Bremen, was geht? Aktuelle Ausstellungen in Museen und Galerien
1. März 2022 • Text von Lara Brörken
Im März nehmen wir Bremen in den Fokus: Alexandra Leykauf und Dominik Styk öffnen im GAK eine Art der Heute-Höhle, im Künstlerhaus löst Jimmy Robert die Performancekunst vom menschlichen Körper ab und 100 Künstler*innen fragen sich in der Weserburg, wer wir sind. HfK Studierende waren im Paradies, Ergebnisse präsentiert die Galerie Mitte, eine kleine Artfair gibts im “To the A”-Projektraum. In der Galerie Herold zeigt Franziska von den Driesch Räume die sich von der Wirklichkeit entfernen, die Städtische Galerie verleiht unter dreizehn Künstler*innen den 45. Förderpreis für bildende Kunst. Und die MS Dauerwelle kommt! Hier weht eine steife künstlerische Brise. Zieht euch warm an.
Mit “What We Do In The Shadows” öffnen Alexandra Leykauf und Dominik Styk in der Gesellschaft für Aktuelle Kunst (GAK) eine Ausstellung, die das Heute in einen prähistorischen Rahmen setzt: Sie eröffnen quasi eine Heute-Höhle. Ein umgekippter Laptopbildschirm wird zum Fenster aus der Höhle von Lascaux, die für ihre prähistorische Wandmalerei berühmt ist. Leykaufs “Lascaux” umfasst sinnbildlich für diese Show eine Zeitspanne von ca. 17.000 v.Chr. bis zum Jahr 2022.
Mit Styks Serie “Mudpact” zieht der Höhlencharakter in den Ausstellungsraum. Es wimmelt und krabbelt auf dem Boden, von der Decke tropfen Säulen in Richtung Boden. Wie Perlenketten hangeln sich die massiven Gebilde herab. Um sie herum kriechen Objekte und Subjekte, die Stein, Geröll, Urtier und Homo ludens sein können. Die kleinen Spielenden erkunden ihre Umgebung, werfen einen neugierigen Blick in korallenartige Objektöffnungen. Auf moosartigen Flächen wachsen halblebendige Pflanzen, in einer an einen Korbstuhl erinnernde geflochtene Fackel lodern gefiederartige Flammen.
Ein präparierter Fuchs, ein projiziertes Reptil, Steinwand und Schatten – so setzt sich diese Multimedia-Höhle zusammen. Hier verschmelzen Archäologie und zeitgenössische Kunst auf eine die Prähistorik würdigende Art und Weise. Und der Wunsch nach ein bisschen mehr Homo ludens in Zeiten des Homo sapiens flammt auf.
WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag, den 15. Mai.
WO: GAK Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Teerhof 21, 28199 Bremen.
Mit allen Mitteln, aber physisch abwesend performen, das ist Jimmy Roberts Ansatz. Mittels Video, Sound, Textil und Papier kreisen die Arbeiten des Künstlers den Kern der Performancekunst ein. Seine Kunst umzingelt die Performance, wie ein Rudel Löwen die Gazelle, sodass sie ihm nicht mehr entwischen kann.
Er zerlegt die Performance in ihre Bestandteile, um so ihr Wesen herauszukristallisieren, es zu umspielen. Seine künstlerische Dekonstruktion ist radikal und verspielt zugleich. Das Herz seiner Kunst ist in der aktuellen Solo-Show “la musique dans la chambre” im Künstlerhaus Bremen vor allem hörbar. Kuratiert von Nadja Quante wird das Klangelement von Roberts performativer Arbeit ins Zentrum gesetzt. Bewegungen, Worte und Musik bauen sich zu einer akustischen Skulptur auf, eine wahrnehmbare sich an Objekte anheftende, aber abwesende Performance.
WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Freitag, den 18. April.
WO: Künstlerhaus Bremen, Am Deich 68, 28199 Bremen.
Dreizehn Künstler*innen und potenzielle Preisträger*innen des 45. Bremer Förderpreises für bildende Künste werden aktuell in der Städtischen Galerie Bremen ausgestellt. Neben feinen detailverliebten Zeichnungen von Myong-Hee Ki, zwischen Tipi und Figur schwankenden Keramikskulpturen von Max Santo oder auch den geometrisch-poppig und digital bedruckten Duschvorhängen von Francisco Valença Vaz sind auch Videoinstallationen, Papierschnitte, Skulptur, Malerei klassisch, wie auch digital und Fotografie vertreten.
Shirin Mohammads Installationen sind schönes naturwissenschaftliches Experiment, mal erforschen sie biologische Ereignisse wie den Tsunami, mal die Geometrie und Messtechnik. Ihre Videoarbeiten beschäftigen sich mit Kriegen und dem Menschsein. In Yu Linhans Serie “Escape Velocity” bilden sich bewegende Menschen in flüchtigen, digitalen Linien ab. Ob sie joggen oder weglaufen, das ist die die Bilder aufladende Frage. Die Serie entwickelt sich, bis die sie zusammensetzenden einzelnen Papierbögen wörtlich von der Wand blättern. Und wo Kabel sind, ist Norman Neumanns Kunst nicht weit. Er liebt die Kabelage, den Sound, die Elektrizität, die Frequenz. Alle diese Elemente fließen in seine raumgreifend Installationen ein, sie hangeln sich durch den Raum von skurrilem Objekt zu funktionierendem Objekt. Unter den dreizehn Positionen findet sicher jede*r eine*n Gewinner*in.
WANN: Die Ausstellung läuft noch bis Sonntag, den 17. April.
WO: Städtische Galerie Bremen, Buntentorsteinweg 112, 28201 Bremen.
Der Projektraum “From the A” hat junge Künstler*innen und Studierende in Bremen aufgerufen bei der “Fair-not fair Art Fair. No fear.” zu zeigen, was sie zu bieten haben. Ein Open-Call ging raus an alle, die einen Platz in der Öffentlichkeit wünschen, die in Austausch treten wollen, sich wieder treffen und sichtbar sein wollen. Diese kleine art fair ist eine Wundertüte. “From the A” bietet Raum für alle Medien, Materialien und Formate.
Es werden Keramiken von Noëlle BuAbbud zu sehen sein, die zwischen Alltagstauglichkeit und Skulptur changieren. Ihre charismatischen leicht verbeulten Tassengesichter entwickeln sich in ihrer Größe von Milchkaffe zu Espresso, die Ohren- und somit auch Griffgröße variiert.
Julija Paškevičiūtė wird einige ihrer farbenfrohen mixed-media Zeichnungen ausstellen, die mit ihrer kindlichen Leichtigkeit sämtliches Trübsal wegblasen, aber Dunkelheit nicht ausschließen. Weitere ausstellende Künstler*innen werden im Laufe der Woche bekanntgeben. Bremen darf gespannt sein, was hier noch zu sehen sein wird, Wundertüte eben.
WANN: Die Ausstellung ist am 4. und 5. März zu sehen.
WO: from the A project space, Ostertorsteinweg 40, 28203 Bremen.
Eine kleine Ortschaft mit vielversprechendem Namen in der Wesermarsch: Paradies. Ein Wort, das direkte und ganz individuelle Assoziationen und Erwartungen weckt. Kann der reale Ort nahe der Hunte diesen gerecht werden? Diese Frage hat eine Gruppe Studierender des Master Studios Kultur und Identität der Hochschule für Künste (HfK) Bremen angetrieben einen Ausflug zu machen.
Die Ergebnisse des Besuchs im vermeintlichen Paradies sind Texte, Illustrationen, Fotografien, Soundinstallationen und eine alles zusammenfügende Publikation. Die Arbeiten spiegeln die Wirklichkeit wider, peppen sie auf, zeigen Enttäuschung, ernüchternde Wirklichkeit, bilden die Tristesse des Ortes schonungslos ab oder lenken den Blick von ihr weg. Es entstehen neue Paradies-Assoziationen und neue Fragen entwickeln sich in diesem paradiesischen Zwischenraum: Ist es überhaupt erstrebenswert das Paradies zu erreichen? Wovon träumen wir? Sollten Paradiese nicht besser nur in der Fantasie begehbar sein?
Die Paradieser Hauptstraße wird etwas weiter nördlich zur Straße Butteldorf an dessen Ende eine Maps-Nadel auf das Restaurant “Zur Erholung” weist. Gibt es hier eine erholsame Feierabend Buddel? Ob Namen halten was sie versprechen, wäre auch an dieser Stelle interessant. Dem ob und wie viel Paradies in 26931 Paradies zu spüren ist, wie viel Erholung, werden sich die Werke der zehn Künstler*innen in der Galerie Mitte annehmen. Am 4. März ist Publikationstermin und Vernissage.
WANN: Die Ausstellung “Paradies” läuft vom 4. März bis Sonntag, den 10. April.
WO: Galerie Mitte im Kubo, Beim Paulskloster 12, 28203 Bremen.
Es ist eigentlich nur logisch, dass um der Frage nach dem, was wir sind, nachzugehen, viele zu Wort, zu Kunst kommen müssen. Die Weserburg zeigt derzeit eine Show, die 190 Werke von 100 Künstler*innen umfasst. Um nur einige Namen zu droppen: Puppies Puppies, Norman Schwontkowski, Lorna Simpson, Slavs & Tartars, Ahmet Ögüt, Kasia Fundakowski, Katja Aufleger, Simon Fujiwara, Lars Eidinger – und das war nicht mal ein Fünftel derer, die dem Wir entlang verschiedener Themenbereiche und aus diversen Kontexten heraus den Spiegel vorhalten. Beleuchtet wird das Wir im Alltag, Wir als politische Gemeinschaft, Wir in der Gesellschaft, Wir in Deutschland, Wir ganz Minimalistisch oder auch das opulente Wir der Prominenz.
Es werden humorvolle Einblicke in von Wischmob und Staub regierte Alltagswelten geboten, aber gleichzeitig Schwachstellen der Gesellschaft offengelegt. Themen wie Nationalsozialismus, Schwarze Identität oder auch die Digitalisierung sind heute und somit auch in den Räumen der Weserburg nicht zu ignorieren. Gegen den Kloß im Hals helfen Absacker von der Shooters Bar von Mel Chin & Gala Committee.
Einen Fokus legt die Weserburg auf die Künstlerin Kapwani Kiwanga, die mit ihrer skulpturalen Arbeit “Glow”, die aus dunkler Fläche und Laterne besteht, auf das “Laternen-Gesetz”, das 1713 in New York in Kraft trat, verweist. Es erlaubte Schwarzen Menschen oder indigenen Sklaven bei Nacht nur mit Laterne oder Begleitung auf die Straßen zu gehen. Auch in ihrer Arbeit “Greenbook” ist die strukturelle Unterdrückung Farbiger zentrales Thema. Greenbooks waren Reiseführer, die zwischen 1936 und 1966 jährlich erschienen und für Schwarze sicherere Routen in Amerika listeten. Diese historischen Listen bilden die Basis ihrer Arbeit.
Noch bis Sonntag, den 10. April hebt Ulla von Brandenburgs Show “Eine Landschaft ohne Blau, wie ungefähr” in der Weserburg den Vorhang, auch hierfür lohnt sich ein Besuch!
WANN: “So wie wir sind 3.0” läuft bis Sonntag, den 21. August.
WO: Weserburg Museum für moderne Kunst, Teerhof 20, 28199 Bremen.
Nahe den Gleisen des Hauptbahnhofes liegt ein Areal, das neben kulturellen, Freizeit- und Kunstangeboten auch das Künstlerhaus beherbergt. Hier ist die Galerie Herold angesiedelt, die ihre Räume ab dem 11. März der Bremer Künstlerin Franziska von den Driesch widmet.
Die Fotografie ist das Thema der Künstlerin. Sie erforscht in ihren digital wie analog entstandenen Werken das Medium und seinen Entstehungsprozess selbst. Von den Driesch lässt den Zufall zu, lässt beteiligte Teilchen, Chemikalien, Pixel miteinander reagieren und interagieren, sodass am Ende ein Bild entsteht, das sich von der Realität abzulösen scheint.
Ob wir wirkliche Räume sehen, ist ungewiss. Dimensionen verschwimmen in Unschärfe, die Perspektive fällt wortwörtlich durch das Raster. Die Werke sind mehr als zeitlos, sie sind Stillstand und Stille. Mit von den Driesch wird auf zweidimensionalem Fotopapier Technik zu Raum. Schön, dass ihrer künstlerischen Praxis in der Galerie Herold Raum gegeben wird.
WANN: “Blanko” wird am 11. März eröffnet und läuft bis zum 17. April.
WO: Galerie Herold c/o Güterbahnhof Bremen – Areal für Kunst und Kultur, Beim Handelsmuseum 9, 28195 Bremen.
Zu guter Letzt noch eine vielversprechende Aussicht: Diesen Mai wird das Ausstellungsschiff MS Dauerwelle der Hochschule für Künste Bremen eröffnen. Seit 2018 feilen die beiden Professorinnen Asli Serbest, HfK-Professorin für temporäre Räume, und Mona Mahall, Professorin für Architektur und Kunst an der Hafen-City Universität Hamburg an dem Großprojekt. Früher Techno-Party-Schiff “Pirat” in Gelsenkirchen, heute ganz classy und clean in Weiß. Der mobile HfK-Ausstellungsraum hat seinen Anlegeplatz gefunden und konnte mit einer Diplomabschluss-Ausstellung von Ole Prietz und Behshad Tejammol Anfang Februar bereits einen kleinen, die Vorfreude anfeuernden Vorgeschmack gegeben. Aber der ganz große Bumms kommt erst noch. Dran bleiben!
Update: Die eigene Wut und Verzweiflung gegenüber des Ukraine-Krieges musste die russische Künstlerin und HfK-Studentin der freien Kunst Anastasiia Guzenkova in den letzten Wochen malerisch herauslassen. 20 ihrer schreienden, dystopischen Werke werden im Rahmen der Ausstellung “FEAR. In Russia: in jails, in Ukraine: dying.” vom 20. bis 26. März auf der MS Dauerwelle gezeigt. Vernissage ist am Samstag, den 19. März ab 17 Uhr.
WANN: Eine Eröffnung ist für Anfang Mai geplant.
WO: Bürgermeister-Smidt-Brücke, 28199 Bremen. Direkt gegenüber der Weserburg.