Axel bittet zu Tisch
Gruppenausstellung bei Axel Obiger

18. Januar 2025 • Text von

Der Tisch ist reichlich gedeckt mit Rezepten aus aller Welt. Welches Kunstwerk gehört zu welchem Gericht? Das Ratespiel beginnt! In der Gruppenausstellung “CHEZ AXEL” bei Axel Obiger beschäftigen sich die Künstler*innen mit den Themen Küche, Essen und Zusammenkommen – ein Text über den Genuss und seine Bedeutung in politisch schwierigen Zeiten.

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Ausstellungsansicht “CHEZ AXEL” bei Axel Obiger.

Mole, Schwäbische Maultaschen, Wildschweingulasch, Nanban Chicken oder doch einfach nur Pommes mit Ketchup? Im Raum für Zeitgenössische Kunst Axel Obiger wird aktuell zu Tisch gebeten: 22 internationale Künstler*innen haben in “CHEZ AXEL” Werke rund um das Thema Küche und Essen versammelt, darunter teilweise auch Neuproduktionen, die kurz vor Ausstellungsbeginn fertiggestellt wurden. Andere bereits produzierte Werke wurden dem Anlass entsprechend für die Ausstellung ausgewählt.

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“CHEZ AXEL” Rezepte, Fotos: S. Gualdi.

Die private Küche, die neben ihrer Funktion des Kochens oft auch Dreh- und Angelpunkt bei Hauspartys, für tiefgründige Gespräche und das Zusammenkommen ist, wird bei Axel Obiger in den öffentlichen Ausstellungsraum gebracht. Die beteiligten Künstler*innen haben vorab je ein Rezept zugewiesen bekommen, auf das sie eine künstlerische Antwort beisteuern konnten. Einige Werke nehmen dabei direkten Bezug und visualisieren das entsprechende Gericht.

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Sonja Alhäuser, Wildschweingulasch, 2025, Bleistift, Buntstift, Aquarell- und Acrylfarbe auf Papier, Foto: S. Gualdi.

So zum Beispiel Sonja Alhäusers Zeichnung “Wildschweingulasch”, die den Prozess vom noch lebenden Schwein hin zur Zubereitung im Topf darstellt. Veganer*innen und Vegetarier*innen, zu denen auch ich mich zähle, müssen hier kurz stark sein. Andere Kunstwerke setzen sich eher assoziativ mit dem jeweiligen Gericht auseinander, wie zum Beispiel “[mole], laboratory for a hybrid identity” der Künstlerin Susanna Britz, eine multimediale Arbeit aus Fotografien von einer Mexiko-Reise, einem Gedicht und überlagerten Zeichnungen, die mit der gleichnamigen Gewürzmischung aus der mexikanischen Küche aufgebracht wurden. Andere wiederum sind so abstrakt gestaltet, spielen mit knalligen Farben und Formen, dass sie den Besucher*innen das Ratespiel im Ausstellungsraum etwas erschweren. Dies trifft beispielsweise auf die Arbeiten von Danielle Stabel oder Daniela Trixl zu.

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Hildegard Skowasch, EAT, 2025, Papier, Farbe, Kordel, Foto: S. Gualdi. // Susanne Britz, [mole], laboratory for a hybrid identity, 2024, Laborbuch, mit Mole überzeichnete Fotografien und Farbfotografien in drei Rahmenvitrinen, Foto: S. Gualdi.

Yuki Jungesblut zeigt bei Axel Obiger eine Fotografie mit dem Titel “Nanban Chicken (En Voyage)”, die während einer Japanreise auf einem Schiff entstanden ist. Auf dem Teller wurde das frittierte Hähnchen drapiert, dazu Reis und eine süß-würzige Sauce, der Blick aus dem Fenster gibt die Sicht auf das glitzernde Wasser frei. Eine spannende Geschichte verbirgt sich hinter dem Gericht, das mittlerweile zu einem internationalen Trend geworden ist.

Das Gericht gehört zur Kategorie der “Yōshoku”, also westlich inspirierten japanischen Speisen, und seine Geschichte lässt sich bis ins 16. Jahrhundert zurückverfolgen, als die Portugies*innen erstmals Japan erreichten. Sie brachten Technologien, neue Lebensmittel und Kochtechniken mit. Der Begriff “Nanban”, wörtlich “südliche Barbaren”, bezeichnete Europäer*innen jener Zeit. Sie führten Zutaten wie Zucker, Essig und das Frittieren ein, die später die japanische Küche prägten. Nanban Chicken ist ein Beispiel für die Anpassung westlicher Einflüsse an den japanischen Geschmack. Es kann also gewissermaßen für als ein kulinarischer Kulturaustausch verstanden werden, der bis heute nachwirkt.

Yuki Jungesblut, Nanbanchicken (En Voyage), 2019, Fine Art Print (2025), 40 x 60 cm gallerytalk
Yuki Jungesblut, Nanbanchicken (En Voyage), 2019, Fine Art Print (2025).

Bei “CHEZ AXEL” treffen viele unterschiedliche Medien aufeinander, die spielerisch sowohl inhaltlich als auch visuell aufeinander Bezug nehmen. Fun Fact: Die beteiligten Künstler*innen wussten vorab nicht, welche Werke die Kolleg*innen zur Ausstellung beisteuern werden. Gemeinschaftlich haben sie in einem Zeitfenster von nur vier Stunden vor der Eröffnung die Konzeptidee sowie die Hängung zum Leben erweckt. Einem performativen Akt gleichend, wurden pünktlich um 20 Uhr am Eröffnungstag die Besucher*innen eingeladen, sich an der gedeckten Tafel zu bedienen, gemeinsam zu speisen und zu schnacken. Dort, wo Speis und Trank bereitstanden, liegen nun die Rezeptkarten aus, die den jeweiligen Werken zugeordnet werden können.

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Frederik Foert, Chicken on the Run, 2025, pedestal, chinese delivery bag, 2x rubber chicken, electric motor, cable, popcorn. // Anja Teske, Salat und Wirsing, Pigmentdruck auf Bütten.

Die Ausstellung zelebriert Kulinarik, Beisammensein und gemeinsamen Genuss. Sie ist spielerisch und humorvoll gestaltet – eine leichte, wohltuende Abwechslung in weltpolitisch frostigen Zeiten, die dennoch nachdenkliche Impulse setzt. Kulinarisch vereint sie auf kleinstem Raum eine Vielzahl von Kulturen an einem Tisch. Wenn das hier gelingt, warum nicht überall? “CHEZ AXEL” ist ein zarter Stupser, das eigene Schneckenhaus zu verlassen, sich zu öffnen und in den Austausch zu treten. Also: schnell zum Hörer greifen, die Liebsten einladen und bei einem gemeinsamen Schmaus wieder Gemeinschaft spüren. Denn genau in diesen kleinen, geschützten Momenten liegt die Hoffnung, dass irgendwann auch im Großen Zusammenhalt möglich wird.

WANN: Die Ausstellung “CHEZ AXEL” läuft noch bis zum 8. Februar und kann von Donnerstag bis Samstag von 15-19 Uhr oder nach Vereinbarung besichtigt werden.
WO: Axel Obiger, Brunnenstraße 29, 10119 Berlin.

Hinweis: Im Rahmen der Ausstellung erwartet euch am Mittwoch, den 29. Januar ab 19 Uhr eine Leseperformance bei Axel Obiger, bei der auch ein experimentelles Kunstdessert serviert wird. Kommt vorbei!

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