Im Dazwischen zuhause
Anna Ley im GOLD+BETON in Köln

12. Juli 2022 • Text von

Grau ist die Ausstellung im GOLD+BETON am Kölner Ebertplatz. Grau wie die Stadt, um die es geht: Troisdorf. Der Heimatort der Künstlerin Anna Ley liegt irgendwo dazwischen. Zwischen Köln und Bonn, aber auch zwischen groß und klein, reich und arm. Ähnlich der Ausstellung, die zwischen subjektiven Erinnerungen und objektiven Wahrzeichen changiert. Wie fühlt sich Heimat in einer Stadt an, die nicht sowohl als auch, sondern weder noch ist?

Anna Ley, “Troisdorf”, installation view, GOLD+BETON, 2022, Foto: team intim.

Graue Hochhausetagen, die wie Brennpunkte Flammen schlagen. Nicht weit davon: Einfamilienhäuser mit weiß gestrichenen Fassaden. Müsste man die Bilder der Ausstellung “Troisdorf” im GOLD+BETON am Kölner Ebertplatz mit nur einer Farbe beschreiben, wäre es vermutlich grau, auch wenn manche der Bilder zuweilen eher bunt erscheinen. Es ist mehr ein Gefühl, das an die Farbe Grau denken lässt. Wenn die Bilder von Langeweile an Bushaltestellen, von schier endlosem Wartezustand erzählen. Warten worauf? An der Haltestelle findet sich kein Plan, keine Ankunfts- und Abfahrtszeiten. Kommt überhaupt einmal ein Bus? Und wenn ja, wo fährt er hin? Tatsächlich ist es der Schulbus der Linie 506 Richtung Troisdorf Bahnhof, welcher die Wartenden vor schwarzem Grund durch eine ebenso dunkle Schulzeit in eine ungewisse Zukunft bringt.

Anna Ley, “Troisdorf”, installation view, GOLD+BETON, 2022, Foto: team intim.

Es sind Bilder, die von Trostlosigkeit erzählen, vom Gefühl des Gefangenseins in immer gleichen Hochhaussiedlungen, aus denen den wenigsten der Ausbruch gelingt. Genauso aber berichten die Bilder von der scheinbar heilen Welt der Einfamilienhäuser, die in ihrer deutschen Spießbürgerlichkeit von der anderen Seite des Bürgersteigs wie “Höllenpforten” anzusehen sind. Und irgendwo zwischen dem Sehnsuchtsort des auf der Straße parkenden alten VWs, dem mittlerweile nicht mehr existenten Toyota-Parkplatz, bunt verlockenden Spielautomaten und “Toxy”, dem Hundesalon, lässt sich von Freiheit träumen. Ist Freiheit ans Verlassen des Heimatortes gebunden? Weil das Leben in Troisdorf eben nicht jenen Traum von Freiheit verspricht? Wenn Jugend doch sowieso schon Ausdruck des Dazwischenseins ist, findet sie in einer Stadt wie Troisdorf auch tatsächlich im Dazwischen statt.

Anna Ley, “Troisdorf”, installation view, GOLD+BETON, 2022, Foto: team intim.

Anna Leys Ausstellung über ihren Geburts- und Heimatort Troisdorf ist beides: Biopic der Stadt verwoben mit ganz persönlichen Erinnerungen. Solchen Erinnerungen, die immer dann aufblitzen, wenn man nicht damit rechnet: kurz vor dem Einschlafen, in nächtlicher Traumversunkenheit, in dumpf gefühlter Alltäglichkeit. Es sind tief im Innern verwurzelte Bilder, die sich unbewusst aus dem Dunkel lösen, um sich als gleichsam wärmende wie erstickende Hülle unbemerkt um ihr Objekt der Begierde zu legen.

Die Kindheit und Jugend scheinen im Rückblick von überproportional langer Dauer zu sein, eine unwirklich lang empfundene Zeit, die als Schulstunde ewig anhielt und in Form der Sommerferien der Spanne eines ganzen Jahres glich. Es sind diese elementaren Erinnerungen, auf denen alles andere basiert, innerhalb derer sich ein Verständnis von selbst und von Welt entwickelt hat, all die Emotionen zum ersten Mal empfunden wurden und sich so groß und alles umfassend anfühlten wie nichts danach. Diese Bilder sind es, die Ley aus sich hervorholt, in der sich die Heimat objektiv wie subjektiv erfassen lässt.

Anna Ley, “Troisdorf”, installation view, GOLD+BETON, 2022, Foto: team intim.

Was macht Troisdorf aus? Troisdorf liegt irgendwo dazwischen. Ganz physisch zwischen Köln und Bonn, aber auch zwischen klein und groß, arm und reich. Als größte Stadt des Rhein-Sieg-Kreises ist ihr wie so vielen anderen Städten massiver Leerstand nicht fremd, kämpft sie gegen eine Verödung der Innenstadt an. In Städten wie Troisdorf zeigt sich die zunehmend klaffende Schere zwischen arm und reich am deutlichsten. Kinder- und Altersarmut, all die Themen, die seit Jahren schon Debatten auslösen, werden in eben solchen Städten wie unter dem Brennglas verdichtet sichtbar. Wer etwas verändern möchte, verliert sich zumeist im Bürokratiesumpf, ist “stets bemüht” zwischen Aktenordnern und resigniert. So wandert die Jugend ab, was noch tiefer in die Spirale der Verödung führt.

Anna Ley, “Troisdorf”, installation view, GOLD+BETON, 2022, Foto: team intim.

So wie die Stadt irgendwo dazwischen verortet ist, machen Leys Arbeiten Zwischenräume auf. Sie lassen nicht nur ins Innerste der Stadt blicken, sondern auch ins Innerste der Künstlerin. An einer der Wände hängt ein vergilbter Zeitungsausschnitt, der in Schwarz und Weiß ihr Elternhaus zeigt. Von dort aus zog sie in die Welt, um Kunst zu machen. Troisdorf – eine Stadt, in der doch vieles möglich ist, die nicht immer grau erscheint, auch bunte Seiten hat.

WANN: Die Ausstellung “Troisdorf” von Anna Ley läuft noch bis Sonntag, den 7. August.
WOGOLD+BETON, Ebertplatzpassagen, Köln.

Wenn ihr mehr über Anna Ley erfahren wollt, findet ihr hier ein Interview der Künstlerin mit Anna Meinecke.

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