit der Galerie PSM entwickelt haben. Die beiden Sammler, die zusammen mit Sarah Wiener im Gut Kerkow auch eine biologische Landwirtschaft betreiben, wollen an diesem Ort in der Uckermark langfristig ein Projekt etablieren, bei dem zeitgenössische Kunst auch im Umland von Berlin erfahrbar wird. Dort ist gerade meine Ausstellung „Mock Object“ zu sehen. Die Architektur des Space ist sehr ländlich, integriert in das Gutshaus, auch ein alter Kornspeicher kann bespielt werden. Das ist natürlich kein White Cube, das sind untypische Räume für Kunst. Aber genau das fand ich interessant, auch das Neben- und Miteinander mit dem restlichen Betrieb fand ich reizvoll.

Kann man sich das wie eine Residency vorstellen?
Die Möglichkeit hätte es gegeben, aber für mich hat es leider zeitlich nicht geklappt, länger dort zu sein. Andere Künstler haben das aber schon genutzt. Ich selbst war eine Woche dort und habe die Ausstellung aufgebaut.

Catherine Biocca, Foto: privat.

Wie wird das Projekt angenommen? Kommen die Besucher*innen aus Berlin oder auch aus der direkten Nachbarschaft?
Für Corona-Verhältnisse hatten wir eigentlich recht viele Besucher*innen, mit Anmeldung und nach den geltenden Regeln eben. Die Besucher*innen, die kamen, waren eher aus Berlin, nicht aus dem Umfeld in Brandenburg. Da die Ausstellung aber noch relativ lange läuft, bis zum 18. Juli, haben auch die Menschen vor Ort noch die Chance, die Ausstellung zu besuchen. Es hat sich mittlerweile durchaus etabliert, dass Leute, die zum Gut Kerkow kommen, auch wissen, dass man dort Kunst sehen kann. Es ist ein Prozess, diesen Ort auch als Ort für Kunst zu etablieren.

Wie war es für dich, diese eher untypischen Räumlichkeiten zu bespielen?
Sehr gut. Ich mache das eigentlich ganz gerne. Spezielle, untypische Orte sind oft sehr interessant, bieten mehr Freiraum. Außerdem ist der Druck nicht ganz so hoch. Man kann freier arbeiten und die Räume anders nutzen, weil es keine große Institution oder Galerie ist. Für mich macht es Sinn, an solchen Orten etwas auszuprobieren, mich auf die Räume einzulassen. Es gibt weniger Zwänge, keine belastete Vorgeschichte. Vieles fällt weg und ich kann als Künstlerin freier agieren.

Catherine Biocca: Mock Object, 2021, Installationsansicht, SPACED OUT at Gut Kerkow.

Auch wegen der Pandemie sieht man immer häufiger Projekte, die draußen stattfinden, nicht in den Städten und auch an ungewohnten Orten. Da ist es für die Besucher*innen oft schwierig, einen Zugang zu finden. Wie siehst du das?
Für mich ist es natürlich wichtig, dass Leute meine Kunst sehen, ich plane die Besucher*innen als elementare Bestandteile der Ausstellung mit ein. Deshalb würde es für mich keinen Sinn ergeben, wenn keiner die Ausstellung sieht. Ein Ort wie das Gut Kerkow ermöglicht es, dass Besucher*innen kommen. Auch solche, die vielleicht anders mit der Kunst umgehen. Ich finde, es sollten öfter solche Projekte umgesetzt werden. Es gibt so viele Zwischenräume, die nicht genutzt werden, auch im öffentlichen Raum. Wie beim „Public Gardening“ sollten diese Nischen entdeckt und zurückgewonnen werden für soziale und kulturelle Begegnungen. Man trifft auf andere Leute und begegnet sich anders, ob nun in einer Ausstellung oder in einem Gemüsegarten. Die Pandemie hat es ja noch mal verdeutlicht. Die Kunstszene ist ein in sich geschlossener soziale Ausschnitt. Das ist natürlich in vielen Branchen so, aber speziell in der Kunst könnte man sich ja erhoffen, dass es dort freier ist. Das wäre schön, wenn das passiert.

Catherine Biocca: Mock Object, 2021, Installationsansicht, SPACED OUT at Gut Kerkow.

Mich interessiert dein Umgang mit den Räumen im Gut Kerkow. Wie war es für dich, diesen Space zu bespielen?
Ich versuche immer, mit dem Raum zu arbeiten, natürlich besonders wenn es eigentlich kein kunstspezifischer Raum ist. Im White Cube versuche ich, den Raum zu verstecken oder so zu entstellen, dass wenig vom ursprünglichen Raum übrigbleibt. Bei einer Gruppenausstellung ist das natürlich nicht immer möglich. Aber bei Solo-Shows versuche ich, die Räume bewusst aufzubrechen. Bei dem Projekt in Kerkow habe ich eine andere Strategie verfolgt, fast das Gegenteil. Hier sollten die Arbeiten sich in den Raum einfügen. Ich löse den Raum nicht auf, die Arbeiten werden vom Raum absorbiert.

Während der letzten Monate wurde vieles von der digitalen Sphäre absorbiert. Du hast vor 2020 schon an den Schnittstellen der digitalen und physischen Welten gearbeitet. Wie hast du die Entwicklungen im letzten Jahr diesbezüglich wahrgenommen?
Für mich persönlich war es vorher schon endemisch, mit digitalem Material aus dem Internet zu arbeiten. Das war als Material verfügbar und dann ist es ja klar, dass man damit arbeitet. Den pandemischen Zwang ins Digitale habe ich natürlich auch erlebt, aber ich fand das hatte durchaus gute Seiten. Ich habe Vorträge und Lehraufträge virtuell gehalten und das ist eigentlich gar nicht so schlecht. Das waren wirklich positive Erfahrungen.

Catherine Biocca: Mock Object, 2021, Installationsansicht, SPACED OUT at Gut Kerkow.

Wie geht es bei dir weiter?
Ich mache gerade ehrlichweise eine Produktionspause. Wie wahrscheinlich viele überdenke ich im Moment Dinge, betrachte gewisse Sachen anders und hinterfrage mich auf gewissen Ebenen auch selbst. Gerade habe ich keine tägliche Studio-Routine, ich mache stattdessen viel Recherche, experimentiere, überlege und atme auf. Ich bin tatsächlich ein bisschen froh, dass etwa Messen gerade nicht stattfinden und die gängigen Vermarktungsstrukturen so in Frage gestellt werden.

Wäre so eine Reflexive Phase auch ohne die Pandemie gekommen?
Ich glaube, das wäre auch so gekommen. Das passiert bei mir in Wellen, auf Phasen der Aktivität und Produktion folgen Phasen der Reflexion und intensiver Recherche. Das hat sich aber durch die Pandemie wahrscheinlich beschleunigt. Ausstellungen und Projekte wurden, wie bei allen, entweder abgesagt oder weit in die Zukunft verschoben. Das bedeuten für mich mehr Zeit aber auch weniger Druck und Erwartungen. Ich arbeite sonst ja eher anlassbezogen, auf ein Projekt hin. Diese Pause nutze ich jetzt für mich. Und dadurch entwickeln sich natürlich auch Themen und Gedanken auf anderen, übergreifenden Ebenen. Aber das habe ich mir jetzt bewusst herausgenommen, dass ich jetzt weniger „liefern“ muss und mehr Zeit habe, zu experimentieren und zu überlegen, wie ich weitermache.

WANN: Noch bis zum 18. Juli zu sehen.
WO: SPACED OUT, Gut Kerkow, Greiffenberger Strasse 8, 16278 Kerkow.

Aktuelle Arbeiten von Catherine Biocca sind nicht nur in Brandenburg, sondern bald auch in Amsterdam zu sehen. Unter dem Titel “SOBSOBSOBSOBSOB” zeigt die Galerie Stigter Van Doesberg dort ab dem 17. Juni eine Einzelausstellung.

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