Licht, Leere und ein Zeit-Raum
Belu-Simion Fainaru in der Galeria Plan B

10. Oktober 2022 • Text von

In seiner aktuellen Einzelausstellung “Hold Infinity in the palm of your hand And Eternity in an hour” in der Galeria Plan B in Berlin beschäftigt sich der israelisch-rumänische Künstler Belu-Simion Fainaru mit dem Paradoxon Zeit. Seine komplexen In-Situ-Installationen aus Haushaltsgegenständen und Erinnerungsstücken transportieren eine Dualität von Anwesenheit und Abwesenheit, von einer neuen Zeitlichkeit und Nicht-Zeit, von Leere und Raum.

2. BF Galeria Plan B gallerytalk, ein goldener Ring mit Innenschrift
Belu-Simion Fainaru, Presentation of the bride, 2022, gold, Ø 3 cm, Photo: Trevor Good, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin.

Der erste Ausstellungsraum beim Eintritt in die Galeria Plan B ist nahezu leer. Von der Decke hängt eine einzelne Glühbirne mit der Aufschrift “Saturday”. Dieses Objekt ist Teil der Installation “Daylight” von Belu-Simion Fainaru, die aus sieben solcher Glühbirnen besteht und von denen alle mit einem anderen Wochentag versehen wurden. Täglich wechseln die Galeriemitarbeiter*innen das Licht – ein Akt, der metaphorisch für einen Neubeginn der Welt innerhalb von sieben Tagen in Form einer elektrischen Zeitschleife steht. Schon beim Eintritt in die Galerie befindet man sich in einem Zeit-Raum, in dem die Zeit ständig neu verhandelt wird. In einem gläsernen Schaukasten befindet sich im ersten Raum ein goldener Ehering, in den die Worte des Ausstellungstitels “Hold Infinity in the palm of your hand And Eternity in an hour” auf der Innenseite eingraviert sind – “Halte die Unendlichkeit in deiner Hand und die Ewigkeit einer Stunde”. Unverkennbar, dass das Thema Zeit in der künstlerischen Praxis von Belu-Simion Fainaru von essenzieller Bedeutung ist.

Belu Simion Fainaru Galeria Plan B gallerytalk, links: eine Glühbirne, die mit "Saturday" beschriftet ist, rechts: ein Kerzenhalter an der Wand
Belu-Simion Fainaru, Daylight, 2010 – 2015, Light bulb, ink, electric string, 13 x Ø 6 cm, Photo: YAP Studio/Pavel Curagău, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin. // Belu-Simion Fainaru, Man with house and candle, 1991, plaster, candle, 20 x 8 x 3 cm, Photo: Trevor Good, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin.

Im Hauptausstellungsraum befindet sich die Installation “Fountain” – ein in sich geschlossenes modulares System aus zehn zusammenhängenden Behältern und deckenhohen Trägern von denen sich sieben Säulen mit Flüssigkeit gleichmäßig ergießen. Mal hört man es leise plätschern, mal wird der Strom unterbrochen und es dröhnt eindringlich durch den gesamten Raum. Die Flüssigkeit, die hier kontinuierlich innerhalb des Systems zirkuliert, ist Olivenöl. Belu-Simion Fainaru visualisiert ein Verteilungssystem für eine natürliche Ressource. Und auch dieser Arbeit wohnt eine zeitliche Bedeutung inne. Der Anbau, Handel und Vertrieb von Oliven hat eine eigene Geografie und ein eigenes Ökosystem geschaffen. Was würde passieren, wenn dieser Ablauf plötzlich unterbrochen werden würde?

3. BF Galeria Plan B gallerytalk, deckenhohe Träger, gebautes System mit Auffangbecken, durch die Olivenöl fließt
Belu-Simion Fainaru, Fountain, 2022, metal, olive oil, 283 x 508 x 606 cm, Photo: Trevor Good, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin.

Belu-Simion Fainaru gelingt es, in seinen abstrakten In-Situ-Installationen eine neue Ebene der Zeitlichkeit zu erschaffen. Auch wenn wir wissen, dass die Zeit niemals wirklich still steht und immer weiter verstreicht, so scheint es in der Ausstellung, als würde der gleichmäßige Fluss temporär unterbrochen werden. Ein Gefühl von Leere und einer undefinierbaren inneren Stille stellen sich ein. Es scheint, als würde das Konzept der Zeit in messbaren Einheiten hier kurzerhand außer Gefecht gesetzt werden und die Besucher*innen in dem von ihm kreierten weißen Zeit-Raum zurückbleiben. Sekunden, Minuten, Stunden scheinen kurzzeitig nicht mehr zu existieren und sich im Raum aufzulösen. Läuft man um “Fountain” herum, so blickt man durch die Konstruktion hindurch auf die gegenüberliegende Wand und die Mixed-Media-Arbeit “A heart needs more room to breathe”, die eine abstrakte Figur, der dicke schwarze Tränen über das Gesicht zu laufen scheinen, zeigt und dem Gesamtensemble eine Note von Melancholie und auch Traurigkeit verleiht.

10. BF Galeria Plan B gallerytalk, Mixed Media Arbeit an einer weißen Wand, sieht wie ein Buntglas-Fenster aus
Belu-Simion Fainaru, A heart needs more room to breathe, 2015, Mixed media, vitrage, water, 148.5 x 112 cm, Photo: Trevor Good, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin.

Die künstlerische Praxis von Belu-Simion Fainaru ist dem Minimalismus sowie dem Prinzip der Arte Povera (“arme Kunst”) nahe. Er arbeitet mit gewohnten, uns bekannten Materialien und Alltagsgegenständen, wie zum Beispiel Waschmaschinen, die hier in der Ausstellung ihrem eigentlichen Kontext entrissen werden. Der Künstler beobachtet und reflektiert in seiner Arbeit die Auswirkungen der Globalisierung und verhandelt Entwicklungen der Gegenwart sowie seine eigenen Erfahrungen mithilfe der Kunst. Sie bieten keine konkreten Lösungsvorschläge oder direkte Antworten, sondern werfen auf abstrakte Art und Weise Fragen auf, rütteln an den Begrifflichkeiten wie der Zeit, hinterfragen die Beständigkeit und loten Grenzen neu aus. Innerhalb jedes einzelnen Kunstwerks wird eine neue, andersartige Form der Zeitlichkeit angeboten und immer wieder neu erfahrbar gemacht.

11. BF Galeria Plan B gallerytalkm ein weißes Bett aufgesetzt auf drei laufende Waschmaschinen
Belu-Simion Fainaru, You Have Always to Start Anew, 2019, Mixed media, 114 x 215 x 134.5 cm, Photo: Trevor Good, Courtesy the artist and Plan B Cluj, Berlin.

Die ausgestellten Arbeiten in der Galeria Plan B lösen eine gewisse Unruhe, eine Form von Unsicherheit aus. Sie visualisieren, dass Veränderungen stets ein Teil unserer Lebensrealität sind und wir uns innerhalb der Veränderungen immer wieder neu sortieren und orientieren müssen. Sie verlieren dadurch nicht an Aktualität, weil auch die Zukunft unbeständig und ungewiss ist und Veränderungen zu erwarten sind, im Kleinen und im Großen. Belu-Simion Fainaru hat hier einen Zeit-Raum geschaffen, der voller Dualitäten steckt, die nebeneinander bestehen und existieren. Der Fluss des Olivenöls, das sich verändernde Licht oder die Bewegungen der Wäschetrommel zeigen den Betrachter*innen eine Bewegung, ein Verstreichen der Zeit und gleichzeitig mit Unterbrechungen dieser immer gleichen Abläufe auch einen Stillstand, einen Reset, auf den etwas Verändertes, ein Neuanfang folgt.

WANN: Die Ausstellung “Hold Infinity in the palm of your hand And Eternity in an hour” läuft noch bis Samstag, den 29. Oktober.
WO:
Galeria Plan B, Potsdamer Straße 77-87, 10785 Berlin.

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