Baustellen, Prosecco & Amore
"AUGURI" von Juergen Teller bei Contemporary Fine Arts

11. Juli 2022 • Text von

Verliebt, verlobt, verheiratet!
Der Fotograf Juergen Teller und seine Partnerin und Muse Dovile Drizyte haben vergangenen Sommer mit den vielversprechenden Worten “We are building our future together” zu einem mehrtägigen Fest der Liebe nach bella Italia eingeladen und sich in Neapel schließlich für immer “JA!” gesagt. In der aktuellen Ausstellung “AUGURI” bei Contempoary Fine Arts kann man die humorvollen Schnappschüsse des Paares, die die Zeit um die Hochzeit herum dokumentieren, genauer unter die Lupe nehmen und dabei herzhaft lachen. Heiraten darf bitte immer so lustig sein.

rundes Foto mit Frau und Mann, die Warnwesten und Schutzhelme tragen, beide die Zungen herausstrecken, die sich berühren
© Juergen Teller, All Rights Reserved
Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Juergen Teller bedarf vermutlich keiner besonders großen Vorstellung. Er ist einer der international gefragtesten Fotografen, der bereits unzählige Stars vor der Linse hatte. Er ist besonders durch seine Portraitfotografie bekannt geworden, arbeitet häufig mit dem Serien-Format und kreiert intime Momente um die abgelichtete Person. Der junge Kurt Cobain vor dem großen Durchbruch mit der Grunge-Band Nirvana, Model Kate Moss oder Reality-Megastar Kim Kardashian wurden unter anderem von ihm fotografiert.

Ein Brunnen, der sich vor einem Laden mit einem großen Schild "Amore" befindet
© Juergen Teller, All Rights Reserved
Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

In der aktuellen Ausstellung “AUGURI”, italienisch für “Herzlichen Glückwunsch“, bei Contemporary Fine Arts, geht es ausnahmsweise mal nicht um irgendwelche Promis, die Juergen Teller in Szene setzt, sondern allein um ihn, seine Frau und ihre Liebe. Sie sind die Starbesetzung in ihrem eigenen Film. In der Foto-Serie “We are building our future together”, auch die Worte auf den versandten Hochzeitseinladungen, tragen die beiden neonfarbene Warn- und Arbeitskleidung, Schutzhelme, teilweise Gummistiefel und posieren wild auf den Baustellen Neapels herum. Eine Stadt, die die beiden gerade wegen ihrer untypischen Schönheit und der warmherzigen Menschen schätzen. Mal auf Müllbergen liegend, mal mit Straßenschildern herumfuchtelnd, mal in angedeuteten obszönen Haltungen an öffentlichen Straßen – die Fotos visualisieren und transportieren auf unterhaltsame und witzige Weise die Beziehung zweier Menschen, die zusammen eine gute Zeit haben, mit einem Augenzwinkern durch das Leben gehen und sich selbst nicht zu ernst nehmen.

Frau und Mann sitzen in Neapel auf einer Baustelle direkt am Wasser aus zwei Stühlen, tragen Warnwesten und Schutzhelme und bunte Regenschirme als Sonnenschutz
© Juergen Teller, All Rights Reserved
Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Zwischendrin sind weitere Aufnahmen aus Italien und Schnappschüsse einer berauschenden Partynacht zu sehen. Oder eher Partynächte? Die Arbeiten erwecken nicht den Anschein, zwingend einem hohen ästhetischen und künstlerischen Anspruch gerecht werden zu müssen. Sie erzählen in erster Linie Geschichten und dokumentieren einen gewissen Zeitraum im Leben von Juergen Teller, der unglaublich viel Spaß gemacht haben muss. Man verfällt in eine stille, voyeuristische Position und hat das Gefühl, bei ganz intimen Momenten dabei sein zu dürfen. Ein leichtes Gefühl des Verbotenen begleitet die Betrachtung der meist kleinformatigen Fotos. Und irgendwie wünschte man doch, man wäre dabei gewesen bei dieser großen Party. Wenigstens auf einen Prosecco.

Ansicht eines Hotelzimmers und einem Bett, daneben zwei Nachtische mit Lampen und über dem Bild hängt ein großes Gemälde, fast alles im Bildausschnitt ist goldfarben
© Juergen Teller, All Rights Reserved
Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Wem die Ausstellung noch nicht genug ist, kann sich den gleichnamigen Bildband, das visuelle Tagebuch des Hochzeitsexzesses, zu Gemüte führen. Dort kann man unter anderen Schnappschüsse der Modeikone Vivienne Westwood und ihrem Mann Andreas Kronthaler oder die Performance-Künstlerinnen Anne Imhof mit Eliza Douglas, die allesamt zum exklusiven Kreis der Hochzeitsgäste gehörten, entdecken und sich den Ablauf des mitreißenden Festes anhand der Bilder zusammenreimen.

links: Hochzeitsfoto von Juergen Teller und Dovile Drizyte, rechts: ein Blumenstrauß auf einem schwangeren Bauch, weiße Kleidung
© Juergen Teller, All Rights Reserved
Courtesy Contemporary Fine Arts, Berlin

Heiraten hat heutzutage zugegeben etwas an Zauber verloren. Ehen werden haufenweise geschieden, Beziehungsmodelle verändern sich, Konventionen wollen aufgebrochen werden. Muss es noch die klassische Hochzeit im weißen Kleid sein? Nein. Soll die Liebe, wie auch immer sie aussehen mag, zelebriert werden? Unbedingt. Das Wichtigste ist doch, dass Menschen, die sich vielleicht nicht unbedingt gesucht, aber trotzdem gefunden haben, eine gute Zeit miteinander verbringen, Spaß haben und sich wohlfühlen. Wenn das Ganze mit einer Hochzeit in Neapel oder beim Standesamt um die Ecke bekrönt werden soll, warum nicht? Auch wenn wir keine Gäste der Hochzeit von Dovile Drizyte und Juergen Teller waren, so sind wir jetzt nachträglich eingeladen, im Ausstellungsraum einen Blick auf das Glück dieser zwei Menschen zu werfen. Und das bereitet einfach Freude.

WANN: Die Ausstellung “AUGURI” wurde bis zum 6. August verlängert.
WO: Contemporary Fine Arts, Grolmanstraße 32/33, 10623 Berlin.

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