Ausstellung und Aftershows
Gruppenausstellung bei Aka Studios

5. Mai 2025 • Text von

In den ehemaligen Hallen des Kraftwerks Bille wird die Ausstellung “candy-colored clown they call the sandman” zur Dokumentation sozialer Beziehungen. Als Teil eines erweiterten Rahmens hosten Aka Studios dort Konzerte, Performances und ein Dinner und bieten sich als Projektionsfläche künstlerischer, sozialer und emotionaler Erfahrungen an.

Karoline Franka Foldager, Untitled, 2025. Installationsansicht, candy colored clown they call the sandman, Aka Studios, Hamburg, 2025.

Im Industriegebiet Hammerbrook, zwischen Wohnwagenpark, Speditionen und TÜV-Zentrum liegt das ehemalige Kraftwerk Bille. Während sich im vorderen Gebäudeteil heute Studios befinden, stehen die riesigen Hallen mit ihrer verblassten Beschriftung über dem Tor größtenteils leer. Bereits zum zweiten Mal wird der Ort von Aka Studios temporär als Ausstellungs- und Veranstaltungsfläche aktiviert. Diesmal nicht im Erdgeschoss, sondern in den Galerieräumen des ersten Obergeschosses.

Gezeigt werden Arbeiten von Alex Heard, Karoline Franka Foldager, Marie Gjedde, Sasha Atamas, Marie Pietsch und Mie Rygh Reianes. Viele der gezeigten Werke sind nicht mitgebracht, sondern Teil eines geteilten Entstehungsmoments vor Ort, im Austausch mit dem Raum und miteinander – die Ausstellung weniger kuratorisch bespielt, als intuitiv bewohnt. “That’s the way I work: I try to imagine what I would like to see”, sagt Regisseurin Sofia Coppola. Die Arbeitsweise von Aka Studios scheint davon inspiriert. Die Praxis des Kollektivs speist sich aus Performance, Film, Magazinkultur, Parties und Freundschaften.

Marie Pietsch, Nachtschatten, 2020, Size variable, Aluminium, steel, polyurethane, Installationsansicht, candy colored clown they call the sandman, Aka Studios, Hamburg, 2025.

Ganz am Anfang von “candy-colored clown they call the sandman” stehen Marie Pietschs wegweisende Pfeile. Ihre Aluminium- und Stahlskulpturgruppe “Nachtschatten” gräbt sich in die Rillen der von Feuchtigkeit aufgeplatzten Bodenplatten. Die Halle, einst Standort des Dampfkessels eines Elektrizitätswerks und ab den 1970er Jahren als Waschsalon genutzt, trägt sichtliche Spuren seiner Nutzung. Wasserflecken an der Decke, moosgrüne Ablagerungen in den Fugen, zersprungene verglaste Trennwände, einige der Oberlichter sind mit Plastikplanen abgedeckt. Die Spuren werden allerdings nicht verdeckt, sondern bieten die Grundlage der Inszenierung des Raums. 

“To be all over the place” steht im Ausstellungstext von Rita Barbro Wilcke. Äquivalent dazu ziehen sich Karoline Franka Foldagers Skulpturen wie ein durchgängiger Gedanke durch das Obergeschoss. Foldager spricht im Kontext der Werkserie von einem “narrative Trace”: Ihre Miniaturen, Glasobjekte und Bronzefiguren wirken wie zufällig platziert, sind aber das Ergebnis einer intuitiven, fast sammelnden Geste. Erinnerungen, so Foldager, haften im Material. Dies wird einerseits formal sichtbar – es sind Kästen, Boxen, Objekte, die etwas “fassen” können, oder kleine Ansammlungen an Muscheln, die an mitgenommene Souvenirs erinnern – andererseits auch im Entstehungsprozess. Viele ihrer Objekte begannen in Lissabon, wo die Künstlerin gerade ein Programm absolviert und wurden von ihr in Hamburg weitergeführt. 

Karoline Franka Foldager, Untitled, 2025, Installationsansicht, candy colored clown they call the sandman, Aka Studios, Hamburg, 2025. // Mie Rygh Reianes, Phantom (no.2/4), 2024, 250 x 50 x 70 cm, garments, metal, plaster, varnish, papermaché, tape and readymades, Installationsansicht, candy colored clown they call the sandman, Aka Studios, Hamburg, 2025.

Mie Rygh Reianes’ gesichtslose Skulpturen bewohnen die Räume mit einer abwesenden Präsenz. Die Figuren aus Textilien, Gips und Klebeband stehen, sitzen und lehnen oft in Rückzugsgesten. Während eine rücklings auf einem Sessel platziert ist, die Beine nach oben, steht eine andere mit dem Gesicht zur Wand, mit den Händen das Gesicht abschirmend. Die Podeste und Möbel, auf denen sie ruhen, sind Bühnen und Rückzugsorte zugleich.

Der britische Künstler Alex Heard arbeitet mit gefundenem Material und Sprache. Seine Arbeiten zitieren popkulturelle und kunsttheoretische Referenzen, spekulieren über Formen der Repräsentation und verhandeln das Verhältnis von Künstler*innensubjekt und Kunstbetrieb, das er als soziale Choreografie inszeniert. Entsprechend inszeniert Heard seine Skulpturen oft in bühnenhaften Situationen. Seine Arbeit “Mambo” besteht aus zwei holografisch glänzenden Schultüten, die der Künstler im örtlichen Bastelbedarf fand. Platziert auf einer seitlich liegenden Heizung in einem separaten Raum, lässt sich die Skulptur nur mit Abstand durch eine Glaswand betrachten.

Alex Heard, Mambo, Dimensions variable, Schultüten, tape, Installationsansicht, candy colored clown they call the sandman, Aka Studios, Hamburg, 2025.

Seine Praxis changiert zwischen Überhöhung und Verweigerung, woran auch eine seiner Malereien knüpft: Mit der Aufschrift “Tell them I said no but kind of yes” bezieht sich Heard auf die Publikation “Tell Them I Said No” des Autors Martin Herbert und spekuliert über Strategien des Rückzugs und der performative Ablehnung, wie auch der gleichzeitigen Teilhabe. 

“candy-colored clown they call the sandman“ ist vor allem die Dokumentation eines sozialen Prozesses: Mit Kunst als Mittel versammeln Aka Studios Feiern, Essen, Ausstellungen und Konzerte. Durch das kontinuierliche Neu-Zusammenkommen und den Aufbau eines wachsenden Netzwerks wird Gemeinschaft immer wieder neu bestätigt – so folgen auf jede Ausstellungseröffnung Konzerte oder Musikperformances. Das Kollektiv lädt zwar ein und kuratiert, zählt sich im Moment des Feierns jedoch selbst zur Menge. So entsteht ein Format, das an die französische Salonkultur erinnert – in der Kunst der Anlass für Begegnung war.

WANN: Die Ausstellung “candy-colored clown they call the sandman“ läuft noch bis Sonntag, den 11. Mai. 
WO: Aka Studios, Michelsenweg 2, 20537 Hamburg.

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