Persönliche Einblicke und poetische Bilder Ars-Viva-Preisträger*innen 2025 im Haus der Kunst
30. Juni 2025 • Text von Julia Anna Wittmann
Vincent Scheers, Wisrah C. V. da R. Celestino und Helena Uambembe präsentieren im Haus der Kunst geliehene Vorhänge, kämpfende Hähne und gemalte Erinnerungen. Die drei Künstler*innen wurden mit dem diesjährigen Ars-Viva-Preis ausgezeichnet und zeigen in der gemeinsamen Ausstellung “ars viva 2025. Where will we land” überwiegend neue, speziell dafür entstandene Werke.

Im Treppenaufgang zu den Ausstellungsräumen scheinen die Grenzen der Physik überwunden: Ein Wirbel aus Zaunpfählen, Stacheldraht und Schmetterlingen schwebt zwischen zwei Stockwerken. Bunte, präparierte Schmetterlinge sitzen auf hölzernen Pfählen, von spitzem Draht umwickelt und wirken, als ob sie die Konstruktion in der Luft halten würden. Die Installation mit dem poetischen Titel “To those tremendously sensible, neither old nor young, who ate and slept and wept and played their cards in fair weather no more” wurde von Vincent Scheers eigens für die Ausstellung “ars viva 2025. Where will we land” im Haus der Kunst entwickelt. Die Arbeit wirft Fragen auf – tragen die Schmetterlinge die Holzpfähle empor, oder haben sie sich selbst zur Rast niedergelassen?

Jährlich vergibt der Kulturkreis der deutschen Wirtschaft im BDI e.V. den Ars-Viva-Preis an junge, in Deutschland lebende Künstler*innen, deren Werk sich durch eine eigenständige Formensprache und ein Bewusstsein für gegenwärtige Fragen zur Kulturgeschichte auszeichnet. Die diesjährigen Preisträger*innen Vincent Scheers, Wisrah C. V. da R. Celestino und Helena Uambembe geben in der gemeinsamen Ausstellung Einblicke in ihre individuelle Arbeit, die von Fragen der Vergänglichkeit, der eigenen Biografie und dem kollektiven Gedächtnis geprägt sind. Nach einer gemeinsamen Ausstellung in der Kunsthalle Bremen zeigen die drei Künstler*innen nun neue Werke im Haus der Kunst, die den Besucher*innen einen Einblick in ihre Arbeitsweise geben.

Wisrah C. V. da R. Celestinos Heimatstadt Buritizeiro, im brasilianischen Bundesstaat Minas Gerais gelegen, ist in München nachspürbar. In den Werken der Künstler*in sind zahlreiche direkte und indirekte biografische Verweise auf Celestinos Heimat zu finden. Für die Arbeit “One” wird der einzige lizenzierte Radiosender aus der Heimatstadt in einen separaten Raum übertragen. Rhythmische Musik erklingt leise in der restlichen Ausstellung.
Im Gegensatz dazu ist “Privacy” auf den ersten Blick nicht so eindeutig zu entschlüsseln. Mehrere bunte, zusammengefaltete Textilien wurden sorgsam auf einem weißen Sockel platziert. Die scheinbar eklektische Komposition ist eine Ansammlung von Vorhängen, die Celestino von Familienmitgliedern ausgeliehen hat und nun zusammen präsentiert. Der Künstler*in hinterfragt hierbei das Konzept von Eigentum und Leihgabe und verweist gleichzeitig auf die Erinnerungen, die dem Stoff innewohnen.

Auch Helena Uambembe beschäftigt sich in ihren Arbeiten aus einem biografischen Ansatz heraus mit kollektiven Erinnerungen sowie mit Geschichten von Vertreibung und Verlust. Von ihrer Familiengeschichte geprägt, verarbeitet die Künstlerin die Konflikte in Angola sowie zwischen Namibia und Südafrika in ihrer Kunst. In ihren großformatigen Gemälden kombiniert Uambembe die mächtigen, geschwungenen Hörner von Büffeln mit selbstbewussten Porträts Schwarzer Frauen, die die Betrachter*innen direkt anblicken. Neben Gemälden und kleinteiligen Skulpturen vermittelt Uambembe ihre Inhalte auch über körperliche Erfahrungen.
Gegenüber des Schriftzugs “But are you awake?” ist der Eingang zu einem Raum im Raum zu finden. Dort befindet sich die Soundinstallation “Fever dreams while wide awake”. Die Besucher*innen betreten einen dunkelgrün gepolsterten Raum. Aus vier Lautsprechern ertönen knackende, knisternde Laute, die individuelle Assoziationen zulassen – ein bedrohliches Feuer oder doch nur beruhigende ASMR-Geräusche? Klang überträgt Erinnerung ebenso wie visuelle Eindrücke und weckt verborgene Eindrücke tief in unseren Gedächtnissen.

Vincent Scheers’ skulpturale Assemblagen entziehen sich dem Gewohnten und spielen mit dem Vertrauten. Ähnlich zur Installation im Treppenaufgang verbindet Scheers in seiner Arbeit “Two cocks fighting over broken scooters” industriell gefertigte Objekte mit organischem Material. Ein hoch aufgetürmter Berg aus Erde und Motorrollern wird von zwei präparierten Hähnen gekrönt, die sich in einem statischen Kampf befinden: die Flügel weit ausgebreitet, die Krallen erhoben. Direkt daneben ein historisches Marmorornament, aufgespießt an einem überdimensionalen Haken. “Adding new crimes to old” lässt das korinthische Kapitell wie einen Fisch an der Leine hängen. Scheers’ installative Skulpturen irritieren, wirken spielerisch, provokant und poetisch zugleich.

Die Vergabe des Preises ist auch immer ein Ausblick auf das, was kommt. Ein Ein- und Ausblick auf die zeitgenössische Kunst, ihre Akteure und Arbeitsweisen. Mit Blick auf die diesjährigen Ars-Viva-Preisträger*innen lässt sich festhalten: Sie arbeiten konzeptuell, installativ und skulptural und kreieren persönliche, spielerische und poetische Bilder.
Vincent Scheers, Wisrah C. V. da R. Celestino und Helena Uambembe zeigen in ihrer gemeinsamen Ausstellung “ars viva 2025: Where will we land” individuelle Ansätze, um subjektive Erfahrungen in kollektive Erinnerungen zu verwandeln. Die Besucher*innen können die persönlichen Porträts von Uambembe betrachten, den Radiosender aus Celestinos brasilianischer Heimatstadt hören und sich über Scheers’ skulpturale Assemblagen wundern.
WANN: Die Ausstellung “ars viva 2025. Where will we land” läuft noch bis Sonntag, den 21. September.
WO: Haus der Kunst, Prinzregentenstraße 1, 80538 München.