70, 40, 30 und 15
Jubiläum im Museum Ludwig

13. Oktober 2016 • Text von

Nicht bloß muss wegen irgendwelches Römerkrams alle paar Grabungsmeter Halt gemacht werden. Wie der Neubau der Oper oder das einstürzende Stadtarchiv belegen, haben Bauprojekte in Köln ihren ganz eigenen Charme. Ganz und gar nicht nach dieser Manier wurde indes 1986 das Museum Ludwig errichtet. Die kalkulierte Bauzeit wurde um läppische drei Monate überschritten. Wegen Rheinhochwassers.

Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş: Inszenierung von Pablo Picassos Guernica

Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş: Inszenierung von Pablo Picassos Guernica

Als wegweisend wurde der Neubau von Peter Busmann und Godfrid Haberer gepriesen, der Köln zu einer Hochburg der modernen Kunst machte, als konsequente Weiterentwicklung der Museumsarchitektur, wie das Centre Pompidou eine Mischung aus Erlebniswelt und Supermarkt. Den Grundstein für das Museum legte 1946 Josef Haubrich, als er seine Sammlung mit Werken der klassischen Moderne der Stadt schenkte. 1976 unterzeichneten die Schokoladenfabrikanten Peter und Irene Ludwig ihren Schenkungsvertrag über 350 Werke moderner Kunst mit Schwerpunkt Pop-Art – verbunden mit der Auflage, dass ein Museumsneubau ihren Namen tragen sollte. Drei Jubiläen in Einem also.

Einigen wir uns auf dreieinhalb. Candida Höfer zeigt eine Foto-Serie, die Einblicke hinter die Kulissen des Museums vor 15 Jahren gewährt. Fotografien der Umbauarbeiten aus dem Jahr 2001, nachdem das Wallraf-Richartz-Museum in einen eigenen Bau umgezogen war. Höfers Aufnahmen richten den Blick auf den räumlichen Kontext, in dem Kunst verwahrt und präsentiert wird. Maria Eichhorn hingegen thematisiert die administrativen Prozesse, die zum Abschluss des Arbeitsvertrags mit ihr als Künstlerin geführt haben. Die detaillierte Dokumentation des Ablaufs ist zugleich Gegenstand und Ergebnis ihrer künstlerischen Arbeit. Eichhorn sammelte alle Belege und Formulare des umfassenden Verwaltungsprozesses, der zum Abschluss des Vertrages führte.

Gerhard Richter: Demo, 1997 © Gerhard Richter 2016

Gerhard Richter: Demo, 1997 © Gerhard Richter 2016

Diese beiden exemplarisch herausgegriffenen Werke verdeutlichen es: Das Thema dieser breit angelegten Schau ist die Institution Ludwig, respektive der Blick der teilnehmenden Künstler auf selbige. Das Museum Ludwig definiert sich nicht bloß über seine Sammlung, sondern vor allem durch die Menschen, die diese geprägt haben – ein Museum der Künstler. 25 Künstler und Künstlerkollektive wurden eingeladen, sich mit dem Museum und der Frage, was das Ludwig für sie bedeutet, auseinanderzusetzen. Die Ergebnisse verdichten sich zu einem kaleidoskopischen Bild aus unterschiedlichsten Perspektiven, Konzepten und Materialien.

Seit der Gestaltung eines Domfensters Ehrenbürger der Stadt, hat Gerhard Richter einen ganzen Raum mit Bezug zur Stadt Köln bestückt. Während ein Gros der Bezüge offensichtlich ist, bleiben andere etwas enigmatisch. Neben solchen lokalpatriotischen Beiträgen gelingt es der Schau durch die Beteiligung junger internationaler Künstler, nicht nur über der Geschichte des Museum Ludwig zu schwelgen, sondern auch mögliche Wege in die Zukunft aufzuzeigen. Die über alle Kontinente angelegte Auswahl eingeladenen Künstler unterstreicht dabei bewusst den globalen Sammlungsansatz von Peter und Irene Ludwig.

Alexandra Pirici und Manuel Pelmuş wurden mit ihrem gemeinsamen Projekt im rumänischen Pavillon auf der Venedig Biennale 2013 international bekannt. Ihr Betrachtungsgegenstand in Köln sind zentrale Werke aus der Sammlung. Von Max Beckmann bis Marina Abramovic und Ulay interpretieren sie diese als lebende Gemälde performativ neu.

Ahmet Öğüt: Bakunin's Barricade, Foto: Rheinisches Bildarchiv/ Britta Schlier

Ahmet Öğüt: Bakunin’s Barricade, Foto: Rheinisches Bildarchiv/ Britta Schlier

Ahmet Öğüt hat eine Barrikade errichtet mit Absperrgittern und Autowracks, aber auch Gemälden, wie Andy Warhols Porträt von Peter Ludwig. Unter dem Titel „Bakunin’s Barricade“  bezieht sich die Arbeit zunächst auf ein historisches Ereignis, die Maiaufstände in Dresden. Sie verfolgten das Ziel, den König Friedrich August II. zu entmachten und die Sächsische Republik zu gründen. Es war Michail Bakunins Vorschlag Gemälde aus den Dresdner Kunstsammlungen an den Barrikaden anzubringen, um den Truppen des Königs Einhalt zu gebieten. Ebenfalls Teil des Werks ist von daher ein Vertrag, in dem sich der potenziellen Käufer verpflichtet, das Werk während politischer und sozialer Unruhen im Straßenkampf einzusetzen.

Juristisch spannende Details hat auch Hans Haackes „Pralinenmeister“ zu bieten. Detaillierte Informationen über Vermögens- und Erbschaftsteuervorteile und Einkommenssteuerabzugsfähigkeit sind das Ergebnis einer akribischen und kritischen Recherchen über die Familien- und Unternehmensgeschichte der Ludwigs. Haacke, der 1993 den deutschen Pavillon in Venedig gestaltete, legt offen, was der Aachener Schokoladenfabrikant Ludwig durch seine großzügigen Stiftungen an Steuern sparen konnte und wie es um Lohn- und Arbeitsbedingungen in seiner Fabrik bestellt war.

Marcel Odenbach: Ein Bild von einem Bild machen |Videostill: Alec Crichton © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Marcel Odenbach: Ein Bild von einem Bild machen, Videostill: Alec Crichton © VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Marcel Odenbach setzt sich ebenfalls mit dem Stifterpaar auseinander. Der Kölner hat eine Collage aus eingefärbten Papierschnipseln zusammengesetzt, die den Ausblick aus dem Aachener Wohnzimmer der Mäzene zeigt: Im Garten eine Skulptur des im Nationalsozialismus verehrten Bildhauers Arno Breker.

Vielleicht ist es das, was diesen kölschen Charme ausmacht: Dass Makel einer grundsätzlichen Großartigkeit nichts anhaben können, sondern ganz im Gegenteil von Charakter zeugen. Auch auf das Ensemble aus Museum Ludwig, Philharmonie und deren Tiefgarage triftt das zu. Bei jedem Konzert muss der Platz über der Philharmonie abgesperrt werden, weil man die Tritte der Passanten sonst im Konzertsaal hören würde.

WO: In bester Nachbarschaft zum Dom und mit direktem Zugang zum Hauptbahnhof gelegen: Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, 50667 Köln.
WANN: Die Inszenierungen von Pirici und Pelmuş werden vom 1. bis 20. November zwischen 13 und 17 Uhr, sowie am 3. November zwischen 15 und 19 Uhr gezeigt. Die Jubiläumsschau läuft noch bis zum 8. Januar 2017.