Befreiten Raum erschaffen
Neuer Raum für Kunst. Für andere und für sich selbst.

31. Januar 2018 • Text von

Format. (*strk) oder genauer: Format. strategische Kapitulation ist der Name des kleinen Kunstvereins, der momentan einen grauen Raum mit einladender Fensterfront im 16. Bezirk Wiens bewohnt. Die geografische Lage zwischen Gürtel und Brunnenmarkt ist genauso anregend und vielseitig, wie die Ideen der fünf Kunstschaffenden, die den Verein mit Leben füllen. 

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(c) Format (*strk)

Daria Eameri, Kevin Ferdinandus, Daphne Schöning, Olivier Siebenaler und Michael Wallinger teilen das Anliegen, neuen befreiten Raum für Kunst zu schaffen. Für andere und für sich selbst. Dieses soll abseits des etablierten Galeriesystems passieren, ohne den Druck, verkaufen zu müssen, sondern stattdessen mit der Freiheit des Experimentierens. Wir sprachen mit den Mitgliedern des Kollektivs. Das Kollektiv möchte mit einer Stimme sprechen, auch wenn es erwünscht ist, Unterschiedliches zu sagen. Deshalb wird im folgenden Interview jeder Name anonym mit einer eigenen Nummer beziffert.

gallerytalk.net: Könntet ihr das Konzept von Format. (*strk) erklären?

Eins.strk: Drei von uns haben zusammen an einer Ausschreibung des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Graz teilgenommen, um eine temporäre Installation zum Thema Licht im Stadtraum zu entwerfen. Die gemeinsame Arbeit hat uns Spaß gemacht und wir hatten währenddessen schon so viele neue Ideen, dass wir uns entschieden, einen Raum zur Zwischennutzung zu suchen. Wir wollten einen Kunstverein daraus machen, um uns offizieller zu gründen, unter der Prämisse, dass interdisziplinär oder transdisziplinär gearbeitet werden soll. Wir haben uns von Anfang an für eine Zweiteilung des Raums entschieden. Die bestand darin, den Raum Anderen zur Verfügung zu stellen, um dort zu produzieren, auszustellen und gleichzeitig, um als Gruppe selbst künstlerisch zu arbeiten. Prinzipiell sind wir an transdisziplinärem Arbeiten interessiert und an der Idee, einen Raum zu schaffen, der nicht direkt an akademische und staatliche Institutionen gekoppelt ist, der kein vordergründig kommerzielles Interesse verfolgt und damit auch Platz zum Experimentieren bietet. Für uns, aber auch für andere Leute.

Was meint ihr damit, wenn ihr von transdisziplinär sprecht?

Zwei.strk: Wir kommen alle aus unterschiedlichen Fachrichtungen und haben schnell bemerkt, dass diese Kombination super interessant ist und was komplett Neues mitbringt. Der Grundgedanke war, sowas fordern und fördern zu wollen. Auch für andere Personen, um so weitere interessante Projekte zusammenzubringen. Das Ganze wollten wir dann als Plattform gestalten.

Eins.strk: Uns hat die vorherrschende Hierarchie in dem Galeriesystem gestört und der starke Fokus, der auf dem Geld liegt. Die ursprüngliche Idee war es, den Verein so offen zu gestaltet, dass sich alle einbringen können und nicht, um nur zur Präsentation der eigenen Arbeit zu kommen. Deshalb haben wir diesen Freitag unser erstes Treffen namens Defragmentation. Hier laden wir alle ein, die uns mal irgendwie geholfen haben. Ob sie an der Bar gearbeitet, ob Arbeiten gezeigt oder beim Bauen beteiligt waren. Alle werden von uns einen Abend zum Essen und Trinken eingeladen. Es bleibt beim eigentlichen Umsetzen von Events häufig nicht die Zeit zum Socializen und Connecten und es gehört zur Grundidee, sich auszutauschen.

Drei.strk: Transdisziplinär heißt eben auch, dass wir nicht nur mit bildenden KünstlerInnen arbeiten, sondern auch mit darstellender Kunst. Mit Leuten, die Performances machen oder mit Sprachkünstlern, mit denen wir eine Leseveranstaltung organisiert haben. Wir wollen uns nicht auf eine Sparte festlegen.

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(c) Laura Schaeffer

Euer Projekt soll also nicht die klassischen Aufgaben einer Galerie übernehmen?

Eins.strk: Nein, wir wollen keine Galerie sein. Wir freuen uns natürlich, wenn wir Sachen verkaufen und natürlich freuen sich auch alle Kunstschaffenden, die hier was zeigen darüber, wenn die Arbeit monetär gewürdigt wird. Wir haben auch an der Parallel Vienna teilgenommen und werden das wahrscheinlich auch wieder machen, aber strukturell sehen wir uns nicht als Galerie und wollen auch keine sein. Es gibt Überlegungen und erste Bestrebungen, eine eigene Sammlung aufzubauen. Vielleicht als Gegenentwurf zu dem Kommissionsmodell, das so etabliert ist. Aber wir verstehen uns eher als Kunstraum.

atelier

(c) Michael Nagl

Ihr habt ja auch vom Verkaufen gesprochen. Wenn ihr verkauft, habt ihr da bestimmte Personen, an die ihr verkauft? Habt ihr ein Netzwerk oder seid ihr daran interessiert, ein solches aufzubauen?

Zwei.strk: Es ist eigentlich nicht die Intension, ein wirkliches Netzwerk zum Verkauf aufzubauen. Die Parallel als Messe hat das natürlich erweitert und erneuert, aber weil das nicht die Grundmotivation ist, ist das ein wenig nebensächlich. Es werden aber auch viele Sachen hier gezeigt, die von Grund auf nie für den Verkauf gedacht waren oder sehr schwierig in eine Art von Kunstmarkt zu integrieren wären. Es soll eben gehen, dass es für sowas frei ist und es nicht nur ein Beiwerk für Kunst ist, die man dann verkaufen kann.

Habt ihr bestimmte Kriterien, nach denen ihr die Leute auswählt, die bei euch was machen dürfen?

Eins.strk: Damit tun wir uns momentan am Schwersten. Keiner von uns betrachtet sich selbst als qualifiziert, inhaltlich und qualitativ über die Arbeit von anderen Leuten zu urteilen. Das ist reine Subjektivität. Anfangs waren es vor allem Leute aus dem erweiterten Freundes- und Bekanntenkreis. Das waren dann aber auch Personen, die wir nicht kannten, aber deren Arbeiten wir mochten oder die wir persönlich sympathisch fanden. Es gab mal Überlegungen, ob wir uns ein bisschen einschießen auf ein inhaltliches Thema, aber auch dagegen haben wir uns entschieden. Ich glaube, wir haben bisher relativ wenig nein gesagt.

Zwei.strk: Wir haben super viel nein gesagt.

Drei.strk: Ja, allen Facebook Anfragen, die wir bekommen haben, haben wir nein gesagt. Bei Personen, bei denen wir uns nicht ganz sicher waren, haben wir immer gesagt, die sollen uns mal ein Konzept schicken, aber danach kam meistens nichts mehr. Leuten, bei denen wir uns direkt vorstellen konnten, dass das funktionieren könnte, haben wir eigentlich immer angeboten, in Kontakt zu bleiben.

Wenn ihr sagt, ihr habt viele Facebook Anfragen bekommen, dann gibt es also schon einen starken Bedarf in diesem Bereich?

Zwei.strk: Man merkt auf jeden Fall, dass es in diesem Bereich extrem viel Nachfrage gibt. Viele Leute, die gerne was zeigen würden, aber denen es schwerfällt, einen Ort dafür zu finden.

Eins.strk: Wenn man noch nicht fertig ist, wenn man noch auf der Suche ist. Einfach mal frei von dem Druck, seine Bestform abliefern zu müssen.

Vier.strk: Wir wollten den KünstlerInnen immer die Freiheit geben, den Raum und die Ausstellung so zu gestalten, wie sie das gerne möchten. Haben aber natürlich auch unsere Meinung gesagt, wenn gefragt wurde.

Könntet ihr mir erklären, wie ihr zu dem Zwischennutzungsprojekt gekommen seid und wie das funktioniert?

Zwei.strk: Wir haben über etwa zwei Jahre einen leerstehenden Laden beobachtet. Da hing eine Telefonnummer. Bevor ich angerufen habe, habe ich die NEST Agentur angeschrieben, die gerade am Aufblühen war. Die waren total hilfsbereit und meinten, wir könnten ihnen auch eine Adresse sagen und sie würden mit den Besitzenden in Kontakt treten. Mit dem Raum hat es dann nicht geklappt, aber durch den Kontakt waren wir in der Datenbank der NEST Agentur. Die NEST Agentur ist eine Zwischennutzungsagentur. Deren Aufgabe ist es, Räumlichkeiten ausfindig zu machen, um dann die jeweiligen EigentümerInnen zu überzeugen, die Immobilie etwa zu Betriebskosten für einen bestimmten Zeitraum zu vermieten. Diese vermitteln sie dann weiter an Personen, die einen Raum brauchen, zum Beispiel für Startups oder Kunsträume. Die haben uns dann vor einem Jahr angeschrieben, ob wir Interesse an diesem Raum hier hätten und wir haben uns darauf beworben. Wir haben erstmal einen Monat lang den ganzen Laden ausgeräumt. Das war ein ehemaliger Optiker.

optiker

(c) Simeon Jaax

Vier.strk: Von den Sachen haben wir viel verschenkt und Möbel gebaut.

Zwei.strk: Erst hieß es, wir können maximal fünf Monate hier drinbleiben und als drei Monate dann vergangen waren, hieß es, wir erfahren vier Wochen bevor wir raus müssen, wann wir endgültig raus müssen. Das hat sich dann erweitert auf fünf Wochen und so ist es jetzt eigentlich seit einem Jahr. Seitdem wissen wir, dass wir in fünf Wochen raus könnten, aber die nächsten fünf Wochen können wir noch was machen. Durch den Winter haben wir gerade die große Hoffnung, dass die nicht anfangen zu bauen. Es kommt ein Lidl hier rein.

Steht ihr denn selber auch in Kontakt zu dem Eigentümer der Immobilie oder geht das immer nur über die NEST Agentur?

Eins.strk: Ja, also der Kontakt läuft schon über NEST. Die Agentur betont immer wieder, wie vorsichtig sie überall sein müssen, um nicht zu fordernd zu wirken und da nicht rausgekickt zu werden. Man ist schon in einer sehr bittenden Position.

Seid ihr zufrieden mit dem Zwischennutzungszustand?

Drei.strk: Die Jahresplanung ist ein bisschen schwierig, aber sonst ist es cool. Wir haben eben sehr viele Freiheiten. Wir können mit dem Raum ja quasi machen, was wir wollen. Einfach mal ein Biotop hier erschaffen, in dem Schmetterlinge schlüpfen können. Das ist schon ein fetter Bonus.

biotop

(c) Rick Lins

Vier.strk: Kunstschaffenden, die erst in einem halben Jahr ausstellen können, kannst du eben nur sagen, dass wir nochmal in vier Monaten miteinander reden müssen. Oder wir machen es eben direkt in dem neuen Raum. Wir wissen nur nicht, wo und wann dieser neue Raum kommt und das Gefühl ist schon unangenehm, macht Druck und Stress. Deswegen haben wir auch im ersten Dreivierteljahr eine Veranstaltung nach der Anderen gemacht.

Zwei.strk: Was auch nicht bei jeder Zwischennutzung so ist. Wir haben da schon sicher nicht den optimalsten Deal. Es gibt da schon Zwischennutzungen, die von vornherein auf drei Jahre ausgelegt sind. Es ist eben eine leistbare Möglichkeit. Wir zahlen halt wenig, sehr wenig.

Habt ihr einen Wunsch an die Stadt, wie das Ganze vielleicht besser gestaltet werden könnte? Im Allgemeinen, wenn ihr sagt, es gibt viel Bedarf an Raum, von euch, von anderen, wie die Stadt das vielleicht besser regeln könnte.

Eins.strk: Es sollte besser reguliert werden. Wenn die ganze Zwischennutzungssache skeptisch bis zynisch betrachtet wird, entsteht der Eindruck, sie würde als Legitimations-Strategie seitens der Stadtverwaltung verstanden werden. Durch die sie sich aus der Verantwortung zu ziehen versucht, dauerhaft notwendigen Raum vor Spekulation zu schützen. Vor allem, wenn berücksichtigt wird, welche Rolle die Kunst- und Kreativszene hinsichtlich Gentrifizierungsprozessen einnimmt. Trotzdem sind wir dankbar, dass es Organisationen wie die NEST Agentur gibt, denn ohne die, säßen wir wohl noch immer in privaten Wohnzimmern.

WO: Format. strategische Kapitulation, Neulerchenfelder Straße 6-8, 1160 Wien.

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