Fatale Menschheit
Andreas Chwatals „Homme Fatal“

28. Mai 2020 • Text von

Natur, Religion und Kunst. Unter dem Titel „Homme Fatal“ zeigt Andreas Chwatal in der Galerie Jo Van De Loo neue Zeichnungen und Bilder, die sich den ganz großen Fragen nähern. Die nur auf den ersten Blick nostalgisch wirkende Perspektive des Künstlers lenkt den Fokus auf hochaktuelle Fragen nach Verantwortung, Nachhaltigkeit und Anmaßung. Der Künstler erläuterte uns seine mehrbödige Herangehensweise.

Andreas Chwatal: The two faces of J J Rousseau, 2019, Galerie Jo Van De Loo.

gallerytalk.net: Was eine „Femme Fatal“ ist, können wir uns vorstellen. Aber was macht einen „Homme Fatal“ aus?
Andreas Chwatal: Der Titel der Ausstellung ist die Neubesetzung eines Begriffs. „Homme Fatal“ bezieht sich natürlich auf die bekannte „Femme Fatal“. Die Ausstellung widmet sich den Themenkomplexen Macht und Natur. Und dem Verhältnis des Menschen zur Natur, im Sinne eines Machtspiels. Der Titel referiert dabei weniger auf den einzelnen „fatalen Mann“, sondern auf die gesamte Menschheit. Die fatale Menschheit und ihre Machtbeziehung zur Natur.

Was in der Ausstellung in der Galerie Jo Van De Loo auffällt, sind die Zeichnungen von Schlössern und Landschaften. Wie illustriert diese Architektur unser Verhältnis zur Natur?
Viele der gezeigten Bilder beziehen sich auf den Feudalismus, auf die Zeit des Absolutismus. Als man Schlösser errichtet hat und sich Land einfach genommen hat. Mir geht es um das ausgreifende Verhältnis des Menschen zum Land, eine aggressive Landnahme. Dieses ungesunde Selbstverständnis fußt ja letztlich im biblischen Auftrag: Macht Euch die Erde untertan! Das führt bis in die heutige Zeit zu Problemen. Wir sind als Gesellschaft immer noch nicht von diesem Auftrag abgerückt. Natürlich haben wir, im Vergleich, soziale Fortschritte gemacht, aber nicht in unserem Verhältnis zur Umwelt. Wir haben immer noch ein absolutistisches Verhältnis zur Umwelt.

Andreas Chwatal: 2020, 2019, Galerie Jo Van De Loo.

Im Zuge der Aufklärung wollte der Mensch die Natur verstehen, aber auch kontrollieren. Ein Produkt dieser Zeit sind die französischen Gärten, in denen die Natur mit dem Lineal in eine Ordnung gezwängt wird. Ist diese Motivation immer noch präsent?
Das wirkt bis heute nach. Eigentlich haben wir erst seit Mitte des letzten Jahrhunderts damit angefangen, die urbanistische, absolutistische Gartenstruktur, die wir der Natur aufgezwungen haben, zu hinterfragen. Unser Verhältnis zur Natur sollten wir eher wie eine Partnerschaft verstehen. Aber das kommt nur langsam in den Köpfen an. Das ist das Problem, das ich zeigen will. Ich präsentiere das in Form einer Analyse der Gegenwart. Meine Bilder scheinen ja auf den ersten Blick wie nostalgische Abbildungen, irgendwie romantisch. Aber mir ist der Bezug zur Moderne sehr wichtig. Wenn man genau hinsieht, erkennt man die Traktoren und den Plastikmüll.

Ausstellungsansicht: Andreas Chwatal: Homme Fatal in der Galerie Jo Van De Loo, München.

Deine Motive sind zwar keine klassischen Landschaftsmalereien, aber doch eher im ländlichen Raum verortet.
Man muss ins Regionale sehen, um die Verhältnisse in der Welt beurteilen zu können. Dort spielen sich auch wichtige Dinge ab. Man kann nicht Neues konzipieren und verordnen, wenn diese Entscheidungen nicht vor Ort umgesetzt werden. Daher ist der Blick auf diese Details von entscheidender Bedeutung. Dort erkennt man, dass sich im Grunde seit dem 18. Jahrhundert nicht viel verändert hat.

Andreas Chwatal: Selfie in Nymphenburg, Galerie Jo Van De Loo.

Wie sehr beeinflusst dich dieser regionale Hintergrund?
Ich bin im Herzen Franzose, aber ich komme schon aus Bayern. Daher interessiert es mich ja auch, mich mit diesen Dingen zu beschäftigen. Auch München ist speziell. Hier gibt es eine Tradition des Ornamentalen. Über die Jahrhunderte bis in die ganz aktuelle Gegenwart. Das hat auch Auswirkungen auf die Künstler, die hier leben. Man sieht das auch an der Akademie: Die Künstler beschäftigen sich eben mit dem, was sie umgibt.

Auch sehr präsent in der Ausstellung sind Anspielungen auf religiöse Themen.
Die Probleme, die ich anspreche, leiten sich natürlich auch von der katholischen Kirche ab, ihrem Verständnis von Macht. Da geht es auch ganz konkret um die Missbrauchsfälle. Das ist im Grunde eine ähnliche Machtfrage wie beim Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Hier muss umgedacht werden, Hierarchien müssen aufgelöst werden. Es sollte um Austausch auf Augenhöhe gehen zwischen den Menschen. Das ist wesentlich. Ich komme aus einer eher traditionellen Region, Niederbayern bzw. Oberpfalz, dort sind gewisse Strukturen noch sehr präsent. Das ist dort Teil der Realität. Ich kann darüber hinwegdenken, aber ich muss es betrachten. Als Künstler Zeitzeugenschaft üben. Das fatale ist, dass die Kirche nicht macht, was eigentlich ihr Auftrag ist. Aber es gibt Fortschritt. Papst Franziskus hat in seiner Umwelt-Enzyklika angemahnt, den biblischen Auftrag, sich die Erde untertan zu machen, heute anders zu lesen. Aber es ist leider eine Frage der Zeit, bis solche Veränderungen Effekte haben.

Andreas Chwatal: Galanta, 2020, Galerie Jo Van De Loo.

Was hat es mit den mythischen Fabelwesen auf sich, die als Motiv in deinen Arbeiten auftauchen?
Auf einer Zeichnung kann man einen Wolf sehen, der auf einem E-Piano spielt. Er ist ein Tier aber gleichzeitig auch ein Künstler, ein Musiker. Das zeigt allegorisch eine Symbiose, die wir anstreben sollten. Zwischen Kultur und Natur. Man kann auch als böser Wolf Kultur schaffen. Ist der Wolf nicht überhaupt ein Künstler, wie vielleicht jedes Tier? Jeder der sich auf einen Berg stellt und jault, sagt: Ich bin hier, nimm mich wahr! Wieso sollten wir ihn nicht als Künstler anerkennen. Vielleicht ist der Wolf auch intelligenter als wir, er schafft kein Problem zwischen der Natur und sich selbst.

WANN: Zu sehen ab Donnertag, den 28. Mai, bis zum 25. Juli 2020.
WO: Galerie Jo Van De Loo, Theresienstraße 48, 80333 München.

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