Absente Körper
Application Operations bei Barbara Gross

18. Juli 2017 • Text von

Rituale, Körper, Uniformen und Projektionen. Die Galerie Barbara Gross zeigt, zum ersten Mal in einer gemeinsamen Ausstellung, Arbeiten der in Hamburg lebenden Ruth May und Alice Peragine. Kuratiert wurde die intime Zusammenstellung von der Künstlerin und Musikerin Michaela Melián.

Alice Peragine: Flexi Protection, 2016, Ross 1 (Suspended), 2016, beide aus der Installation Soft Core Audio/Visual Room, Ausstellungsansicht Application Operations, Barbara Gross Galerie, 2017, Photo: Zeynep Oktay, Copyright: Alice Peragine und Barbara Gross Galerie.

Empfangen wird man in der Galerie Barbara Gross von einem Objekt das angesichts der Diskussionen um die G20-Krawalle in Hamburg eine durchaus aktuelle Qualität hat. An die Wand ist ein stilisierter Polizeihelm montiert, das Visier verspiegelt, das Plastik in beigem Inkarnat lackiert. Direkt darunter baumelt eine Hundeleine. Öffentlicher Raum und privater, institutionalisierte und fetischierte Machtverhältnisse und die Auswirkungen von Gewalt auf den Körper sind zentrale Themen von Alice Peragine, die an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg studiert hat. In ihren Videos, Performances und Installationen stellt sie den menschlichen Körper und dessen Bewegungen im Raum ins Zentrum. Zur Eröffnung inszenierte sie eine Performance, die in der Galerie stattfand. In den Räumen sind nun die Objekte, die von den Protagonisten getragen wurden, raumgreifend installiert. Rucksäcke und Corsagen, die an groben Fleischerhaken von der Decke hängen und in ihren Volumen einen direkten Bezug zu den Körpern der Performer schaffen. Auch wenn sie leblos an Wänden und von den Decken hängen, performen sie doch auch selbst: Jedem Objekt ist ein Funkgerät beigestellt, das drahtlos mit einem Sender verbunden ist, der wiederum an eine Dia-Installation angeschlossen ist. Projiziert werden sukzessive High-Speed-Aufnahmen einer Patrone, die einen Körper perforiert. Zu jedem Dia-Wechsel schallt ein Geräusch durch die Galerie. Brutal und poetisch zugleich.

Alice Peragine: Closed Circuit (Decelerated), 2016, Aus der Installation Soft Core Audio/Visual Room, Photo: Wilfried Petzi, Copyright: Barbara Gross Galerie.

Um Körper, deren Inszenierung und Verhüllung geht es auch in Ruth Mays Arbeit. Sie verbindet in ihrer künstlerischen Praxis Bildelemente aus unterschiedlichen Kontexten zu neuen Bildträgern. In einem mehrstufigen Arbeitsprozess werden diverse Elemente neu vermengt. Zeichnungen, die zuerst als Tusche- oder Aquarellblätter vorliegen,werden wiederholt gescannt, am Computer bearbeitet, auf unterschiedliche stoffliche Untergründe gedruckt, neu überarbeitet und neu kombiniert. Oft sind die Ausgangspunkte ihrer Arbeit die klassische Figurendarstellungen in der Malerei, Körper die inszeniert wurden und als Projektionsflächen dienen sollten. Doch in Mays Arbeiten tauchen diese Körper nur in verhüllter Form auf. Oberflächen, die Volumen suggerieren, verweisen auf das nicht sichtbare Innere der Protagonisten. In Mays arbeiten ergänzen sich formale und inhaltliche Aspekte. Faltenwürfe von Stoff erinnern an Haut, Nähte an Narben und das Gewebe selbst wird zum Bildträger. Ihre großformatige Textilarbeit “Alles mit Allem” dominiert den Galerieraum.

Ruth May, Alice Peragine, Installationsansicht Application Operations, Barbara Gross Galerie, 2017, Photo: Wilfried Petzi. Copyright: Barbara Gross Galerie.

Körper, deren Präsenz und Absenz, verbinden die von Ruth May und Alice Peragine gezeigten Arbeiten. Beide eint ein Interesse an Kostümen, Stofflichkeit, ritualisierten Abläufen und der Ausübung von Macht. In den Räumen in der Theresienstraße ergänzen sich die gezeigten Arbeiten zu einer gemeinschaftlichen Reflektion von Volumen, Körperlichkeit und Material. Eine Auseinandersetzung, die über die künstlerischen Disziplinen hinaus geht.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 19. August 2017 in der Galerie zu sehen.
WO: Barbara Gross Galerie, Theresienstrasse 56, Hof 1, 80333 München.

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