Berliner Kunstgriff
30.05. - 05.06.17

30. Mai 2017 • Text von

Die Kunst inmitten von politischen Krisen und Umweltkatastrophen, gefüttert von Ökonomie, Technologie und synthetischer Biologie kann kaum mehr ein sonniges Bild der Welt abliefern. Doch verliert sie an Unterhaltungswert, wenn sie mit unangenehmen Gegebenheiten konfrontiert?

Santiago Sierra 250 cm line tattooed on 6 paid people Havana, Cuba, 1999 (Videostill) © Santiago Sierra. VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Santiago Sierra, 250 cm line tattooed on 6 paid people, Havana, Cuba, 1999 (Videostill), © Santiago Sierra. VG Bild-Kunst, Bonn 2017

Im Haus am Lützowplatz widmet sich die Ausstellung „Transaktionen. Über den Wert Künstlerischer Arbeit“ elementaren Fragen der Gegenwartskunst, mit denen sich jeder Mitstreiter der Branche kontinuierlich konfrontiert sieht: Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Kunst und Kapital? Welche ökonomischen Konzepte lassen sich auf die Kunstproduktion anwenden und wo liegt deren Rolle innerhalb des Systems? Zwölf Künstler – darunter Christian Jankowski, Michael Sailstorfer und Santiago Sierra – zeigen hier Werke, die unterschiedliche Problemstellungen in Hinblick auf den Einfluss des Marktes auf das künstlerische Gut beleuchten, ohne sich dabei eine Lösung der Situation anzumaßen. Die Ausstellung, die am Mittwoch, den 31. Mai, eröffnet, soll mit seinem ausgedehnten Begleitprogramm als Diskursplattform dienen, um diversen Aspekten der hochkomplexen Wechselbeziehung von Kunst und Geld auf theoretischer Ebene näherzukommen.

WANN: Am Mittwoch, den 31. Mai, wird ab 19 Uhr eröffnet. Das Programm der Begleitveranstaltungen findet ihr hier.
WO: Haus am Lützowplatz, Lützowplatz 9, 10785 Berlin.

Pakui Hardware, Vanilla Eyes (detail), 2016. Two UV prints on PVC Pentaprint film and silicone attached to tripod with spring clamp photographed through thermo-formed Plexiglas. Installation view at Museum of Modern Art, mumok, Vienna

Pakui Hardware, Vanilla Eyes (detail), 2016. Two UV prints on PVC Pentaprint film and silicone attached to tripod with spring clamp photographed through thermo-formed Plexiglas. Installation view at Museum of Modern Art, mumok, Vienna

„Pakui Hardware“ ist der Markenname des in Litauen und New York basierten Künstlerduos Ugnius Gelguda und Neringa Černiauskaitė. Pakui ist der Legende nach der extrem rasante Diener der hawaiianischen Fruchtbarkeitsgöttin Haumea, die all ihre Kinder aus unterschiedlichen Körperteilen geboren haben soll. Die Aspekte von Fruchtbarkeit, Fragmentierung und Beschleunigung, die aus diesem Mythos hervorgehen, werden an „Hardware“ – die physische Substanz von Technologie – gekoppelt: So weißt dieses Label bereits auf den Kern der Arbeit der beiden Kunstschaffenden hin. Sie untersuchen die Beziehung zwischen Ökonomie und Technologie, und welchen Einfluss diese in weiterer Folge auf die reale, physische Welt nimmt. Ihre Objekte und Installationen testen das Wahre gegen das Unechte – das Natürliche gegen das Künstliche – aus und zeigen auf, dass die Linie zwischen diesen Gegensätzen heute nicht mehr klar zu ziehen ist. Synthetische Biologie und die Produktion und Transformation von Organismen und Lebensformen der Zukunft bewahren in der Arbeit von „Pakui Hardware“ einen für Laien abstrakten Charakter. Sie rücken aber dennoch diese beunruhigenden Entwicklungen in das Bewusstsein des Kunstinteressierten und evozieren dessen Auseinandersetzung mit einem Thema, das auf anderen Kanälen verdächtig schwer zugänglich zu sein scheint. Nun darf sich auch der Berliner Kunstfreund damit beschäftigen, und zwar bei EXILE ab Donnerstag, den 1. Juni.

WANN: „On Demand“ eröffnet am Donnerstag, den 1. Juni, zwischen 19 und 21 Uhr.
WO: EXILE, Kurfürstenstraße 19, 10785 Berlin.

Nicholas Mangan, Limits to Growth, 2016/17, Videostill / video still, Foto: Roy H. Goss. National Anthropological Archives, Smithsonian Institute, Washington, D.C.

Nicholas Mangan, Limits to Growth, 2016/17, Videostill, Foto: Roy H. Goss. National Anthropological Archives, Smithsonian Institute, Washington, D.C.

Die KunstWerke beglücken uns diese Woche mit gleich zwei neuen Einzelausstellungen, die gemeinsam am Donnerstag, den 1. Juni, eröffnen. Der Australier Nicholas Mangan spürt in vier Großinstallationen konkreten, historischen Begebenheiten aus dem Asien-Pazifik-Raum nach und untersucht die ihnen zugrunde liegenden sozialen, umweltpolitischen oder kulturellen Mechanismen auf multimedialer Ebene. Mittels Skulptur und Video verknüpft er historische Erzählungen zu einem dichten Netz an Informationen. Gleichzeitig wirft er in der ausführlichen Auseinandersetzung mit vergangenen Umständen und erlebten Geschichten auch den Blick auf heutige Bedingungen mit globalem Maßstab. So setzt er den Aufstieg und Fall der antiken Steinwährung einer mikronesischen Insel mit der futuristischen Kryptowährung „Bitcoin“ in Bezug und zeichnet ein beunruhigendes Bild des „man made“. Die Videoarbeiten des gebürtigen Irakers Hiwa K beschäftigen sich mit seiner kurdischen Herkunft aus der entfremdeten Perspektive eines Geflüchteten. Er verarbeitet persönliche Erlebnisse, überlieferte Geschichten und politische Verhältnisse der einstigen Heimat zu einem vielschichtigen Konglomerat an Referenzen. Die einzelnen Videos zehren aus der zerrissenen Identität ihres Urhebers und fügen sich zu einer kritischen Betrachtung der Umstände in Kurdistan zusammen.

WANN: Die Werkschauen „Limits to Growth“ und „Don’t shrink Me to the Size of a Bullet, werden am Donnerstag, den 1. Juni, ab 19 Uhr eingeläutet. Die Künstler sind anwesend.
WO: KW Institute for Contemporary Art, Auguststraße 69, 10117 Berlin.

Weitere Artikel aus Berlin