Abstract Loop
Gymnastik des Blickes

17. Februar 2016 • Text von

Lasst Euch führen durch eine Welt der optischen Täuschungen, spürt die sanften Bewegungen der frei im Raum schwebenden Mobiles und strahlt mit den poppigen, schrillen Farbbildern um die Wette.
Text: Lisa Leutner

Vier österreichische Künstler der Nachkriegszeit Marc Adrian, Richard Kriesche, Helga Philipp und Gerwald Rockenschaub stehen im Zentrum der derzeitigen Ausstellung des 21er Hauses, das mit seiner Architektur von 1958 eine authentisch Zeitreise erlaubt. Wir fühlen uns in die bereits im Jahr 1967 stattgefundene, bahnbrechende Ausstellung „Kinetika“ hineingestoßen, aber bleibt es bei diesem Rückblick? Worum ging es dieser Künstlergruppe? Allen gemeinsam ist die intensive Beschäftigung mit Wahrnehmungspsychologie. Wir als Betrachter und unsere Art der Wahrnehmung des Kunstwerkes werden thematisiert, der Künstler als kreatives Individuum verlässt die Bühne. Die Kunstwerke sind endpersonalisierte, teilweise unsignierte Objekte, manchmal sogar am Computer designt und fremdgefertigt. Alle Vier waren Pioniere der Medienkunst und so spannen wir den Bogen ins Heute und „loopen“ uns in die Welt der digitalen Moderne.

Gerald Lockenschaub, Farbfolie auf Alucore, Aluminiumrahmen, 1999. Sammlung Geyer, Wien, Foto: Copyright: Belvedere, Wien.

Gerald Lockenschaub, Farbfolie auf Alucore, Aluminiumrahmen, 1999. Sammlung Geyer, Wien, Foto: Copyright: Belvedere, Wien.

Wer sind nun die Protagonisten dieser gesellschaftlichen Neuerung? Marc Adrian, den wir als Vater der österreichischen Medienkunst bezeichnen können, hat sich primär mit dem Thema Bewegung auseinandergesetzt: Sei es durch optische Illusionen in seinen Hinterglasmontagen, sei es durch Luftbewegung in seinen fragilen Mobiles, sei es durch kurze Filmsequenzen. Immer geht es darum Bewegung im Bild bzw. Objekt darzustellen.

In seiner Hinterglasmontage Regen/Labil verwandelt sich je nach Betrachterstandort das Wort Regen in Labil und integriert damit spielerisch ein filmisches Moment im Kunstwerk.

Marc Adrian, Sprungperspektive, 1953. Privatsammlung, Foto: Copyright: Cornelia Cabuk/ Copyright: Bildrecht, Wien, 2016.

Marc Adrian, Sprungperspektive, 1953. Privatsammlung, Foto: Copyright: Cornelia Cabuk/ Copyright: Bildrecht, Wien, 2016.

Helga Philipp gelingt es die Grenze zwischen Bild und Skulptur aufzubrechen, indem sie über optische Täuschungseffekte in ihren Bildern Räumlichkeit erzeugt. Die Bilder scheinen quasi den Rahmen zu sprengen und in den Raum hineinzuwachsen. In ihrem Werk kinetisches Objekt liefert ein Schachbrettmuster die perfekte Illusion einer Wölbung. Philipp zählt mit zu den wichtigsten Vertreterinnen der Optical Art. Statt Pinsel und Leinwand verwendet auch sie durchgehend Materialien wie Klebefolien, Acrylglas oder Spiegeln, nichts also wo eine persönliche Handschrift zu erkennen ist.

Kriesches Kampf gegen Establishment und den etablierten Kunstmarkt ist heute aktueller den je. Dieser Kampf für die Freiheit der Kunst führte zur Gründung der ersten Mediengalerie „Poolerie“. Mehr als alle anderen stellt er die Frage nach der Wahrnehmung in der klassischen Kunst.

In der Arbeit datendwerk:mensch aus dem Jahr 2001 entschlüsselt Kriesche ein eigenes Gen und überträgt diesen Code in ein visuelles Farbmuster. Wie kann sich uns in einem abstrakten Gemälde ein genetischer Code entschlüsseln?

Dadamaino, Oggetto ottico dinamico, 1961, Coypright: Privatsammlung, Bad Homburg, Foto: Copyright: Axel Schneider, Frankfurt.

Dadamaino, Oggetto ottico dinamico, 1961, Coypright: Privatsammlung, Bad Homburg, Foto: Copyright: Axel Schneider, Frankfurt.

Rockenschaub als jüngstes Mitglied des Quartetts ordnet sich mit seiner Ästhetik der Geometrie den Konzepten der abstrakten Kunst ein, treibt sie aber indem er die Entwürfe am Computer realisiert und die Ausführung Spezialfirmen überlässt an einen kritischen Endpunkt. „What you see is what you see“ meint Rockenschaub zu seinen eigenen Werken. Also verlier dich in den 1999 entstandenen Bildwerken mit dem Titel Farbfolie auf Alucore und gib dich dem Farbrausch hin.

Wenn du jeden Morgen mit Ideen für einen fantasievollen Roman aufstehst, bist du in dieser Ausstellung goldrichtig, sonst bleibt es bei einer Gymnastik für die Augen.

WANN: Zu sehen bis 29.Mai 2016
WO: 21er Haus, Arsenalstrasse 1, 1030 Wien

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