Wohin während der Berlin Art Week 2024? Diese Ausstellungen solltet ihr nicht verpassen
10. September 2024 • Text von Anna Meinecke
Das Programm der Berlin Art Week ist üppig, vielleicht etwas überfordernd und so genau richtig. Wenn ihr aber nur Zeit für eine Handvoll Stopps habt, wählt das Haus am Waldsee, das Georg Kolbe Museum und die Sophiensaele, Fluentum, Neun Kelche, die Berlinische Galerie und CCA Berlin im Kranzler X.
Haus am Waldsee, Georg Kolbe Museum, Sophiensaele: Gisèle Vienne
Teenager-große Puppen in Faltenröcken oder Trainingsjacken, Sneakers oder Riemchen-Ballerinas – eingesargt und feinsäuberlich aufgereiht. Das Schweigen der Jugend ist laut im Haus am Waldsee. Gisèle Vienne inszeniert dort im Rahmen ihrer Ausstellung “This Causes Consciousness to Fracture – A Puppet Play” mithilfe bewegungsloser Figuren beunruhigende Szenen. Vienne ist bildende Künstlerin, Choreografin und Regisseurin. Zeitgleich legen gleich drei Berliner Institutionen Zugänge zu ihrem facettenreichen Werk. Das Georg Kolbe Museum zeigt Viennes Arbeit im Dialog mit Künstlerinnen der europäischen Avantgarde wie Josephine Baker oder Hannah Höch. In den Sophiensaelen ist ihr Film “Jerk” im Rahmen eines Gesprächs mit der Choreografin und Performancekünstlerin Florentina Holzinger zu sehen. Im November wird dort außerdem Viennes Stück “Crowd” aufgeführt.
WANN: Die Ausstellung “This Causes Consciousness to Fracture – A Puppet Play” von Gisèle Vienne eröffnet am Mittwoch, den 11. September, um 19 Uhr. Sie läuft bis zum 12. Januar 2025.
WO: Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin
WANN: Die Ausstellung “Ich weiß, daß ich mich verdoppeln kann: Gisèle Vienne und die Puppen der Avantgarde” eröffnet am Donnerstag, den 12. September. Sie läuft bis zum 9. März 2025.
WO: Georg Kolbe Museum, Sensburger Allee 25, 14055 Berlin.
WANN: Der Film “Jerk” von Gisèle Vienne läuft am Samstag, den 14. September, um 14 Uhr, gefolgt von einem Künstlerinnengespräch um 15.30 Uhr. Der Eintritt zum Talk ist frei.
WO: Sophiensaele, Sophienstraße 18, 10178 Berlin.
Fluentum: Calla Henkel & Max Pitegoff
Kennedy hat einen Autounfall. Kennedy erhält Schmerzensgeld. Mit dem Schmerzensgeld erwirbt Kennedy ein Theater. So viel zum Set-up des Episodenfilms “Theater” von Calla Henkel und Max Pitegoff. Die ersten drei Teile folgen Kennedy, gespielt von der Filmemacherin Leilah Weinraub, bei ihrem Bestreben, ein Ensemble zusammenzustellen und zusammenzuhalten. “Theater” collagiert fiktionale Aufnahmen mit dokumentarischen aus dem New Theater Hollywood, das Henkel und Pitegoff seit diesem Jahr in Los Angeles betreiben. Auf Klappstühlen schauen Besucher:innen im Fluentum auf Klappstühle auf der Improv-Bühne, können vielleicht sogar Klappstühle im Soundtrack hören, denn darin klingt das Theater mit wie einst die legendäre Berliner TV Bar in Henkels und Pitegoffs Episodenfilm “Paradise”. Bilder und Musik ergänzt Prosa, die das unterschätzte Genre Untertitel als Kunstform erkennbar macht.
WANN: Die Ausstellung “Theater” von Calla Henkel und Max Pitegoff eröffnet am Mittwoch, den 11. September, von 18 bis 22 Uhr. Sie läuft bis zum 14. Dezember.
WO: Fluentum, Clayallee 174, 14195 Berlin.
Neun Kelche: Theresa Weber
#BeethovenIsBlack – unter dem Hashtag schlug im Beethovenjahr 2020 ein altes Gerücht neue Wellen: Der Komponist Ludwig van Beethoven soll einen Schwarzen Hintergrund gehabt haben. Das Gerücht sei zu dem Zeitpunkt schon über 100 Jahre alt gewesen, schrieb die “Süddeutsche Zeitung” und verwies auf Bürgerrechtler Malcolm X oder die “Peanuts” als prominente Verbreiter. Theresa Weber greift die Geschichte nun mit ihrer Ausstellung “Alle Menschen werden Brüder” im Projektraum Neun Kelche auf. Der Titel der Schau ist Beethovens 9. Sinfonie “Ode an die Freude” entlehnt. Spekulationen über dessen Herkunft dienen Weber als Ausgangspunkt für die Imagination alternativer Geschichtsschreibung und anti-kolonialen Widerstand.
WANN: Die Ausstellung “Alle Menschen werden Brüder” von Theresa Weber eröffnet am Freitag, den 13. September, von 17 bis 22 Uhr. Sie läuft bis zum 27. Oktober.
WO: Neun Kelche, Pasedagplatz 3-4, 13088 Berlin.
Berlinische Galerie: Mariechen Danz
Wer weiß schon, wo genau so eine Niere sitzt? Mariechen Danz hat das Organ zum Beispiel auf metallene Körperskizzen verpflanzt. Auf schachbrettartig drapierten Platten inszeniert sie in der Berlinischen Galerie Gedärm als futuristisches Fossil. Eine in Ohrmuschelabguss eingeschlossene Meeresmuschel reckt sich Besucher:innen an einer drahtigen Konstruktion entgegen. Fleischliche Motive scheinen bei Danz losgelöst von menschlicher Körperlichkeit. Ihre Ausstellung “edge out” bedient sich der Bildsprache aus Kartografie, Geologie, Technologie, Anatomie und Astronomie. Für ihre Arbeit an der Schnittstelle von Kunst, Wissenschaft und Technik wurde sie mit dem Gasag Kunstpreis ausgezeichnet.
WANN: Die Ausstellung “edge out” von Mariechen Danz eröffnet am Donnerstag, den 12. September, ab 19 Uhr. Sie läuft bis zum 31. März 2025.
WO: Berlinische Galerie, Alte Jakobstraße 124-128, 10969 Berlin.
CCA Berlin: Nazanin Noori
Man hört die Ausstellung, noch ehe man sie sieht. Unter dem Titel “The Echo Of The Protest Is Distant To The Protest” bespielt Nazanin Noori auf Einladung von CCA Berlin einen Raum im Obergeschoss des altehrwürdigen Kranzler Ecks am Kudamm. Besuchende zieht die Künstlerin hinein in eine dramatische Klangkulisse aus Rhythmen, Rufen und Geräuschen, taucht sie in gelbes Licht, platziert sie vor Leuchtboxen mit Textfragmenten – ihre ersten skulpturalen Arbeiten. Mit ihrer Rauminstallation reflektiert Noori das Echo politischen Aufruhrs. Wie wirkt Widerstand über weite geografische Entfernungen nach, wenn sich gelebte Realität in kurze Videoclips zerlegt verbreitet, etwa infolge der Jina-Amini-Proteste gegen die Islamische Republik Iran? Noori rekurriert dabei auf ihre Erfahrungen aus diasporischer Perspektive. Ihre Arbeit ermöglicht ein völliges Abtauchen in Schmerz, Hoffnung, Unruhe und Sehnsucht. Vielleicht weist sie den Weg gen differenzierteres Zuhören.
WANN: Die Ausstellung “The Echo Of The Protest Is Distant To The Protest” von Nazanin Noori eröffnet am Mittwoch, den 11. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 19. Oktober.
WO: CCA Berlin im Kranzler X, Kurfürstendamm 20, 10719 Berlin.
Das gesamte Programm der Berlin Art Week findet ihr online.
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