Leder und Knochen
Alexandra Bircken im Museum Brandhorst

15. August 2021 • Text von

Maschinen und Körper, Häutungen, Fruchtbarkeit und Gewalt. Die Bildhauerin Alexandra Bircken experimentiert in ihrer künstlerischen Arbeit mit unterschiedlichsten Materialien und lotet dabei die Parameter von Körper, Maschine und Skulptur aus. Das Museum Brandhorst richtet ihr nun unter dem Titel “A-Z” die bislang größte Einzelausstellung aus.

Alexandra Bircken: RSV 4, 2020, Foto: Roman März, Berlin, Courtesy die Künstlerin, BQ, Berlin und Herald St, London.

Ein Motorrad, das mit offenbar sehr präzisen Maschinen fein in der Mitte durchtrennt wurde, in Bronze gegossene Boxhandschuhe oder großformatige Arbeiten aus weichen Textilien. Das bildhauerische Werk von Alexandra Bircken umfasst eine ungewöhnliche Bandbreite an Materialien, Formen, Techniken und Themen. Die Überblicksausstellung „A-Z“ im Museum Brandhorst ist die bisher größte Retrospektive der Künstlerin und versucht ihr gesamtes skulpturales Repertoire zu präsentieren. Im Untergeschoss der Institution sind daher Arbeiten aus allen Schaffensphasen vereint, von sehr frühen Werken bis zu Installationen, die eigens für die Räume des Museums konzipiert und umgesetzt wurden.

Alexandra Bircken: A–Z, Ausstellungsansicht im Museum Brandhorst, Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Wolle, Äste, Strumpfhosen, Auto- und Motorradteile, Lederanzüge und andere gefundene Objekte – Alexandra Bircken nutzt gewöhnliche Gegenstände und transformiert diese zu dynamischen Assemblagen. Durch ihre präzisen Eingriffe beraubt sie die Objekte ihres ursprünglichen Nutzwertes und schafft Skulpturen die unerwartet sind, suggestiv, spielerisch, bisweilen befremdlich und durchaus frivol. Durch geschickte Kombinationen verändert sie Zuschreibungen und Kontexte, aus unterschiedlichen Objekten werden komplexe Gebilde, wobei ihr Ansatz ein komplett analoger ist. Zentraler Bezugspunkt ihrer skulpturalen Strategie ist der menschliche Körper im Allgemeinen, und der weibliche Körper im Speziellen. Sie reflektiert dabei Konzepte wie Verletzlichkeit und Schutz, Weichheit und Härte, ihre skulpturalen Corpi sind dabei immer mehrschichtig und haben eine eigene haptische Komponente.

Alexandra Bircken: Storm, 2013, Privatsammlung © Alexandra Bircken. Foto: Roman März, Berlin, Courtesy BQ, Berlin und Herald St, London.

Zunächst studierte Alexandra Bircken Modedesign am Central St. Martins College of Art and Design in London, wo sie nach ihrem Abschluss auch als Designerin arbeitete. Erst seit 2004 präsentiert sie freie Arbeiten im Kontext der Kunst. Der menschliche Körper als Bezugspunkt, Textilien, Kleidung und Stoffobjekte im weitesten Sinnen bleiben aber wichtige Referenzpunkte in ihrer Arbeit. Begrüßt wird man im Erdgeschoss des Museum Brandhorst von einer Arbeit mit dem Titel „Snoopy“. Ein schwerer Motorradanzug aus Leder ist dort an die Wand montiert, manche Nähte sind aufgetrennt, so dass die ursprüngliche Form nur mehr zu erahnen ist. Das Kleidungsstück, das eigentlich den Fahrer eines Motorrads vor Verletzungen schützen soll, gleicht dem abgezogenen Fell eines Bärs, das der Jäger als Trophäe an seine Wand hängt.

Alexandra Bircken: A–Z, Ausstellungsansicht im Museum Brandhorst, © Alexandra Bircken. Foto: Haydar Koyupinar, Bayerische Staatsgemäldesammlungen, Museum Brandhorst, München.

Wie Trophäen ganz anderer Art wirken die Überzüge von Autoschaltknüppeln, die die Künstlerin schlaff von der Wand hängen lässt. Betitelt sind diese weichen Phalli lakonisch mit Männernamen. Dass Alexandra Bircken unter dem Titel „Origin of the world” auch die Plazenta aus der Schwangerschaft mit ihrer Tochter ausstellt, rundet das Bild ab. Alexandra Bircken untersucht in ihrer Arbeit unterschiedlichste Ebenen der Körpererfahrung, oft sehr persönlich, brutal und schonungslos. Ihre Skulpturen wirken direkt und unmittelbar, sie sind mitunter drastisch. So hat sie in einem Raum die Holzgitter über der Bodenbelüftung des Museums durch echte Hühnerknochen ersetzt. Mag diese Arbeit auch nicht sonderlich subtil sein, effektiv ist sie auf jeden Fall.

Alexandra Bircken: Warrior, 2020 Bronze 2 Teile, Udo und Anette Brandhorst Sammlung, © Alexandra Bircken. Foto: Andy Keate, Courtesy die Künstlerin, BQ, Berlin und Herald St, London.

Die Ausstellung „A-Z“ wird auch von einer umfassenden Publikation begleitet. Neben einem großen Bildessay beleuchten sechs Aufsätze international renommierter Autor*innen das Werk der Künstlerin aus unterschiedlichen Perspektiven.

WANN: Noch zu sehen bis zum 16. Januar 2022
WO: Museum Brandhorst, Theresienstraße 35a, 80333 München.

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