Zwischen Raum und Zeit
Berta Fischer über Kunstkonsum, Atmosphäre und unbetitelte Werke

10. Dezember 2020 • Text von

In Berta Fischers Kunstwerken kann man sich für einen Moment verlieren. Ineinander verwobene Acrylglasformen, die in unzähligen Farben schimmern und durch den Raum schweben, neben Linien aus Neonlichtern und Schnüren, die sich ebenfalls still durch den Raum bewegen. Sobald es dem Haus am Waldsee wieder möglich ist, zu öffnen, können in der Ausstellung “Into Space” ihre Arbeiten genauer unter die Lupe genommen werden. In einem Gespräch mit gallerytalk.net spricht Fischer über ihre Objekte, den Konsum von Kunst und klärt die Frage, warum so viele Werke keinen Titel haben.

Ein heller Ausstellungsraum mit zwei skulpturalen Kunstwerken. Eines hängt rechts an der Wand, das andere hängt von der Decke und scheint im Raum zu schweben. Es ist an transparenten Schnüren befestigt.
Ausstellungsansicht “Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo”, Haus am Waldsee, 2020; Foto: Roman März.

Das Haus am Waldsee in Berlin-Zehlendorf zeigt unter dem Titel “Into Space” Arbeiten von Naum Gabo, Björn Dahlen und Berta Fischer. Ein undefinierbarer, nicht greifbarer Raum, an den wir uns vielleicht alle hin und wieder mal hin wünschen. Abtauchen, die Realität einfach Realität sein lassen und nur existieren – im Hier und Jetzt. Wir haben die Künstlerin Berta Fischer virtuell getroffen und mit ihr über ihre Arbeit, Raumgefühl und die Bedeutung von unbetitelten Kunstwerken gesprochen.

gallerytalk.net: Wie geht es Dir in dieser merkwürdigen Zeit? Kannst du deinen Alltag normal bestreiten?
Ja, eigentlich ist das schon möglich. Man versucht bestmöglich aufzupassen, rücksichtsvoll zu sein, Abstand zu halten und ist auch hin und wieder mal etwas angespannt, aber ich bin froh, dass es etwas besser läuft als noch im März. Da sah die Situation deutlich anders aus. Für mich ist soweit alles gut gegangen, ich konnte eine Ausstellung abschließen und wir hatten im Haus am Waldsee im September noch eine schöne Eröffnung. Ich kann mich nicht beklagen.

Gerade in Krisenzeiten wie diesen sind Kunst und Kultur allgemein ein sehr wichtiges Hilfsmittel. Oder wie siehst Du das?
Ja, wir sollten uns alle mehr darüber bewusst werden, was das eigentlich für ein Luxus ist, dass wir uns Kunst angucken können. Denn leider schauen ja gar nicht so wahnsinnig viele Leute Kunst an und das ist schade.

Die Künstlerin Berta Fischer in einem Ausstellungsraum unter ihren Kunstwerken stehend
Matilda Felix und Berta Fischer, “Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo”, Haus am Waldsee, 2020, Foto: Roman März.

Kommen wir zu Deiner Kunst und den Arbeiten, die im Haus am Waldsee zu sehen sind. Du arbeitest überwiegend mit dem Material Acrylglas. Wie bist Du zu dem Material gekommen? Hast Du schon immer damit gearbeitet und warum genau dieses Material?
Mein Interesse an skulpturaler Arbeit liegt schon recht weit zurück bzw. begann schon während meines Studiums in Karlsruhe. Schon immer habe ich mit Kunststoffen gearbeitet. Wo genau das herkommt, kann ich gar nicht sagen. Für mich entscheidend sind die Transparenz und die Leichtigkeit, mit denen man eine Art eigene Materie erschaffen kann. Es hat mit Lichtschnüren und Folie angefangen und ging dann später über ins Acryl- bzw. Plexiglas. Es gibt industriell gefertigte Platten, mit denen ich arbeite. Transparenz und Leichtigkeit bleiben hier, aber es das Material ist formgebend und raumbegrenzend, was ich auch sehr spannend finde.

Deine Arbeiten sind teilweise großformatige Raumkonstrukte, deren Teile ineinander sehr verwoben scheinen. Setzt Du die Arbeiten aus vielen kleinen Einzelteilen zusammen? Und wie sieht grundsätzlich der Herstellungsprozess aus?
Ich bin von Anfang an in der Größe begrenzt, da die Platten eine maximale Größe von 2 x 3 Metern haben. Ich arbeite an einem Biegetisch, wo die Platten drunter gelegt und unter einem Heizstrahler erhitzt werden. Dieser Prozess ist zeitlich begrenzt und muss schnell gehen. Bei den großen Objekten muss ich deshalb auch mit Einzelteilen arbeiten, die nachträglich ineinander gesteckt werden. Das changierend-silberne Material, das häufig in meinen Arbeiten auftaucht, nenne ich Radiant und wird von mir meist dafür verwendet, die Übergänge zu markieren. Ich arbeite mit vielen Teilen, die beim Hängen zu einem optischen Ganzen werden.

Ein pink leuchtender Ausstellungsraum, links silberne Folie an der Wand. Man sieht farbige Lichtschnüre, die von der Decke herunterhängen. Im Hintergrund sieht man eine andere künstlerische Arbeit im Türrahmen.
Berta Fischer, Nirix, 2020, “Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo”, Haus am Waldsee, 2020, Foto: Roman März.

Die farblichen Effekte und das Schimmern werden durch eine Folie erzeugt oder wie funktioniert das?
Es gibt verschiedene Materialien. Die Farblichkeiten werden teilweise schon durch mit Folie beschichtete Acrylglasplatten erzeugt – je nach Lichteinfall erzeugt die eigentlich eher silbrige Folie beispielsweise blaue oder grüne Farbtöne oder noch treffender, komische Vielfarbigkeiten innerhalb der Farben. Es gibt aber auch transparente Platten, die durch ihre Schnittkanten zum Leuchten gebracht werden und Linien im Raum erzeugen. Und es gibt Platten, die von sich aus schon eine Farbigkeit mitbringen oder fluoreszierend sind und die ich miteinander kombiniere.

Wie hast Du dich der Ausstellung thematisch genähert und wie bist Du an die Arbeiten herangegangen?
In der Ausstellung sind einige ältere Arbeiten aus meinem Repertoire dabei, denn ich hielt es für sinnvoll, wenn auch eine künstlerische Entwicklung erkennbar wird. Zum Beispiel sehe ich auch Referenzen zwischen den älteren Lichtschnüren-Arbeiten und den Kanten der jüngeren Plexiglas-Objekte. Sie nehmen Bezug aufeinander und funktionieren zusammen. Ich erlaube mir die Möglichkeit, auf die Zeit zurückzugreifen und natürlich auch Bezug zu nehmen auf den Raum. Ich habe mir die Räumlichkeiten vorher angeschaut und die große prominente Arbeit im Erdgeschoss beispielsweise auch genau auf diesen Raum hin entwickelt. Vor Ort habe ich überlegt, wie sich die Formen durch den Raum bewegen können. Entstanden ist das Konzept in Zusammenarbeit mit Katja Blomberg, der Direktorin des Hauses.

Wie sieht der künstlerische Prozess genau aus: Skizzierst Du die Ideen vorher oder bleiben sie im Kopf und Du legst direkt los?
Ich arbeite häufig mit einer ganz groben Skizze, aber das Meiste entsteht und bleibt im Kopf. Gerade bei den großen skulpturalen Arbeiten dauert es seine Zeit, alles an Ort und Stelle zu bringen. Dabei entsteht auch nochmal ganz viel im Moment. Ich werde gewissermaßen erneut skulptural tätig, bringe alles an Fäden und bestimme spontan die Richtungen der Einzelteile. Nichts ist festgeschrieben, ich kann das in dem Moment noch lenken, wo es hingehen soll. Während des Aufhängens entsteht so nochmal etwas ganz Neues und diesen Vorgang schätze ich sehr. Obwohl ich vorher schon eine Vorstellung hatte, kann ich spontan noch an den Nuancen und Bewegungen arbeiten.

Neben den Acrylglas-Arbeiten sind – wie bereits erwähnt – auch Deine Werke mit Neonlichtschnüren und -Fäden zu sehen. Was hat es mit diesen Arbeiten auf sich?
Ich mag den Gedanken, mich künstlerisch nicht auf ein Medium festlegen zu müssen und gehe immer wieder gerne auch mal andere Wege. Das habe ich schon immer gemacht. Die Fäden dieser Arbeiten ziehen Bezugspunkte zu den Schnittkanten der Acrylarbeiten, die auch wie Linien im Raum wirken. Man kann die Arbeiten sicherlich auch als Einzelwerke und losgelöst voneinander betrachten, aber das Ganze, die Interaktion der Objekte miteinander, finde ich schon wichtig für das gesamtheitliche Bild. Wenn sich das Neonlicht zum Beispiel im Plexiglas spiegelt, erzeugt das eine spannende Atmosphäre, ein interessantes Raumgefühl.

Installationsanicht in einem hellen Ausstellungsraum. Man sieht verschiedene bunte  Kunstobjekte, die sich im Raum befinden bzw. an der Wand hängen.
Installationsansicht “Into Space – Björn Dahlem, Berta Fischer, Naum Gabo”, Haus am Waldsee, 2020, Foto: Roman März.

Einige Deiner Arbeiten haben keinen Titel und andere heißen beispielsweise “Nirix” oder “Aedrus”.  Wie legst Du die Titel fest?
Die Titel haben eigentlich keine Bedeutung. Natürlich gibt es da schon Assoziationen zu astronomischen und astrologischen Themen, aber auch nicht immer. Ich hatte Lust, statt dem „Ohne Titel“ doch auch mal einige Namen zu vergeben, um eine kleine weitere Ebene zu schaffen, die aber keine allzu große Rolle für mich spielt. Ich denke mir ein Wort aus und mache dann einen Internet-Check, um sicherzugehen, dass es noch nichts ganz Konkretes dazu gibt oder jemand zufällig so heißt.

Wieso greifst Du gleichzeitig oft auch auf “Ohne Titel” zurück?
Wenn man einem Werk einen bestimmten Titel gibt, wird natürlich auch direkt etwas damit assoziiert und hinein interpretiert, was vielleicht gar nicht da ist oder nicht da sein soll. Ich lasse den Titel gerne weg, damit mehr Raum für die eigenen Gedanken bleibt und man als Künstlerin den Weg nicht so konkret vorgibt. Ich möchte keine Interpretation vorgeben, auch wenn man die vielleicht gerne thematisch drin hätte, aber die bei Kunst meiner Meinung nicht immer unbedingt da sein muss. Bei mir bleibt das immer ein bisschen offen und es kommt auch auf die Betrachter*innen an, was genau man eigentlich in meiner Kunst entdecken kann.

Wer schon jetzt einen kleinen Einblick in die Ausstellung bekommen möchte, kann sich hier auf dem Instagram Account des Museums die bisher veröffentlichten Video-Touren anschauen.

WANN: Die Ausstellung wurde wegen der erneuten Schließung verlängert und ist nach aktuellen Plänen bis Sonntag, den 14. Februar 2021, zu besichtigen. Ob und wann Museen wieder öffnen dürfen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht geklärt.
WO: Haus am Waldsee – Internationale Kunst in Berlin, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin.

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