Wege aus dem Trauma
7 Highlights der Amsterdam Art Week

26. Mai 2025 • Text von

Zurück von der 13. Ausgabe der Amsterdam Art Week, die gerade zu Ende gegangen ist – was bleibt? Diese sieben Highlights haben uns besonders beschäftigt und hallen nach. Sie setzen sich intensiv mit Themen wie Traumata, Tod, Körperlichkeit und Erinnerungen auseinander.

Lili Huston Herterich Rijksakademie gallerytalk
Lili Huston-Herterich, We’re In The Money, welded steel, 2024.

Die Rijksakademie ist ein fester Bestandteil der Amsterdam Art Week und zählt zu ihren Mitbegründer*innen. Auch abseits der Kunstwoche sollte ein Besuch zwingend auf die To-Do-Liste jeder Amsterdamreise. Jährlich öffnen die Artists-in-Residence ihre Ateliers für das Publikum – und diesmal überzeugten die Open Studios mit besonders starken künstlerischen Positionen. Ein Beispiel: “Pushing Up Daisies” von Lili Huston-Herterich. Die Arbeit setzt sich mit der Angst vor dem Tod als Symptom westlicher Gesellschaften auseinander. Medikalisierung, Tabuisierung, Selbstoptimierung sowie der Umgang mit Gewalt und Genozid tragen dazu bei, dass der Tod immer mehr verdrängt und entwirklicht wird. Die Installation kombiniert Objekte, Licht, Video und Performance, um diese Mechanismen kritisch zu beleuchten. Kunstwerke – als potenziell “unsterbliche” Objekte – spiegeln dabei die kollektive Flucht vor der Endlichkeit. Eine kleine Bühne und eine doppelseitige Puppe fungieren als Schwellenwesen zwischen Leben und Tod und rahmen vier performative Vignetten, die das Thema vertiefen.

WANN: Die Open Studios fanden vom 22. bis 25. Mai statt.
WO: Rijksakademie van beeldende kunsten, Sarphatistraat 470, 1018 GW Amsterdam.

Stedelijk museum Pamela Rosenkranz PT Mei 2025 6010VLighter Web gallerytalk
Installation view, Pamela Rosenkranz – Liquid Body, Stedelijk Museum Amsterdam, 2025. Courtesy the artist, Karma International, Sprüth Magers and Miguel Abreu Gallery. Photo: Peter Tijhuis.

In “Liquid Body” verwandelt Pamela Rosenkranz das Stedelijk Museum in ein leuchtendes, fast außerirdisch wirkendes Sinneslabor. Zwischen grün-blauem Licht, spiegelnden Oberflächen und flirrenden digitalen Bildern wird Malerei zum lebendigen System – ein Ort, an dem Wahrnehmung und Gegenwart miteinander verschmelzen. Mit Materialien wie LED-Licht, Polymeren und Industrieplastik lotet Rosenkranz die Grenzen zwischen Natürlichkeit und Künstlichkeit aus und fragt, wie Biologie, Technologie und Kultur unser Erleben prägen. Herausgekommen ist ein wahrer Augenschmaus für die Sinne: eine atmosphärisch dichte Installation, die Körper und Wahrnehmung herausfordert und dabei vertraute Vorstellungen von Realität ins Wanken bringt.

WANN: Die Ausstellung “Liquid Body” läuft bis zum 24. August.
WO: Stedelijk Museum, Museumplein 10, 1071 DJ Amsterdam.

FOAM Diana Markosian gallerytalk
Mornings with You, from the series “Father”, 2018 © Diana Markosian.

Taschentücher bereithalten – hier wird es emotional. Diana Markosian wurde im Alter von sieben Jahren von ihrer Mutter zusammen mit ihrem Bruder aus Moskau nach Kalifornien gebracht, ohne sich von ihrem Vater verabschieden zu können. Fast 20 Jahre später machte sie sich auf die Suche nach ihm und begibt sich in ihrer Ausstellung “Father” auf eine persönliche Reise durch Familiengeschichten, Verlust und Wiederannäherung. Die in New York lebende Künstlerin verbindet dabei verschiedene Stile und Medien zu einer ganz eigenen Bildsprache. Die Ausstellung im FOAM neigt sich dem Ende zu, aber Diana Markosian sollten wir definitiv im Blick behalten!

WANN: Die Ausstellung “Father” läuft nur noch bis Mittwoch, den 28. Mai.
WO: FOAM, Keizersgracht 609, 1017 DS Amsterdam.

Buhlebezwe Siwani Intsomi   No Man s Art Gallery gallerytalk
Buhlebezwe Siwani, Isithunzi 1, 2025.

Buhlebezwe Siwani setzt sich in ihrer Ausstellung “Intsomi” bei No Man’s Art Gallery mit der patriarchalen Darstellung des Schwarzen weiblichen Körpers auseinander – besonders im südafrikanischen Kontext. Als Sangoma, eine traditionelle Heilerin, verbindet sie afrikanische Spiritualität mit christlichen Einflüssen und thematisiert, wie Geschichte und Mythos als lebendige Kräfte im Körper, Land und Geist weiterwirken. Ihre Werke, darunter skulpturale Flaggen, handgeschnitzte Steine und performative Inszenierungen, schaffen eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Erinnerung und Widerstand. Dabei hinterfragt Siwani koloniale Erzählungen und fordert eine Rückkehr zur eigenen Geschichte und Identität, die Heilung durch das bewusste Neuverhandeln von Erzählungen ermöglicht.

WANN: Die Ausstellung “Intsomi” läuft bis zum 6. Juli.
WO: No Man’s Art Gallery, Bos en Lommerweg 88-90, 1055 EC, Amsterdam und No Man’s Art Gallery KIOSK, Willem de Zwijgerlaan, 327, 1055 RA, Amsterdam.

Shen Wei Galerie Ron Mandos gallerytalk
Shen Wei, Untitled G7222, 2020. // Shen Wei, Untitled Y6289, 2019.

In der Ausstellung “A Season Particular” bei Ron Mandos präsentiert Shen Wei, geprägt durch seine chinesische Herkunft, sehr persönliche und intime Fotografien des menschlichen Körpers. Die Bildausschnitte sind so gewählt, dass sie die Betrachter*innen direkt ansprechen und das Gefühl vermitteln, Teil des Moments zu sein, den Protagonist*innen unglaublich nah zu kommen. Besonders spannend ist die offen gelebte Sexualität, die sich jenseits klassischer Kategorien frei entfaltet. Ergänzt werden die Körperbilder durch detailreiche Pflanzenaufnahmen, die die tiefe Verbindung zwischen Mensch und Natur zeigen und dabei auch existenzielle Fragen aufwerfen. In einer begleitenden Serie von Selbstporträts setzt sich Shen Wei intensiv mit seinen eigenen Gefühlen, Ängsten und dem Drang nach Freiheit auseinander – ehrlich, verletzlich und sehr nahbar.

WANN: Die Ausstellung “A Season Particular” läuft bis zum 13. Juli.
WO:
Galerie Ron Mandos, Prinsengracht 282, 1016 HJ Amsterdam.

Aldo van den broek   punctum   courtesy Gallery Vriend van Bavink ©Titia Hahne gallerytalk
Aldo van den Broek – Punctum – courtesy Gallery Vriend van Bavink © Titia Hahne.

Zugegeben, Aldo van den Broeks graustufige Bilder in “Punctum” erinnern an Gerhard Richter oder kleinformatige Anselm Kiefer, aber spannend sind die Geschichten dahinter. Seine Arbeiten verbinden persönliche Erfahrungen mit Themen wie Macht, Identität und dem Spannungsfeld zwischen Kontrolle und Chaos. Für seine neuesten Werke zog van den Broek ins Freie – dabei schreiben sich Wetter und Witterung bewusst in seine Bilder ein und hinterlassen sichtbare Spuren. Aus alten Materialien wie Pappe, Holz und Metall entstehen so immer wandelbare Landschaften, Gebäude oder Porträts. Im Zentrum steht seine Interpretation von “Die Toteninsel” des Künstlers Arnold Böcklin, der zu Hitlers Lieblingskünstlern zählte. In Van den Broeks Version erhält das Werk eine neue Dringlichkeit. Er stellt mit seiner Kunst die Frage: Was bleibt, wenn alles zusammenbricht? Genau da setzt seine Arbeit an.

WANN: Die Ausstellung “Punctum” läuft bis zum 5. Juli.
WO: Galerie Vriend van Bavink, Oosterdokskade 243, 1011 DL Amsterdam.

Enari   Johanna Bath gallerytalk
Johanna Bath, Drape, 2024 © the artist.

In ihrer Ausstellung “Only Love Will Save Us” bei Enari zeigt die deutsche Künstlerin Johanna Bath eine konzentrierte Auseinandersetzung mit Erinnerung – weg von Nostalgie, hin zu einer sinnlichen, körperlichen Erfahrung. Im Fokus stehen intime Nahaufnahmen des weiblichen Körpers, die wie flüchtige Momente wirken und Fragmente einer größeren, unausgesprochenen Geschichte erzählen. Dabei geht es Bath nicht um erotisierte oder objektivierte Darstellungen, sondern um eine subtile, einfühlsame Sichtweise, die die weibliche Perspektive in den Mittelpunkt stellt. Ihre Bilder stellen ein Gleichgewicht zwischen Verletzlichkeit und Stärke, Präsenz und Andeutung her und eröffnen einen Raum, in dem Sinnlichkeit, Nähe und Wärme bewusst und nuanciert erlebbar werden.

WANN: Die Ausstellung “Only Love Will Save Us” läuft bis zum 29. Juni.
WO: Enari Gallery, Utrechtsestraat 44, 1017 VP, Amsterdam.

Vielen Dank an die Amsterdam Art Week für die Presse-Einladung und die Übernahme der Reisekosten.

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