Berliner Kunstgriff
10. - 16.10.17

10. Oktober 2017 • Text von

Readymade, objet trouvé und prozesshafte Skulpturen stehen im Zentrum der Kunstwoche. Hundert Jahre nach Marcel Duchamps Fontaine hat die Skulptur sich von ihrem Sockel befreit und bevölkert den Ausstellungsraum, die Stadt und sogar ganze Landschaften.

FAMED: Untitled [Wallwork #9], 2013. Cigarette machine filled with smuggled cigarettes. 84 x 86 x 18 cm. Installation view at L40, Berlin. Photo: Ludger Paffrath.

Woran erkennt man einen Kunsthistoriker auf offener Straße? Sieht er eine ausrangierte Kloschüssel, nachlässig auf dem Gehweg zurückgelassen, muss er schmunzeln. Marcel Duchamps Fontaine, aus dem Jahr 1917, ist einer der heiligen Grale der künstlerischen Moderne. Als erstes Readymade ebnete Duchamps mit dem umgedrehten, mit falschem Namen signierte Urinal den Weg für all diejenigen Kunstwerke, die sich nicht durch handwerkliches Können, sondern die Erhebung eines alltäglichen Gegenstand in die Sphäre der Kunst auszeichnen. Hundert Jahre später veranstaltet das HKW – Haus der Kulturen der Welt am Freitag und Samstag ein Symposium mit dem vielversprechenden Titel „The Readymade Century“. Zeitgenössische Readymade Praktiken werden vor dem Hintergrund der Warenzirkulation und den Paradigmen der globalisierten Welt diskutiert: Was lässt sich in einer post-industriellen und post-digitalen Welt noch als Readymade bezeichnen?

WANN: Das Symposium findet am Freitag, den 12.10., ab 15:30 Uhr, und am Samstag, den 13.10., ab 10:30 Uhr statt.
WO: HKW – Haus der Kulturen der Welt, John-Foster-Dulles-Allee 10, 10557 Berlin. Ein detailliertes Programm und alle weiteren Infos hier.

Lucy Skaer: La Chasse, 2017. Installation view at Mrac Occitanie/ Pyrénées-Méditerranée, Sérignan, 2017. Photo: Aurélien Mole.

Im Gegensatz zu der Endgültigkeit einer skulpturalen Setzung, die sich als Readymade versteht, begreift die britische Künstlerin Lucy Skaer ihre Skulpturen als eigenwillige Prozesse. Ausgehend von abstrakten Tierdarstellungen unterzieht Skaer die Form und damit auch die Bedeutung ihrer Objekte fortlaufend Ver- und Umwandlungen. Die KW – Institute for Contemporary Art vereinigen in einer umfassenden Einzelausstellung der Künstlerin neue Werke und Arbeiten aus den letzten zehn Jahren. Lucy Skaer verfolgt für diese Präsentation ihres Oeuvres das Ziel, Leitmotive heraus zu kristallisieren und diese in einem Tableau zusammenzutragen. Sowie sie gleichzeitig die Präsenz ihrer Skulpturen als abgeschlossene, endgültige Kunstwerke infrage stellt und das ihnen innewohnende Potenzial der Selbstreproduktion favorisiert, darf man auf die Form des Tableaus gespannt sein.

WANN: Die Ausstellung eröffnet am Donnerstag, den 12. Oktober, um 19 Uhr.
WO: KW – Institute for Contemporary Art, Auguststraße 69, 10117 Berlin. Alles weitere online.

Lois Weinberger: ohne Titel, 2010. Courtesy of the Artist and nGbK.

Die Natur als Material der Kunst ist vielleicht kein Readymade, aber lässt sich zweifelsfrei als „objet trouvé“, das Geschwisterkind des Readymades , bezeichnen. In diesem Zusammenhang passt die Eröffnung der Ausstellung „Reality Check: Wild Cube and Ground Control“ in der nGbK am kommenden Freitag hervorragend zum Symposium des HKW. Im Zentrum der Ausstellung steht das Werk des österreichischen Künstlers Lois Weinberger, das in den Ausstellungsräumen auch anhand von Interventionen im Innenhof des nGbK und an der Bernauer Straße präsentiert wird. Seit Ende der 1980er Jahre beschäftigt sich Weinberger in seinen Arbeiten mit biologischen Prozessen und Vegetation. Für ihn ist das unkontrollierte Wachstum von Pflanzen, wie beispielsweise die Spontanvegetation auf dem sogenannten Todesstreifen zwischen BRD und DDR nach dem Mauerfall, mehr als nur ein ästhetischer Ausdruck, nämlich ein radikaler Gegenentwurf zur kapitalistischen Verwertungsindustrie.

WANN: Die Ausstellung eröffnet am Freitag, den 13. Oktober, um 19 Uhr.
WO: nGbK – neue Gesellschaft für bildende Kunst, Oranienstraße 25, 10999 Berlin. Alles weiter hier.

Weitere Artikel aus Berlin