Farblosigkeit mit feinstem Aroma
"Blanc de Blancs" in der Villa Schöningen

11. April 2022 • Text von

Die Villa Schöningen in Potsdam widmet der Unfarbe Weiß in “Blanc de Blancs” derzeit eine umfangreiche Gruppenausstellung mit insgesamt 54 Werken und 38 verschiedenen künstlerischen Positionen. Was sie eint? Die Auseinandersetzung mit der Farblosigkeit und vermeintlichen Reduktion von Weiß, das so vieles sein kann und gleichzeitig doch auch nichts. Es besitzt die Fähigkeit, multiple Projektionsflächen im Nichts zu vereinen und weckt fortlaufend das besondere Interesse von Kunstschaffenden, wie diese Ausstellung par excellence zeigt.

Ein weißer Ausstellungsraum, links ein Objekt aus zwei weißen Stühlen an der Wand, rechts in der Ecke zwei weitere Kunstwerke
© Villa Schöningen, Maria Eichhorn, Anna Grath, Foto: Sascha Hermann, 2022.

Alles begann mit einer kleinen Ausstellung in Kopenhagen, die von dem Künstler Gregor Hildebrandt kuratiert wurde und im Dezember vergangenen Jahres zu sehen war. Auf ihr basiert die aktuelle Ausstellung “Blanc de Blancs” in der Villa Schöningen, die von der Direktorin Sonia González in Zusammenarbeit mit Gregor Hildebrandt konzipiert und zusammengestellt wurde. Die Bedeutung hinter dem Titel der Ausstellung dürfte für echte Weinexpert*innen glasklar sein – als “Blanc de Blancs” bezeichnet man Weißweine, die ausschließlich aus weißen Trauben hergestellt wurden. Stößchen!

Filigrane Papier-Kunstwerke mit Blättern und Blüten, die auf Spiegeln angebracht und eingerahmt sind, an einer weißen Wand befestigt
Jorinde Voigt, The sum of all best practices I-VI, 2021 © Villa Schöningen, courtesy the artist and König Galerie. ⁠Foto: Sascha Herrmann, 2022.

Die Assoziationsmöglichkeiten und Zuschreibungen in Bezug auf das farblose Weiß sind endlos… Es kann mal für Reinheit und Unschuld stehen, für den Frieden oder Kapitulation, mal symbolisch für einen Neuanfang. In der Villa Schöningen wird die Vielfältigkeit in der Eintönigkeit zum Ausdruck gebracht und unterschiedlichste Annäherungen an das Thema präsentiert. Die Liste an Künstler*innen ist lang und kann sich sehen lassen! Jorinde Voigt zeigt beispielsweise in ihrer Serie “The sum of all best practices I-VI” filigran zugeschnittene und feinsäuberlich zusammengesetzte Blätter und Blüten aus Papier, die auf Spiegel angebracht sind. Hier sollte man ganz genau hinschauen, damit sich die detailreichen Bildwelten offenbaren.

Ausstellungsansicht in der Villa Schöningen, im Vordergrund ein Stuhl, der auf einer weißen Kugeln balanciert, im Hintergrund gerahmte Papier-Arbeiten an einer weißen Wand
Jorinde Voigt, The sum of all best practices I-VI, 2021 © Villa Schöningen, courtesy the artist and König Galerie, Inge Mahn, Balancierender Stuhl (Balancing chair), 2017 © Villa Schöningen, courtesy the artist and Kadel Wilborn, Foto: Sascha Herrmann, 2022.

Die Künstlerin Inge Mahn lässt Stühle durch den Ausstellungsraum balancieren, während Leiko Ikemura hauchzarte Farben auf die Leinwand gebracht hat, die – auch, wenn Bilder keine Töne von sich geben können – irgendwie ganz ruhig und besänftigend daherkommen. Nicht nur die Künstler*innen-Liste ist lang und vielseitig, auch die verwendeten Materialien sind es. Gabriel de la Mora hat winzig kleine Stückchen von Eierschalen zu einem Kunstwerk vereint, Gregor Hildebrandt mit einer Vielzahl von weißen Schallplatten, die den Eindruck von übergroßen Muscheln erwecken, einen ganzen Raumteiler im Obergeschoss zusammengesetzt und Johannes Albers mithilfe des 3D Drucks einen riesigen Stecker geschaffen, der passenderweise direkt neben einer herkömmlichen Steckdose im Ausstellungsraum platziert wurde.

Eine Art Raumteiler aus weißen Schallplatten, die optisch Muscheln ähneln, in der Mitte wird ein Kunstwerk von den Schallplatten eingerahmt
Gregor Hildebrandt, Parabol Spiegel Weiß, 2022 , © Villa Schöningen, courtesy the artist and Wentrup gallery, ⁠Thomas Zipp, Blind Spot Detecting Unit (Balloon Shaped Cloud) 2021 © Villa Schöningen, courtesy the artist, Foto: Sascha Herrmann, 2022.

Wenn die Ausstellung in der Villa Schöningen eines sicher nicht ist, ist es eintönig. Die Farbpalette ist hier zwar maximal minimiert und alles auf den ersten Blick eben “nur” weiß. Dennoch zeigen die Exponate, wie aufregend diese Unfarbe sein kann und wie wichtig es ist, nah heranzutreten und die künstlerischen Details genau unter die Lupe zu nehmen. In ihnen offenbaren sich die wahren kleinen Schätze in der gesamtheitlichen Farblosigkeit oder – um im Wein-Fachjargon zu bleiben – in der Betrachtung der Details entfaltet sich hier das feinste Aroma erst so richtig.

Mehr zur Villa Schöningen könnt ihr hier in einem Beitrag aus dem letzten Jahr von Autorin Julia oder hier von der kuratorischen Assistentin an der Villa Schöningen, Pola van den Hövel, nachlesen.

WANN: Die Ausstellung “Blanc de Blancs” läuft noch bis 08. Mai 2022.
WO: Villa Schöningen, Berliner Straße 86, 14467 Potsdam.

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