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Aurore Le Duc über die Kopie einer Kopie

14. Oktober 2020 • Text von

Sie performt, kopiert, imitiert. Beschäftigt sich in ihrem Werk mit Populärkultur und bringt Fußball und den zeitgenössischen Kunstmarkt in Zusammenhang. Was auf den ersten Blick nicht unbedingt übereinstimmt, setzt Le Duc mit Ironie und nötigem Sarkasmus in Verbindung. Gerade ist die Französin in der Pariser Galerie Chloé Salgado mit einer Einzelausstellung vertreten. Mit gallerytalk.net sprach Le Duc über ihr Projekt “Les Supporteurs de Galeries”, Maurizio Cattelan und warum der Kunstmarkt wie Sport ist.

Einblick in einen weißen Galerieraum, in dem verschiedene Werke hängen

Nos Cœur sur les Cimaises, Aurore Le Duc, 2020 Photo © Gregory Copitet.

gallerytalk.net: In deinem 2015 entstandenem Projekt “Les Supporters de Galeries” (dt. Galerieförderer) kombinierst du Zeichnungen, Performances und Merchandise-Produkte und verbindest Kunst mit Fußball. Wie hängen diese beiden Bereiche für dich zusammen?
Aurore Le Duc: Was mich an der Analogie zwischen den beiden interessiert, war vor allem die Frage der Gewalt und Herrschaftsverhältnisse. Und obwohl diese Machtspiele sowohl im Fußball als auch im Kunstmarkt präsent sind, werden sie ganz verschieden ausgeübt. Natürlich verhält man sich auf den Tribünen eines überfüllten Stadions nicht auf die gleiche Weise, wie in einer Kunstgalerie oder einem Museum. Dort herrschen andere soziale Codes und es fasziniert mich, herauszufinden, wie sie funktionieren.

Mit den “Les Supporteurs de Galeries” setzt du Kunstgalerien in ihrer Struktur und Arbeitsweise denen eines Fußballvereins gleich. Die Künstler und Künstlerinnen repräsentieren sozusagen die Mannschaft. Wie sieht dieses künstlerische Projekt genau aus?
Zu Beginn habe ich mich für bekannte Pariser Galerien mit starkem Image und charismatischen Führungspersönlichkeiten, wie Emmanuel Perrotin, Kamel Mennour oder Thaddaeus Ropac interessiert. Diese Galerien hatten den Vorteil, dass sie in ihrem Auftreten bereits bestehenden Fußballmannschaften entsprachen. In dieser Fiktion wäre Perrotin der PSG (Paris Saint-Germain; Anm. d. Redaktion) der Kunstwelt, eine mächtige Galerie und ein bisschen Bling-Bling. Kamel Mennour ist hier zweifelsohne sein großer Rivale, ein bisschen OM (Olympique Marseille; Anm. d. Redaktion). Ropac wäre das Äquivalent zu einem großen europäischen Club, Arsenal oder Bayern München. Ich habe angefangen, für jede Galerie ein Logo zu kreieren, etwas ironisch natürlich, und dann habe ich Schals gefertigt. Denkt man an einen wahren Fußballfan, dann ist es der Fanschal, der einem gleich zu Beginn einfällt. Der dritte Step ist dann die die Performance. Ich bin also in die Museen gegangen, wo ein Künstler einer der Galerien ausgestellt war und habe sie “unterstützt”.

Links ein Bild von Aurore Le Duc mit blauem Fanghandschuh, rechts liegt die Künstlerin eingebettet in bunten Schals.

“Kamel Supporter”, Aurore Le Duc, pour Nouvelle Collection, 2016 © Photo Allia El Fani; “Made in Catelland”, Aurore Le Duc, 2020 © Photo Alexis Cherigny.

Wie läuft so eine Performance ab?
Ich gehe im Museum auf die Toilette, ziehe mir die Fanjacke und den Schal der Galerie an, deren Künstler gezeigt wird und stelle mich vor die Werke. Vor diesen mache ich Fotos, wie ich als Fan das Kunstwerk bejuble. Ähnlich, wie ein Hooligan während eines Spiels. Meist schreie ich dann die Slogans, die ich für die jeweilige Galerie verfasst habe, bis ich von der Museumsaufsicht aus dem Haus verwiesen werde.

Wann hast du deine erste Performance durchgeführt?
Das erste Mal war im Oktober 2016 im Monnaie de Paris für die Ausstellung “Not Afraid Of Love” von Maurizio Cattelan. Cattelan ist ein Künstler von Perrotin, also habe ich meine Bomberjacke und den Schal von Perrotin angezogen. Ich habe vor seinen Werken posiert und Fotos von mir gemacht. Das lief alles einwandfrei, es kam noch nicht mal das Museumspersonal.

Das hast du direkt auf der FIAC weitergemacht, richtig?
Genau. Am nächsten Tag bin ich auf die FIAC gegangen und habe dort eine ähnliche Performance durchgeführt. Wir hatten Einladungen für mich und meine Freunde, die alles fotografierten oder per Video aufgezeichnet haben. Angefangen habe ich als Kamel Mennour-Fan und bin danach zum Stand von Perrotin, wieder mit Bomberjacke und Fanschal. Unmittelbar danach habe ich die Fotos der Performance auf Instagram gestellt, die Emmanuel Perrotin geliked hat, nachdem ich ihn auf den Fotos getagged habe.

Einblick in einen weißen Galerieraum mit bunten Schals an der Wand

Nos Cœur sur les Cimaises, Aurore Le Duc, 2020 Photo © Gregory Copitet.

Was ist im Anschluss daran passiert?
Ein Jahr später, im Oktober 2017, habe ich eine Nachricht erhalten, dass ich mir den Online-Shop des Museum of Modern Art (MoMA) mal ansehen sollte. Dort habe ich die Fanschals für Institutionen und Galerien von Maurizio Cattelan entdeckt, die heute jeder kennt. Cattelan hatte also mittlerweile eine Schallinie sowie einen Instagram-Account unter dem Namen “Made in Catteland” lanciert. Die Schals verkauft er jetzt in den Boutiquen großer Museen. Natürlich kann ich es nicht sicher sagen, aber ich denke, dass es Perrotin war, der Cattelan meine Arbeit nach der FIAC gezeigt hat.

Wie hast du darauf reagiert?
Daraufhin habe ich beschlossen, meinen eigenen Instagram-Account zu erstellen, “MADE IN CATELLAND”, eine getreue Kopie des Accounts meines Plagiators Cattelan. Ich habe die 246 Fotos, die dort erscheinen, auf meine eigene Art und Weise nachbearbeitet und so eine Kopie kopiert. Es gibt außerdem einen lustigen Zufall bezüglich der Schreibweise meines Namens. Normalerweise wird es “Katell” geschrieben, aber meine Eltern ließen es als “Catel” ins Register eintragen. Wenn Sie am Ende das Suffix “-land” hinzufügen, erhalten Sie “Catelland”. Der Zufall tut sein Übriges, denn ich finde mich mit dem Namen wieder, der dem des Künstlers sehr ähnlich ist, der meine Arbeit kopiert hat.

Im Prinzip übst du ja mit der Kopie von “MADE IN CATELLAND” sowie den “Supporteurs de Galeries” Kritik am Kunstmarkt. Gleichzeitig ist man jedoch gerade als junger Künstler abhängig am Fortkommen und möchte in einer großen Galerie aufgenommen werden, die einem hilft sich zu vermarkten. Was würdest du sagen, wenn beispielweise Kamel Mennour auf dich zukommen würde und dich fragen würde, bei ihm auszustellen?
(Lacht) Natürlich nicht mit diesem Projekt, weil ich die Galerien ja damit mehr oder minder auf den Arm nehme. Bei Chloé, wo ich momentan ausstelle, war es etwas Anderes. Sie ist eine junge Galeristin und gleichzeitig eine gute Freundin. Es ist sehr schwer, sich heute zwischen den etablierten Galerien einen Namen zu machen. Da hat es gerade Spaß gemacht die Idee einer Mannschaft für sie auferstehen zu lassen.

Eine Frau hält einen roten Schal in den Händen, auf dem Salgado steht.

Portrait Aurore Le Duc, Photo Maurine Tric.

Wie fängst du es an, eine Galerie in einen Fußballverein zu wandeln? Wie kommst du beispielweise auf das Logo?
Für Kamel Mennour habe ich beispielsweise sein Porträt genommen. Er postet andauernd Selfies. Das passte einfach. Für Chloé wollte ich etwas finden, das lustig, aber gleichzeitig ironisch ist. Chloés Nachname “Salgado” bedeutete “gesalzen”, deshalb der Salzstreuer. Ihr Logo habe ich wie das Wappen einer Familie im Mittelalter erstellt. Zum Beispiel ist es rautenförmig, weil das Rautenschild als Damenschild galt. Außerdem wollte ich etwas, das an Jugend erinnert. Der Name “Chloé” kommt aus dem Griechischen und bedeutet “junger Spross”. Deshalb habe ich kleine Knospen integriert. Die Farben, Rot und Gelb sind von einem fiktiven spanischen Club inspiriert; Chloé hat spanische Wurzeln.

Und was hat es mit dem Slogan “L’espoir fait vivre” (dt. Die Hoffnung macht lebendig) auf sich?
Ich wollte etwas, das anspornt und zugleich zeigt, wie schwierig es ist, Erfolg zu haben, wenn man noch jung in der Kunstwelt ist. Chloés Galerie ist ein Team von jungen Künstlern und Künstlerinnen; einerseits Hoffnungsträger, aber gleichzeitig hat dieses Team auch eine sehr unsichere Seite. Ich als junge Künstlerin oder Spielerin weiß zum Beispiel nicht, ob ich in meiner Karriere Erfolg haben werde.

Links eine weiße Wand mit einem roten Wappen, rechts nähere Ansicht des Wappens

Nos Cœur sur les Cimaises, Aurore Le Duc, 2020 Photo © Gregory Copitet.

Da kommt dann wieder der Fußball ins Spiel. Man kann die Karrieren eines Spielers und eines Künstlers gleichsetzen. Beide hängen von der Meinung mächtiger Galeristen beziehungsweise der Trainer ab?
Genau. Ich interessiere ich mich für die Soziologie des Fußballs. Manchmal sehe ich so viele Ähnlichkeiten zwischen Kunst und Fußball. Eine Messe wie die FIAC ist doch wie ein UEFA-Pokal. Alle guten Teams sind dort und kämpfen um den besten Standort auf der Messe. Je besser Sie platziert sind, desto mehr werden sie verkaufen und desto mehr werden sie Ihre Konkurrenten, die weniger gut platziert sind, vernichten. Das ist reine Strategie.

Wie siehst du deine Arbeit an? Als Kritik am Kunstmarkt oder als reine Ironie?
Es ist keine grundsätzliche Kritik an einer Galerie. Denn wir befinden uns in einem kapitalistischen Kunstsystem, wovon auch ich ein Teil bin. Ich schlage nicht vor, Galerien abzuschaffen. Es gibt zahlreiche, die sehr gute Arbeit leisten. In dieser Wirtschaft gibt es Künstler und Künstlerinnen, die Galerien und Sammler brauchen. Das ist auch eine Frage, die mich berührt. Es ist keine Kritik, sondern eher eine Art der Inszenierung von Macht, dass es eben funktioniert, wie es funktioniert – dass Fußball und Kunst populäre Spektakel sind.

WANN: Aurores Ausstellung “NOS CŒURS SUR LES CIMAISES” läuft noch bis Samstag, den 17. Oktober. Aurores weiteren Projekten kann man auf ihrem Instagram-Account folgen.
WO: Galerie Chloé Salgado, 61 Rue de Saintonge, 75003 Paris.

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