Berliner Kunstgriff
28.06.-04.07.16

28. Juni 2016 • Text von

Während der Brexit die Börse wanken lässt, bleiben wir optimistisch und sagen es wie Beuys: Kunst = Kapital. Die passende Ausstellung hierzu gibt’s im Hamburger Bahnhof – eines von vier Highlights dieser Woche!

Quayola, Sculpture Factory, Courtesy artist.

Quayola, Sculpture Factory, Courtesy the artist.

Kunst und Technologie – eine Beziehung, mit der sich nicht nur die diesjährige Biennale intensiv beschäftigt, sondern seit geraumer Zeit auch die Ars Electronica Linz. Neben zahlreichen internationalen Unternehmungen kuratierte die Medienkunst-Plattform dieses Jahr eine Ausstellung mit dem Titel „Human Factor – Endless Prototyping“ für das Volkswagen Group Forum „Drive“ in Berlin. Einen thematisch besseren Schauplatz gibt’s wohl kaum. An die 50 Künstler aus aller Welt reflektieren den Mensch inmitten seines eigenen technischen Fortschritts. Sie erkunden die dadurch erzeugten Licht- und Schattenseiten anhand von Kunstwerken, die die scheinbar antagonistischen Konzepte von Technologie und Menschlichkeit in sich verbinden. So beispielsweise die zentrale Arbeit „Sculpture Factory“ von dem Künstler Quayola: Er lässt seinen eigens programmierten Industrieroboter selbst zum Künstler werden und ihn bedeutende Werke der Kunstgeschichte aus Styroporblöcken fräsen.

WANN: Eröffnet wird am Donnerstag, den 30. Juni, ab 18:30 Uhr.
WO: DRIVE. Volkswagen Group Forum, Friedrichstraße 84, 10117 Berlin.

Joseph Beuys Das Kapital Raum 1970–1977, 1980 Detail Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx Foto: Daniel Rosenthal © Daniel Rosenthal www.danielrosenthal.de; VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Joseph Beuys, Das Kapital Raum 1970–1977, 1980, Detail, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie, Sammlung Marx, Foto: Daniel Rosenthal, © Daniel Rosenthal www.danielrosenthal.de; VG Bild-Kunst, Bonn 2016.

Ab Freitag, dem 1. Juli, kann man im Hamburger Bahnhof dem Wert und Wesen von Kapital auf den Grund gehen. Ausgangspunkt hierfür ist Joseph Beuys Werk aus den Siebziger Jahren, das ein Zeugnis eines Paradigmenwechsels in seiner persönlichen Definition von Kapital darstellt – weg von materiellem Wert hin zu schöpferischem Gut. Im Hinblick auf die heutigen bedrohlichen Finanzkrisen soll nun die Geschichte, Gegenwart und mögliche Zukunft von Kapital untersucht werden, und das anhand von einigen der wichtigsten historischen Schätze der Staatlichen Museen zu Berlin neben bedeutenden sowie jüngeren Positionen. Vorchristliche ägyptische Statuen und mittelalterliche Judasskulpturen im selben Raum mit Andy Warhol oder Jeff Koons versprechen eine interessante Aufstellung.

WANN: „Das Kapital. Schuld – Territorium – Utopie“ eröffnet am Freitag, den 1. Juli, ab 19 Uhr.
WO: Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, Invalidenstraße 50/51, 10557 Berlin.

Timo Nasserie, The One and One, Courtesy Galerie Sfeir-Semler

Timo Nasseri, One and One, Courtesy Galerie Sfeir-Semler.

In der Galerie Michael Fuchs geht es währenddessen um ein anderes Medium: die Zeichnung, und um es noch genauer auszudrücken: die systematische Zeichnung. In diesem Fall geht es um eine repetitive, ja meditative Ausführung selbstgesetzter Leitlinien. Systematische Zeichnungen verfügen über eigene grafische Gesetzmäßigkeiten und funktionieren als Transmitter von komplexen Gedankenwelten in die Gegenwart. Ähnlich wie Computerprogramme werden sie von Zeichen und Codes beherrscht, die sich durch Stift und Papier schon viel früher entfaltet haben als mit Tastatur und Bildschirm. „In Correspondence with the Drawing“ gewährt einen Einblick in zehn zeitgenössische Positionen innerhalb dieser Gattung und verdeutlicht somit ihre Vielfältigkeit. Diese Besinnung auf die unerschöpfliche Bandbreite an Möglichkeiten innerhalb der wohl grundlegendsten künstlerischen Technik ist überhaupt im immer stärker von Technologie infiltrierten Kunstschaffen fast schon provokant.

WANN: Vernissage ist am Freitag, den 1. Juli von 18 bis 21 Uhr.
WO: Die Michael Fuchs Galerie befindet sich im 3. OG der ehemaligen jüdischen Mädchenschule in der Auguststraße 11-13, 10117 Berlin.

Links: Christian Andersen, Rechts: Amy Brener, Courtesy the artist and Wentrup Gallery

Links: Cristian Andersen, Rechts: Amy Brener, Courtesy the artist and Wentrup Galerie.

Den Däne Cristian Andersens und die Kanadierin Amy Brener verbindet eine experimentelle skulpturale Praxis: Materialität und deren Umwertung spielt in den abstrakten Skulpturen der Beiden eine vorrangige Rolle. Breners farbenfrohe, lichtdurchlässige „Flexi Shields“ aus Acrylharz schließen unterschiedlichste Materialien – von lebenden Pflanzen bis Pharmaerzeugnissen – in sich ein und bieten dadurch einen erweiterten Assoziationsraum des Einzelobjektes. In ihrer neuen Serie in Form von abstrahierten Anziehsachen fragt sie nach der psychologischen, sozialen, und biologischen Funktion von Kleidung. Andersens Metal- und Betonskulpturen bieten hingegen einen visuellen Kontrast zu den weichen Formen und Farben Breners und sind dabei nicht minder originell. Raumfragen charakterisieren sein Werk, ob öffentlich privat oder urban. Seine Gedanken hierzu spiegeln sich in der Behandlung des Sockels im Verhältnis zur Skulptur am deutlichsten wider. Die Positionen der beiden Bildhauer werden in der Galerie Wentrup erstmals gegenübergestellt.

WANN: Am Samstag, den 2. Juli wird zwischen 18 und 21 Uhr die Ausstellung eröffnet.
WO: Wentrup Galerie, Tempelhofer Ufer 22, 10963 Berlin.

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