Blicke auf das Innen
Das Mamut Art Project Istanbul

30. April 2019 • Text von

Das Mamut Art Project jährt sich dieses Jahr zum siebten Mal und schafft Raum für junge, kreative Talente. Was hier in Istanbul gezeigt wurde, waren die Wünsche, Probleme und Visionen der zeitgenössischer KünstlerInnen aus der Türkei.
Text: Anna Möslinger

Logo: Mamut Art Project 2019.

Die Metropole Istanbul hat etwas magisch-mystisches, ist geprägt von Widersprüchen und durch ihre geografische Lage eine Brücke zwischen Europa und Asien. Für fünf Tage öffnete das Mamut Art Project dort seine Tore, um junge, innovative Kunst zu zeigen. Es sind die jungen KünstlerInnen, deren Stimmen Anstoß zu Veränderung geben. Sie beherrschen ihr Metier und wollen ihre  kreativen Ideen und eigenen Ansätze selbst vermitteln. Insgesamt 50 kreative Talente präsentieren ihre Arbeiten SammlerInnen, KuratorInnen, GaleristInnen und natürlich KunstliebhaberInnen. Die KünstlerInnen sind vor Ort und beantworten Fragen, diskutieren Kritik und tauschen sich aus. Für viele von ihnen sind es die ersten Versuche, sich in der Kunstwelt einen Namen zu machen. Wiederkehrende Themen: die politische Situation der Türkei, Fragen nach einer individuellen, nationalen, wie auch einer globalen Identität, und Probleme des alltäglichen Lebens. Hier unsere Highlights:

Can Kılcıoğlu: Note: Watch at 35. © Photo: Emir Uzun.

Can Kılcıoğlu zeigt sein Video „Note: Wath at 35“, welches er im Alter von 18 Jahren gedreht hat. In dem Video, das vor 17 Jahren entstanden ist, spricht er über Träume und Ängste und erzählt, wo er sich selbst mit 35 sieht. Es ist der Versuch Erinnerungen, Träume und Ängste im Bezug auf die Verantwortung des Erwachsenseins nicht verschwinden zu lassen, sondern ihnen einen permanenten Charakter zu verleihen. Als BetrachterIn stellt sich die Frage, ob Erinnerungen beständig sein können oder ob diese sich mit der Zeit auflösen oder gar verfälschen.

Gabriel Vorbon: Objects for the body. © Gabriel Vorbon.

Die Fotografien der Serie „Objects for the body“ des Künstlers Gabriel Vorbon erscheinen auf den ersten Blick schlicht und dennoch sehr tiefgründig, wirken beinahe anziehend. Diese Anziehung speist sich aus den poetischen Kompositionen von Mensch und Architektur. Vorbon verbindet Mode und Tanz in seinen Werken und lässt sie in einem architektonischen Ambiente auf menschliche Körper treffen. Dadurch schafft er es, die abgebildeten Personen auf das Eigentliche, nämlich den Charakter selbst hinunter zu brechen, und äußert Kritik an einer oberflächlichen Gesellschaft. Soziale Interaktion beginnt oft mit einer Kategorisierung von Äußerlichkeiten, und Mode spielt hierbei eine wichtige Rolle. Indem die ProtagonistInnen seiner Fotografien jedoch nur weite, lockere Kleidung tragen, entziehen sie sich eben dieser sozialen Einordnung. Das Erkennen des Selbst und Kritik an sozialen Beziehungen werden zum Hauptthema seiner Werke.

Ekin Keser: Teachers’ Oath. © Ekin Keser.

Ekin Keser steht in seinem Video „Teachers’ Oath“ selbst vor der Kamera. Mit Talar und Doktorhut auf dem Kopf filmt er sich vor einem weißen Vorhang, in seinen Händen ein Blatt Papier. Was er zu verkünden hat, geht unter die Haut: „Instead of the constitution of Turkish Republic, the revolutions and principles of the great leader Atatürk and the nationalism in the constitution, I promise to be loyal to the unwritten rules of human dignity, not to values of hundreds of years ago but the ones of our modern universal laws and in this sense to reject any kind of nationalism.“ Ekin Keser macht auf hierarchische Machtstrukturen aufmerksam, die vor allem von Lehrpersonen in der Türkei kontrolliert und an SchülerInnen weitergeben werden.

Çağan T. Okuyan: Kebab Project. © Photo: Emir Uzun.

Mit analogen Fotografien von Kebabspießen, Verkaufsständen und einem Döner aus Beton, erzählt Çağan T. Okuyan auf humorvolle Art und Weise seine persönliche Migrationsgeschichte. Rosa gestrichene Wände, grelle Farben und blinkende Leuchtschilder in Form eines Fleischspießes ebnen den Weg zu einem sehr intimen Thema: Als Kind zog Okuyan aus der Türkei nach Frankreich. In dem Ringen um eine post-migrantische Identität verbrachte er viel Zeit in der türkischen Community in Paris. Jahre später porträtierte er mit einer analogen Kamera das Umfeld von Dönerbuden in Frankreich, Deutschland und in der Türkei. Das „Kebab Project“ bot den BetreiberInnen und KundInnen die Möglichkeit ihre Geschichte zu erzählen und sich mitzuteilen. Im Ende entstand ein Buch, das mithilfe von Fotografien und Zitaten Narrative sichtbar macht, die nicht nur für Okuyan ein hohes Identifikationspotential bieten. Hier gibt es Kebab-Project zu bestellen.

Installationsansicht: Mamut Art Project 2019. © Photo: Emir Uzun.

Der Fokus des Projekts liegt eindeutig nicht auf dem Verkauf, viel eher bietet das Mamut Art Project den KünstlerInnen eine kostenlose öffentliche Plattform, um ihre Arbeiten, teilweise zum ersten Mal, auszustellen. 25 weibliche und 25 männliche KünstlerInnen wurden aus insgesamt 1350 Bewerbungen von einer Jury ausgewählt. Unter den fünf Jury-Mitglieder finden sich Namen wie Ari Meşulam, Mitglied der SAHA Foundation, Burcu Pelvanoğlu, Lehrende an der Mimar Sinan Fine Arts University in Istanbul oder auch Yeşim Turanlı, Eigentümerin der Galerie Pi Artworks in Istanbul und Mitglied des Tate Middle-East Acquisitions Committee. Finanziert wurde das Projekt hauptsächlich durch die AKKÖK Holding, einer der größten Energieanbieter in der Türkei.

Was auf alle Fälle klar ist – es sind Namen, die man sich merken sollte. Das Event der ganz besonderen Art bietet jungen, aufstrebenden KünstlerInnen die Möglichkeit, ihre Ideen und Arbeiten einem breiteren Publikum zu zeigen – und das auf ganz persönliche Weise. So soll junge Kunst vermittelt werden, nicht wahr?

WANN: Das Mamut Art Project fand vom 3. – 7. April 2019 statt.
WO: Mamut Art Project 2019, Küçük Çiftlik Park, Istanbul, Türkei.

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