Abseits der Berlin Art Week Diese Ausstellung solltet ihr nicht verpassen
11. September 2024 • Text von Anna Meinecke
Berlin Art Week schon durchgeplant oder ist noch Luft nach oben? Da wären nämlich verschiedene Ausstellungen, auf die ihr nicht kommt, wenn ihr nur das offizielle Programm studiert. Auf gen Number 1 Main Road, Neue Kammern im Potsdamer Park Sanssouci, Scherben, Gr_und und Shahin Zarinbal.
Number 1 Main Road: Filip Kostic
Die holde Maid sitzt am Computer, die Buben ebenfalls. Ihre historischen Gewänder wollen so gar nicht zum wild verkabelten Set-up passen, in das Filip Kostic sie verpflanzt hat. Bei Number 1 Main Road reflektiert er im Rahmen seiner Ausstellung “Cathedrals everywhere for those with monitors to see” Mensch-Screen-Interaktionen unter Rückgriff auf ästhetische Elemente, die aus der Kunstgeschichte vertraut sind. Seine Reliefs verorten intime Momente vor Bildschirmen ohne Rücksicht auf Zeitstrahllogik in der Geschichte der Menschheit.
WANN: Die Ausstellung “Cathedrals everywhere for those with monitors to see” eröffnet am Donnerstag, den 12. September, von 17 bis 21.30 Uhr. Sie läuft bis Sonntag, den 13. Oktober.
WO: Number 1 Main Road, Ossastraße 21a, 12045 Berlin.
Neue Kammern: Tino Sehgal
“Freude trinken alle Wesen an den Brüsten der Natur. Alle Guten, alle Bösen folgen ihrer Rosenspur”, heißt es in Friedrich Schillers Gedicht “An die Freude”, was Ludwig van Beethoven Anfang des 19. Jahrhunderts im 4. Satz seiner berühmten 9. Symphonie vertonte. Die Komposition ist wiederum eingeflossen in die Arbeit “This joy” von Tino Sehgal. Der Künstler hat verschiedene Musikstücke neu arrangiert und choreografiert. Das Ergebnis können nun Besucher:innen eines historischen Schlossraums im Potsdamer Park Sanssouci im Kontext der Ausstellung “Re:Generation. Klimawandel im grünen Welterbe – und was wir tun können” erleben. Sehgal, dessen künstlerische Arbeit im Kern ohne die Verwendung materieller Ressourcen auskommt, schafft ein immersives Bewegungs- und Klangerlebnis inmitten friderizianischen Rokokos.
WANN: Die Arbeit “This joy” von Tino Sehgal ist von Mittwoch, den 11. September, bis Sonntag, den 6. Oktober, zu sehen.
WO: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg: Neue Kammern im Potsdamer Park Sanssouci, 14469 Potsdam.
Scherben: John Boskovich
In 1990er-Jahren verwandelte John Boskovich seine Wohnung ins “Boskostudio”. Er selbst beschrieb das exzentrische Interieur als Rainer-Werner-Fassbinder-Set, an dem nie ein Film gedreht wurde, wo aber Drama gedeiht. Boskovichs Lebensraum wurde zum Gesamtkunstwerk – repräsentativ für seine Auseinandersetzung Populär- und visueller Kultur, Religion, Psychologie, Romantik und Konsumverhalten. Aus Erfahrungen als schwuler Mann schöpfend hinterfragte er gesellschaftliche Normen. Der Ausstellungsraum Scherben zeigt unter dem Titel “John S. Boskovich – I appreciate my uniqueness” eine Retrospektive des 2006 verstorbenen Künstlers, der die Grenzen von Kunst und dem, was als vermeintlich echtes Leben gilt, radikal verwischt hat. Die Nebenausstellung “Millenial Hallway” ergänzt sein Werk um zeitgenössische Positionen, darunter Jasia Rabiej, Frances McGuire und Albin Bergström.
WANN: Die Ausstellung “John S. Boskovich – I appreciate my uniqueness” eröffnet am Mittwoch, den 11. September, um 19 Uhr. Sie läuft bis zum 20. Oktober.
WO: Scherben, Leipziger Str. 61, 10117 Berlin.
Gr_und: “Euphemism of a Disquiet Day”
Zwei Keramikwaschbecken dicht an dicht, ein dekonstruierter Stuhl oder zum Brathähnchen geformte Handtücher sind als Alltagsobjekte klar erkennbar. Gleichzeitig sind sie ihrer erprobten Funktion bei Gr_und so weit entrückt, das die Vertrautheit in Irritation kippen muss. Die Gruppenausstellung “Euphemism of a Disquiet Day” hinterfragt mit Arbeiten von Emma Adler, Raphaël-Bachir Osman, Jan Bünning, Muriel Lisk-McIntyre und vielen anderen Künstler:innen die Attraktion des Normalen – wider eine Interpretation des Gewohnten als Fakt.
WANN: Die Ausstellung “Euphemism of a Disquiet Day” läuft bis zum 12. Oktober.
WO: Gr_und, Seestraße 49, 13347 Berlin.
Shahin Zarinbal: Judith Dean & Li Yong Xiang
Als Box Maker und Room Maker treten Li Yong Xiang und Judith Dean in Konversation. “Ich habe nicht vor, zu besetzen”, erklärt Box Maker. “Ich werde eintreten, ohne die alberne Idee, Besitz zu ergreifen.” Room Maker sitzt im Eurostar, besetzt einen Sitz. Sie eint das Nachdenken über das Erleben von Räumen. Nachdem Li und Dean zunächst über Briefe in Kontakt getreten sind, treffen sie in einer gemeinsamen Ausstellung bei Shahin Zarinbal mit ihren künstlerischen Werken aufeinander.
WANN: Die Ausstellung “Of Strangers” von Judith Dean und Li Yong Xiang eröffnet am Mittwoch, den 11. September, von 18 bis 21 Uhr. Sie läuft bis zum 26. Oktober.
WO: Shahin Zarinbal, Leipziger Straße 55, 10117 Berlin.
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