Berliner Kunstgriff
31.01. - 06.02.17

31. Januar 2017 • Text von

Seitdem Kultur und Technologie beschlossen haben, sich zu vereinigen und massenweise Nachwuchs zu produzieren, geht es medial ganz schön drunter und drüber. Die neuen Medien beherrschen daher nicht nur die kommende Kunstwoche, sondern gleich den ganzen Monat.

Ramin Bahrani – Plastic Bag, 2009, © Gigantic Pictures.

Ramin Bahrani, Plastic Bag, 2009, © Gigantic Pictures.

Am Donnerstag, den 2. Februar, geht die transmediale in die dreißigste Runde. Das jährlich stattfindende Festival, das neue Dynamiken zwischen Kunst, Kultur und Technologie erforscht, beschäftigt sich dieses Jahr unter dem Titel „ever elusive“ vor allem mit dem Konzept von Subjektivität im Kontext des Nichtmenschlichen. Ever elusive sind dabei nicht nur die „neuen“ Medienkulturen, sondern auch die Struktur des Festivals. Das umfassende Programm von Konferenzen, Screenings, Workshops und Performances lässt sich nicht auf einen gemeinsamen Nenner festnageln, sondern bleibt offen für neue Positionen und Erkenntnisse. Parallel zu den zahlreichen Veranstaltungen gibt es im Haus der Kulturen der Welt auch eine beständige Sonderausstellung zu sehen: „Alien matter ist eine vom Menschen gemachte, ihm aber gleichzeitig fremde, potenziell intelligente Materie – das Ergebnis einer zunehmenden Naturalisierung von technologischen Artefakten, die mittlerweile als autonome Akteure die zentrale Rolle des Menschen infrage stellen.“ Das sich daraus ergebende neue Machtverhältnis zwischen Mensch und Maschine wird hier auf unterschiedlichsten Ebenen beleuchtet. Allgegenwärtige Existenzfragen bezüglich der Technologisierung der Menschheit finden hier auf künstlerischem Boden Widerhall. 

WANN: Eröffnungsabend ist am Donnertsag, dem 2. Februar. Einlass ist ab 18 Uhr, die Ausstellung ist von 18:30 – 24:00 Uhr zu besichtigen. Das detaillierte Programm des Abends gibt es hier.
WO: Die Ausstellung ist installiert im Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin. Das restliche Programm findet an unterschiedlichen Schauplätzen statt, mehr dazu auf der Website.

Wendelien van Oldenborgh, Prologue: Squat/Anti-Squat, 2016, Film installation in two parts, © The artist.

Wendelien van Oldenborgh, Prologue: Squat/Anti-Squat, 2016, Film installation in two parts, © The artist.

Die Niederländerin Wendelien van Oldenborgh beschäftigt sich in ihrer Kunst mit alternativen Lesarten von Kultur und Geschichte. Identitäre Verortung und soziale Verflechtung spielen dabei für sie eine besondere Rolle. Um diese offenzulegen, verwendet sie das Format eines öffentlichen Filmprojektes, in dem sie in Gesprächen Stimmen zu Wort kommen lässt, die individuelle Beiträge zu bewusst locker gehaltenen thematischen Vorgaben liefern. So können aus Eigenantrieb Diskurse angestachelt oder ausgetragen werden. Bevor die Künstlerin dieses Jahr den niederländischen Pavillon der Venedig Biennale bespielt und völlig durch die Decke geht, können wir ab Freitag, den 3. Februar, noch schnell zwei solcher Filminstallationen hier in Berlin zu Gesicht bekommen. In „Bete & Deise“ unterhalten sich eine brasilianische Telenovela Schauspielerin und eine Funksängerin in einem von Rio de Janeiros Rohbauten über ihre jeweilige Rolle in der Öffentlichkeit. „Prologue: Squat/Anti-Squat“ vollzieht sich in einem bekannten, leerstehenden Amsterdamer Bürokomplex. Hier unterhalten sich Akteure unterschiedlicher Aktivistengruppen über Bedürfnisse am Wohnraum, gesellschaftliche Zugehörigkeit und die Praxis der Hausbesetzung aus sozialer Sicht. Am Sonntag, den 5. Februar, gibt es zusätzlich die Möglichkeit, van Oldenborgh persönlich kennenzulernen: Ab 17 Uhr spricht sie in der Galerie mit Natasa Illic und Charl Landbreugd.

WANN: „As for the Future.“ eröffnet am Freitag, dem 3. Februar, zwischen 19 und 21 Uhr.
WO: daadgalerie, Oranienstraße 161, 10969 Berlin.

Anicka Yi, The Flavor Genome, 2016, Einkanal-3D-Videoinstallation, © The artist and 47canal, New York.

Anicka Yi, The Flavor Genome, 2016, Einkanal-3D-Videoinstallation, © The artist and 47canal, New York.

„Jaguars and Electric Eels“ klingt nach Technoband des vergangenen Jahrzehnts, ist aber tatsächlich der Titel von persönlichen Aufzeichnungen Alexander von Humboldts zu den Naturbegebenheiten des amerikanischen Kontinents. Diesen hat sich nun die Julia Stoschek Collection für die zweite Ausstellung ihrer Dependance in Berlin ausgeborgt, denn es geht auch hier im weitesten Sinne um Natur und Anthropologie. Gewissermaßen als Alternative zu heutigen Interpretationsformen von Ökologie intendiert, in denen Wirtschaft, Politik und Technologie in das Zentrum des Zyklus gestellt werden, lenkt die Ausstellung den Blick auf anderweitige Herangehensweisen an evolutionäre und existenzielle Fragestellungen. Interessanterweise tut sie dies mittels überwiegend medienbasierter Arbeiten, die automatisch eine technologische Komponente in die Gleichung bringen. So fügen sich die Pflanzen in Anicka Yis 3D-Naturgefügen des Amazonasgebietes mit dem Mensch, Tier und der Technologie zu einem gestaltlosen Hybrid zusammen. Hier wird ein beunruhigendes Bild der modernen Lebenswissenschaft skizziert, in der sich die Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit immer mehr auflösen. 

WANN: Die Vernissage mit Performance von Donna Huanca kann am Samstag, dem 4. Februar, zwischen 18 und 22 Uhr, besucht und besichtigt werden.
WO: Julia Stoschek Collection, Leipziger Straße 60, 10117 Berlin.
WAS: Ab 5. Februar: Donnerstag-Sonntag 14-20 Uhr, Eintritt: 5,- Euro

 

Weitere Artikel aus Berlin