Abseits des Gallery Weekend 2025 12 Tipps für Kunst-Ausstellungen in Berlin
30. April 2025 • Text von Anna Meinecke
Ist Gallery Weekend, ist natürlich nicht nur Gallery Weekend. Überall in Berlin eröffnen dieser Tage exzellente Ausstellungen, die unbedingt angesteuert werden wollen. Welche Shows ihr auf keinen Fall verpassen solltet? Wir haben den Überblick in Form von 12 Tipps.

zqm: Catharina Szonn
Wie hoch muss man steigen, um den Absturz zu spüren? In dieser Frage kulminiert die Ausstellung “The End Is High” von Catharina Szonn im Projektraum zqm. In einer Installation aus Objets trouvés, Video, LEDs und Folie begegnen Besucher:innen einer gesichtslosen Roboterfrau auf Raumsondenbett, Herzbärchen oder einer Bäckerei-Rührmaschine im Regen. Sie werden Teil einer grotesken Szenerie zwischen Ekstase und Horrortrip.
WANN: Die Ausstellung “The End Is High” von Catharina Szonn eröffnet am Freitag, den 2. Mai, um 18 Uhr.
WO: zqm, Petersburger Straße 73, 10249 Berlin.

Number 1 Main Road: Shuang Li
Morsecode müsste man können. Dann nämlich ließe sich ganz vorzüglich dem Gespräch folgen, das Shuang Li bei Number 1 Main Road mithilfe von LED-Lichtern in Signalzeichen übersetzt. Unkundigen bleibt das Gefühl einer Konversation und genau so ist es vermutlich auch beabsichtigt. Im Hauptausstellungsraum brechen die Lichtstrahlen durch Nebel, aktivieren skulpturale Objekte und verleihen verbaler Kommunikation so eine physische Präsenz. Im Turm des Off-Spaces kontrastiert Li die sensorische Erfahrung verbaler Interaktion mit einem Monolog.
WANN: Die Ausstellung “No Heat” von Shuang Li eröffnet am Mittwoch, den 30. April, um 17 Uhr. Sie läuft bis zum 1. Juni.
WO: Number 1 Main Road, Ossastraße 21a, 12045 Berlin.

Anton Janizewski: Rebekka Benzenberg
Das Bett – das heilige Refugium, das elende Krankenlager. Hier wird gelesen und geliebt, es werden Candies gecrusht und Textilien in Angstschweiß getränkt. Rebekka Benzenberg legt mit ihrer Ausstellung “Dream Baby Dream” in der Galerie Anton Janizewski eine politische Lesart des Motivs nahe. Was, wenn Erschöpfung widerständig wäre und Depression ein Symptom eines kranken Systems? Mit Skulptur, Sound und Malerei hinterfragt sie das Frauenbild im Spätkapitalismus sowie die florierende Therapiekultur der Gegenwart.
WANN: Die Ausstellung “Dream Baby Dream” von Rebekka Benzenberg eröffnet am Mittwoch, den 30. April, um 16 Uhr.
WO: Galerie Anton Janizewski, Weydingerstraße 10, 10178 Berlin.

Buzzer Reeves: Thomas Lanigan-Schmidt
Alufolie, Zellophan, Bonbonpapier und Glitzer – aus derlei unedlem Material formt Thomas Lanigan-Schmidt funkelnde Kunstwerke. Seine Kelche erinnern an lithurgische Gefäße, bei anderen Objekten wie Ratten und nicht zuletzt farblich explosiven Collagen in Lasagneformen überlagert ein Hauch von Kitsch jede sakrale Konnotation. Angezogen von der ästhetischen Überladung seiner Arbeiten involviert Lanigan-Schmidt Betrachter:innen in seine Auseinandersetzung mit Themen wie Sexualität, Relgion oder Klasse. Sein Werk ist auch von historischer Bedeutung. Der heute 77-Jährige hatte sich sich in den USA der 1960er-Jahre bereits einen Namen mit Ausstellungen in seiner New Yorker Wohnung gemacht, als er sich 1969 an den Stonewall-Unruhen beteiligte – 50 Jahre später zierte eine kleine Skulptur von damals das Cover des Magazins Artforum. Buzzer Reeves gewährt mit der Ausstellung “Lemon Sour Balls in Cherry Syrup” einen Einblick in Lanigan-Schmidts Werk.
WANN: Die Ausstellung “Lemon Sour Balls in Cherry Syrup” von Thomas Lanigan-Schmidt eröffnet am Mittwoch, den 30. Mai, um 18 Uhr. Sie läuft bis Samstag, den 24. Mai.
WO: Buzzer Reeves, Skalitzer Straße 76, 10997 Berlin.

Nadan: Shinoh Nam
“Chicken” steht auf einem kleinen Zettel, darunter skizziert: besagtes Huhn. In dessen Bauch bohrt sich ein Bleistiftstummel. Man muss nahe an Shinoh Nams Arbeit herantreten, um dieses Ensemble zu entdecken. Unerwartet kommt es inmitten abstrakter, klar strukturierter Formen hinter einem metallenen Balken zum Vorschein. Der Moment der Irritation ist intendiert. Für eine Werkserie hat Nam Bilder ehemals prestigeträchtiger Gebäude digital verfremdet und symbolisch mit Bauteilen versehen. Der Hühnerzettel erinnert an die menschlichen Hände, die die Architektur errichtet haben. Nam untersucht in seiner Arbeit, wie Identitäten innerhalb etablierter Systeme geformt werden. In seiner Ausstellung “The Collapse” ist Architektur daher ein wichtiger Referenzpunkt – als symbolträchtiger Ausdruck menschlichen Denkens und Handelns sowie als formender Rahmen für selbiges.
WANN: Die Ausstellung “The Collapse” von Shinoh Nam eröffnet am Freitag, den 2. Mai, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 14. Juni.
WO: Nadan, Wilhelmsaue 1, 10715 Berlin.

The Moment x Mouches Volantes: Selin Davasse & Alicja Wysocka
Das Schicksal der Seidenspinnerin ist ein ungerechtes: Die Raupe plackt sich mit der Fadenproduktion, von den Früchten ihrer Arbeit hat sie nichts – im unglücklichsten Fall wird sie getötet, ehe sie als Falter schlüpfen kann. Diese undankbare Rolle nimmt Selin Davasse in ihrer Performance “The Consequences of Salivating” an. Sie darf als Allegorie auf die Strukturen der Kunstwelt gelesen werden. In einer Duo-Ausstellung im Projektraum The Moment, organisiert in Zusammenarbeit mit dem Kölner Off-Space Mouches Volantes, trifft Davasses Arbeit auf die von Alicja Wysocka. Sie demonstriert mit einer Videoarbeit und einer Installation die gestaltenden Kräfte kollektiven Erzählens für eine nachhaltige Zukunft.
WANN: Die Ausstellung von Selin Davasse und Alicja Wysocka eröffnet am Samstag, den 3. Mai, um 15 Uhr – die halbstündige Performance von Davasse beginnt um 16 Uhr. Die Show läuft bis Freitag, den 9. Mai.
WO: The Moment, Ackerstraße 173, 10115 Berlin.

Office Impart: Anna Ehrenstein und
Sunny Pfalzer, Alexa Evangelista, Lucy Tomasino & Josh Davila
In einer Zukunft, in der Technologie-Konzerne staatliche Macht ersetzt haben, werden Menschen neuronale Implantate eingepflanzt. Nur so erlangen sie Zutritt zur digitalen Welt, doch ihre Gedanken werden überwacht: Abweichungen von der vorgegeben Linie werden automatisch korrigiert. Die Ausstellung “Cripto Sirenas” von Anna Ehrenstein und Sunny Pfalzer, Alexa Evangelista, Lucy Tomasino und Josh Davila in der Galerie Office Impart entwirft eine dystopische Fiktion, die aus der Gegenwart heraus betrachtet gefährlich nah an die Realität rückt.
WANN: Die Ausstellung “Cripto Sirenas” von Anna Ehrenstein und Sunny Pfalzer, Alexa Evangelista, Lucy Tomasino & Josh Davila eröffnet am Mittwoch, den 30. April, um 18 Uhr. Sie läuft bis zum 20. Juni.
WO: Office Impart, Waldenserstraße 2-4, 10551 Berlin.

New Fears Gallery: “A Trap To Live Within”
Die Wut ist tastbar, Identität widersprüchlich in dem Text, den Kuba Stępień dem Abschied von Berlin voranstellt. Das lyrische Ich ist ein Freak an der Leine, sich selbst ein Geschwisterkind, es schließt sich ein, will sich Räume zu eigen machen, Brüche erzeugen. Einen Tag lang bespielt Stępień die New Fears Gallery mit der Ausstellung “A Trap To Live Within”. Zu sehen sind unter anderem Arbeiten von Isabella Lovestory, Luka Naujoks und Filipka Rutkowska. Am Abend beginnt ein Performance-Programm, im Keller läuft Stępieńs Film “All the stories I have ever told you were fiction” und an der Bar kredenzt Emma Szumlas einen eigenen Drink zum Anlass. Einen fulminanteren Exit kann man sich kaum ausdenken.
WANN: Die Ausstellung “A Trap To Live Within” ist nur am Freitag, den 2. Mai, von 14 bis 22 Uhr zu sehen. Das Performance-Programm sowie weitere Informationen zur Veranstaltung findet ihr hier.
WO: New Fears Gallery, Reichenberger Straße 114, 10999 Berlin.

Max Goelitz: Nicolás Lamas
Willkommen an der Grabungsstelle Gegenwart. Zu den freigelegten Artefakten zählen Metallteile, Knochen, Fotografien und ein Macbook. Besonders prominent platziert: ein Wespennest im 3D-Drucker namens Wasp. Die spekulative Archäologie des Nicolás Lamas verweigert sich der Vorstellung, Geschichte sei linear, objektiv oder vollständig rekonstruierbar. Eine wissenschaftliche Fortschrittsmeldung mag die nächste jagen, doch Lamas begreift den menschlichen Beitrag zum Wissen als großen Komplex nur als einen von vielen. Weltwissen als geologischer Prozess: Kleine Teilchen von Information setzen sich ab, überlagern einander, werden abgetragen und neu zusammengesetzt. Im Rahmen der Ausstellung “fluid minds” in der Galerie Max Goelitz sind tönerne wie technologische Trümmer mehr Ausdruck von Geschichtsschreibung als Geschichte per se. Inmitten Lamas’ Arbeiten erscheint die Welt als hybrides Gefüge aus Materie, Sozialisierung und Zeitlichkeiten.
WANN: Die Ausstellung “fluid minds” von Nicolás Lamas eröffnet am Freitag, den 2. Mai, um 18 Uhr.
WO: max goelitz, Rudi-Dutschke-Straße 26, 10969 Berlin.

Privatwohnung: “Wo wir schon mal hier sind”
Wenn schon Gallery Weekend, dann auch mitmachen – zwar nicht im offiziellen Programm, doch auch mit ihrem eigenen müssen sich Emma Adler, Rebekka Benzenberg, Cathrin Hoffmann, Jody Korbach, Mary-Audrey Ramirez und Sophia Süßmilch nicht verstecken. Gemeinsam mit der Kölner Galerie Martinetz laden die Künstlerinnen in eine Neuköllner Privatwohnung ein. Die Ausstellung “Wo wir schon mal hier sind”, kuratiert von Anna Holms, eröffnet kritische, feministische Perspektiven auf Pop- und Alltagskultur. Ein Wochenende lang soll sie Salon sein, ein Ort der Vernetzung, des Diskurses und Austauschs, an dem das vermeintlich Normale als gesellschaftlicher Ist-Zustand dem Widerspruch preisgegeben ist.
WANN: Die Ausstellung “Wo wir schon mal hier sind” ist von Freitag, den 2. Mai, bis Sonntag, den 4. Mai, zwischen 13 und 18 Uhr zu sehen.
WO: Hobrechtstraße 21, 12047 Berlin.

Salon am Moritzplatz: “The Presented Touch”
Der Attraktion der Oberfläche widmet sich die Ausstellung “The Presented Touch” im Salon am Moritzplatz. Sie kann haptisches Spektakel sein, Projektionsfläche oder Schutzmantel. Sie will berührt werden, kann abstoßen oder die Schwelle vom Sichtbaren zum Verborgenen markieren. Die Kuratorinnen Lara Rocho und Clara Pistner haben Arbeiten von über zwei Dutzend Künstler:innen zusammengetragen, darunter etwa Katya Quels, Lee Everett Thieler, Olga Hohmann und Ilgın Uçar. Mit einer Mischung aus Skulptur, Malerei, Textilarbeiten, digitaler Kunst, Performance und Installation nähern sie sich Oberflächen als sensorischem, symbolischen wie funktionalem Phänomen.
WANN: Die Ausstellung “The Presented Touch” eröffnet am Freitag, den 2. Mai, um 17 Uhr. Sie läuft bis Sonntag, den 4. Mai. Informationen zu den Öffnungszeiten hier.
WO: Salon am Moritzplatz, Oranienstraße 58, 10969 Berlin.

Soft Power: “Changing Room”
Poster von Popidolen, ein mittelambitioniert verzierter Spiegel für die Selbstbetrachtung, niedrigpreisige Leuchtobjekte – von Lavalampe bis LED-Leuchtstreifen, ein Tagebuch, vielleicht ein Plattenspieler. So ungefähr sieht ein Jugendzimmer aus, wobei je nach Generation, Herkunft oder Subkulturzugehörigkeit natürlich unterschiedliche visuelle Marker greifen. In jedem Fall ist das Jugendzimmer als Ort der Identitätsbildung eine nähere Betrachtung wert und genau dazu setzt die Ausstellung “Changing Room” bei Soft Power an. Sie versammelt Werke von Künstler:innen, die zwischen 1978 und 2001 geboren wurden, darunter Arash Nassiri, Maggie Lee und Thomas Cap de Ville.
WANN: Die Ausstellung “Changing Room” eröffnet am Freitag, den 2. Mai, um 18 Uhr. Sie läuft bis Sonntag, den 25. Mai.
WO: Soft Power, Teilestraße 11-13 Hof 2, 3.OG, Aufgang C, 12099 Berlin.
Die Highlights aus dem offiziellen Programm des Gallery Weekend Berlin sind auch schon online: hierlang zu den besten Ausstellungen.