Vier Wege in die erweiterte Realität
Augmented Reality im öffentlichen Raum

9. November 2021 • Text von

Die Kunst hat schon längst Räume fernab der Museen- und Galerienlandschaft für sich eingenommen. So auch bei den nachfolgenden Augmented-Reality-Projekten, die alle im öffentlichen Raum mithilfe generierter Apps stattfinden. Nancy Baker Cahill auf dem Tempelhofer Feld in Berlin, Tim Berresheims Radtour durch das Heinsberger Land, die AR Biennale in Düsseldorf und das in AR getauchte Frankfurter Bahnhofsviertel der Freitagsküche sind unsere aktuellen Tipps.

Eine AR-Animation eines abstrahierten Baumes, der sich verdreht, zusammenfällt und wieder zusammenwächst auf dem Tempelhofer Feld in Berlin
Nancy Baker Cahill, Legacy, 2021 © Nancy Baker Cahill.

Die Ausstellung “Legacy” von Nancy Baker Cahill, die von der Synthesis Gallery ausgerichtet wird, präsentiert auf dem Tempelhofer Feld eine übergroße, animierte und ortsspezifische AR-Zeichnung in 360°, die auf die aktuellen Bedrohungen durch die Gentrifizierung im Berliner Stadtraum und den Klimawandel hinweist. Die Arbeit zeigt einen abstrahierten Baum, der sich verdreht, auseinanderbricht und wieder zusammenwächst. Die Künstlerin verfolgt die Absicht, unnatürliche Entwicklungen jeglicher Art zu visualisieren und auf den Wandel, der mit ihnen einhergeht, aufmerksam zu machen. In diesem Kontext ist es ein wichtiger Nebenaspekt, dass das Kunstwerk in der erweiterten Realität stattfindet und somit keine physischen Spuren hinterlässt oder negative Auswirkungen auf den Ausstellungsort hat. Mehr über die Arbeit der Synthesis Gallery könnt ihr hier im Interview von Lynn erfahren.

WANN: Die Ausstellung “Legacy” ist bis zum 16. Dezember zu sehen. Voraussetzung für den Besuch ist der Download der App “4th Wall”.
WO: Tempelhofer Feld, 12101 Berlin.

Eine AR-Animation von Zitronen, Gewürzgurken, Äpfeln, Tarotkarten und Holzstücken im Heinsberger Land vor der Tüschenbroicher Mühle
“Tim Berresheims Bilderreise”, “Überblick mit Wegzehrung”, Station 13, © Studios New Amerika.

Wir alle müssen mal raus, um ein bisschen frische Luft zu schnappen und den Körper und Geist wieder etwas in Schwung zu bringen. Warum das Ganze nicht mit einer digitalen Bilderreise verbinden? Tim Berresheim, der sich selbst als Bildforscher bezeichnet, lädt zu einer Fahrradtour durch seine Heimat ins nordrhein-westfälische Heinsberger Land ein: insgesamt 14 Stationen, die er mit seinen computergenerierten Werken neu gedacht und auf andere Weise kennengelernt hat. Vor der Tüschenbroicher Mühle, Station 13 der Route, tauchen beispielsweise Zitronen, Gewürzgurken und Äpfel neben Tarotkarten und verschiedenen Holzstücken auf und fliegen durch die Landschaft. Mit seinen Arbeiten knüpft Tim Berresheim an die jeweilige Umgebung an und erweitert die dortigen Möglichkeiten spielerisch. Ihr wollt noch mehr zum Thema erfahren? Dann schaut unbedingt in die Review zur Radroute von Julia. Von Anna gibt es hier außerdem noch ein Interview aus der “DOUPLE TAP”-Reihe mit Tim Berresheim.

WANN: Tim Berrensheims Bilderreise ist eine permanente Radroute durch das Heinsberger Land und kann jederzeit abgefahren werden. Voraussetzung ist der Download der kostenlosen App “TB – Bilderreise AR”.
WO: Insgesamt 14 Stationen im Kreis Heinsberg.

Eine AR Animation im öffentlichen Raum in Düsseldorf, ein riesiger Wurm mit Brüsten, Armen, einer Schweinenase, Augen und einem Lächeln im Gesicht erstreckt sich über eine Bildhälfte, links und rechts daneben sind neonfarbene Palmen zu sehen, der Himmel ist blau
Theo Triantafyllidis, Genius Loci , Geist des Ortes, 2021.

Das NRW-Forum in Düsseldorf richtet derzeit die weltweit erste AR Biennale aus und bietet der noch jungen Kunstform eine große Präsentationsfläche. 35 digitale Skulpturen von insgesamt 19 internationalen Künstler*innen sind im Ehrenhof und Hofgarten des Hauses über das Smartphone oder Tablet zu entdecken. 13 Arbeiten sind kostenlos abrufbar, für die restlichen 22 wird eine einmalige Nutzungsgebühr von 4,99€ erhoben. Weitere AR-beiten entstehen parallel in Köln und Essen im Rahmen des Projekts urbana. Was kann man bei der AR Biennale in Düsseldorf sehen? Beispielsweise einen Kunstdiebstahl aus sicherer Entfernung, digitale Fantasiewesen jeglicher Art oder auch einen Feentanz. Unter anderem bei der Ausstellung mit dabei: Tim Berresheim, Sarah Rothberg, Manuel Rossner und Theo Triantafyllidis. Wer direkt zum Thema weiterlesen mag, kann bei Annas Text zu “Radical Gaming” vorbeischauen.

WANN: Die AR Biennale läuft bis zum 20. Februar 2022. Voraussetzung für den Besuch ist der Download der kostenlosen App “AR Biennale”.
WO:
Im Ehrenhof und Hofgarten des NRW-Forums Düsseldorf, Ehrenhof 2, 40479 Düsseldorf.

Ein AR-Animation im Frankfurter Bahnhofsviertel
Augmented Bahnhofsviertel, Maiken Laackmann, dead can dance, 2021 © freitagsküche.

Das Kunstprojekt “Augmented Bahnhofsviertel” wurde von der Freitagsküche initiiert und findet an verschiedenen Stationen im digitalen öffentlichen Raum im Frankfurter Bahnhofsviertel statt. Die eingeladenen Künstler*innen haben ihre Arbeiten speziell für die jeweiligen Orte entwickelt. Das Projekt geht Fragen der nicht-kommerziellen Möglichkeiten von AR nach. Maike Laackmann lässt beispielsweise eine Gruppe von Cyborg-Wesen auf einer rumpeligen Bühne gegenüber der Deutschen Bank bei der Taunusanlage improvisieren und tanzen. Eine Frage, die das gesamte Projekt begleitet, stammt von dem Kulturtheoretiker Mark Fisher und findet einen künstlerischen Ausdruck in einer Arbeit von der Freitagsküche selbst: “Capitalist Realism: Is There No Alternative?”. Die Freitagsküche ist ein Restaurant, aber irgendwie auch nicht, es ist vielmehr ein kultureller Treffpunkt für Freigeister aller Art und Ausstellungsort. Unter anderem mit dabei: Andreas Diefenbach, Tina Kohlmann, Maiken Laackmann und Götz Schramm. Zu der Real-Life-Kunst von Götz Schramm könnt ihr hier die Review von Julia nachlesen. Mit der Künstlerin Tina Kohlmann hat Teresa Anfang des Jahres ein Interview geführt.

WANN: “Augmented Bahnhofsviertel” ist bis Ende des Jahres an verschiedenen Stationen in und um das Frankfurter Bahnhofsviertel mit Mobilgeräten abzurufen. Es laufen derzeit Verhandlungen mit der Stadt, das Projekt zu verstetigen.
WO:
Bahnhofsviertel, 60329 Frankfurt.