Berliner Kunstgriff
11.-18.07.17

11. Juli 2017 • Text von

Fotografie auf Plakatwänden, Fotografie im Exil, von Lippenstiften, Mauern und menschenleeren Straßen. Poltische Kunst und Kunst in Büchern. Eine Revolution im Detail und zwischen den Zeilen.

Katharina Sieverding: Deutschland wird deutscher XLI-92, 1992. Plakatierung in Berlin vom 30. April bis zum 12. Mai 1993, Fünffarben-Offsetdruck, 351 x 252 cm. © Katharina Sieverding, VG Bild-Kunst, Bonn 2017 © Foto: studio111a.

Heute Abend wird Katharina Sieverding der Käthe-Kollwitz-Preis in der Akademie der Künste verliehen. Neben der Auszeichnung und dem damit einhergehenden Preisgeld wird die deutsche Künstlerin mit einer Ausstellung im Hanseatenweg geehrt. Sieverding, die in den Siebzigern an der Kunstakademie Düsseldorf in der Klasse von Joseph Beuys studierte, ist für ihre großformatigen Fotografien bekannt. So präsentierte sie beispielsweise in den frühen 1990er Jahren eine Plakatserie mit dem Titel „Deutschland wird Deutscher“ in Berliner U-Bahnhöfen. Liest man ihr Schaffen vor der Folie ihres berühmten Lehrers, ist die darin angelegte Verschränkung von Individualität und kollektiver Einflussnahme sofort nachvollziehbar: Auf der einen Seite steht die analytische Selbstreflektion plakative Fotografien in einer Gesellschaft der Massenmedien zu produzieren, auf der anderen die bewusste Provokation, die einen Anspruch an das politische Potential dieser Bilder stellt. So zitiert Sieverding gekonnt bekannte Bilder, adressiert unser kulturelles Gedächtnis, um es im Ende neu zu strukturieren und seinen Bedeutungshorizont zu erweitern.

WANN: Die Preisverleihung und Ausstellungseröffnung findet am Dienstag, den 11. Juli, um 19 Uhr, statt.
WO: Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, 10557 Berlin. Details hier.

Josef Koudelka: Tschechoslowakei, 1968 © Josef Koudelka / Magnum Photos.

Eine weitere fotografische Position wird tags darauf im C/O Berlin präsentiert. Josef Koudelka ist tschechischer Herkunft, verließ jedoch 1968 sein Herkunftsland und lebte anschließend als politischer Flüchtling in London. Während wir heute politisch korrekte Termini für diesen Teil seines Lebenswegs haben und es gewohnt sind Bilder ähnlicher Erfahrungen täglich zu rezipieren, wurden die Fotografien, die Koudelka von dem Prager Frühling und dem Widerstand gegen die Rote Armee machte, erst 20 Jahre später der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Blicken wir heute auf die dokumentarischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, lastet die Geschichte drückend auf unseren Schultern, während wir behänden Schrittes durch die Gegenwart schreiten. Für sein jüngstes Projekt reiste Josef Koudelka nach Israel und in die Palästinensergebiete und fotografierte die mehr als 700 Kilometer lange Mauer im Westjordanland. Seine persönlichen Erfahrungen verleihen der Dokumentarfotografie eine emotionale Komponente und erweitern seine Bilder um eine künstlerische Auseinandersetzung mit Grenzziehungen, Isolation und Exil.

WANN: Die Ausstellung „Invasion / Exiles / Wall“ von Josef Koudelka eröffnet am Mittwoch, den 12. Juli, um 19 Uhr.
WO: C/O Berlin, Amerikahaus, Hardenbergstraße 22–24, 10623 Berlin. Alles weitere hier.

Miss Read 2016, Impressions. © Photo: Pressure.

In einer Zeit eines zunehmenden Gattungssterbens in der Bildenden Kunst ist das Kunst-Buch das einzige Format, welches sich quantitativ und qualitativ gegen diese Tendenzen behauptet. Vor jenem Hintergrund findet dieses Wochenende die Kunstbuch-Messe „Miss Read“ im Haus der Kulturen der Welt statt. Die Veranstalter, Yaiza Camps, Moritz Grünke und Michalis Pichler, rücken in diesem Jahr das Land Großbritannien in den Mittepunkt der Veranstaltung und bieten gleichzeitig in Berlin ansässigen internationalen Kunstschaffenden eine Gelegenheit ihre Editionen und Bücher vorzustellen. Am Freitag liegt der Fokus auf kritischer Architekturtheorie und disruptiven Praktiken im Urbanen, am Samstag wird die Schnittmenge von Bildender Kunst und Literatur unter dem Titel „Conceptual Poetics“ verhandelt,  bevor am Sonntag Zeit für Buchpräsentationen und Diskursveranstaltungen zum Sammeln und Ausstellen von Publikationen bleibt.

WANN: Miss Read eröffnet am Freitag, den 14. Juli, mit einer anschließenden Party und endet am Sonntag, den 16. Juli, um 21 Uhr.
WO: Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin. Details online.

Weitere Artikel aus Berlin