Wohin während 48 Stunden Neukölln?
Ausstellungstipps fürs Berliner Kunstfestival

26. Juni 2025 • Text von

Ein Wochenende, ein Bezirk, lauter kleine Kieze. Das Festival 48 Stunden Neukölln bringt Kunst in Cafés und Kirchen, ins Kaufhaus und auf öffentliche Plätze – dieses Jahr unter dem Motto “WTF (what the fact)? Zwischen Wahrheit & Wahrnehmung“. Exakt zwei Tage habt ihr Zeit, 250 Kunst-Orte abzuklappern. Weil das ein Ding der Unmöglichkeit ist, haben wir vorsortiert. Hier sind die Highlights aus dem Programm.

Emma Adler 48h neukoelln gallerytalk
Emma Adler, E1_0.26, 48h Neukölln, 2025, Foto: Emma Adler.

Einkaufzentrum Neukölln Arcaden: Emma Adler “E1_0.26”

Glaube ich nur, was ich sehe – oder sehe ich nur, was ich glaube? An dieser Fragestellung können sich all diejenigen orientieren, die den Einkauf in den Neukölln Arcaden um einen Besuch der Ausstellung “E1_0.26” von Emma Adler ergänzen. Die Kuratorinnen Leonie Rösler und Marlene Sichelschmidt haben ihre Arbeiten ausgewählt, um das Verhältnis von Realität, Darstellung und Deutung zu beleuchten. Treffpunkt: die orangefarbene Tür.

Neukölln Arcaden / Orange Room, Karl-Marx-Straße 66, 12043 Berlin.

Linda Lach 48h neukoelln gallerytalk
Linda Lach: “Untitled (9)”, 2024, from ‘Things About Questioning’ series. Pen, charcoal, dry pastel on paper, 13,7 × 21,3 cm. Courtesy of the artist.

Yogastudio am Reuterplatz: “Feed Your Page”

Das Selbst im digitalen Zeitalter steht im Zentrum der Ausstellung “Feed Your Page”, die Maria Blanka Grzybowska in einem Yogastudio am Reuterplatz kuratiert hat. Mit Arbeiten von Mateusz Janik, Linda Lach, Katarzyna Wyszkowska sowie Xtreme Girl aka Lena Peplińska und Laura Radzewicz illustriert die Schau Veränderungen von Kommunikation, Identität und Körperlichkeit – Menschsein als Content.

Sacred Space by Angelos Ananda, Nansenstraße 2, 12047 Berlin.

25 The Clones detail Forced Amnesia 2024 Casino Luxembourg Mary Audrey Ramirez Photo Alwin Lay
Mary-Audrey Ramirez – Forced Amnesia, Ausstellungsansicht Casino Luxembourg – Forum d’art contemporain. Foto: Alwin Lay.

Kesselhaus, Kindl: “Worlds That Flicker”

Macht, Sprache und Technologie formen, was gemeinhin als real angenommen wird. Mit ihrer Ausstellung “Worlds That Flicker” im Kesselhaus des Kindl-Zentrums für zeitgenössische Kunst erweitern die Kuratorinnen Yolanda Kaddu­-Mulindwa und Nina Marlene Kraus einen engen Realitätsbegriff um spekulative Erzählungen. Arbeiten von Elisa Duca, Sarah Ama Duah, Anna Ehrenstein, Christa Joo Hyun D’Angelo, Petja Ivanova, Byrke Lou, Luïza Luz und Mary-Audrey Ramirez öffnen Fenster in alternative Welten.

Kesselhaus, KINDL – Zentrum für zeitgenössische Kunst, Am Sudhaus 3, 12053 Berlin.

Diese drei Ausstellungen sind Teil des neuen Festivalformats “Perspectives”. Sechs Ausstellungen an fünf Orten spiegeln den Blick junger Kurator:innen auf das diesjährige Festivalthema “WTF (what the fact)? Zwischen Wahrheit & Wahrnehmung“ wider. Außerdem dabei: “Softimage”, kuratiert von Volo Bevza im 1. OG des Cank, “52.48042024882, 13.436669084655762”, kuratiert von Canberk Akçal im 4. OG des Cank sowie “This Is Not a Fact” kuratiert von Vitalii Shupliak im Kreativraum der Galerie im Körnerpark.

Lauryn Youden number 1 main road 48h neukoelln gallerytalk
Lauryn Youden, Living Corpse At The End Of The World, various, 125 x 45 x 228 cm, 2025, Photo: Eric Tschnernow.

Number 1 Main Road: Lauryn Youden “Even A Worm Will Turn”

Sieht süß aus, ist jedoch eine Geste des Widerstands: Für ihre Ausstellung bei Number 1 Main Road bedient sich Lauryn Youden ungewöhnlicher Bildträger. Es sind Trampoline – ohne Beine ihrer federnden Funktion beraubt, mit Schleifen versehen und mit künstlichen Rosenblättern, Tablettenpackungen oder Tarotkarten geschmückt. Youden sollten die funktionalen Originale einst als Therapie für chronische Schmerzen dienen. Nun inszeniert sie die Objekte wie Trophäen. „Du warst dabei“ in einem System, das Menschen mit Behinderung oder Langzeiterkrankung als fragil markiert, ihren Körpern Anpassung abverlangt, obwohl es sie nicht selten strukturell ausschließt.

Number 1 Main Road, Ossastraße 21a, 12045 Berlin.

Ho Sangun niklas apfel 48h neukoelln gallerytalk
Ho Sangun: Quail Egg, 760 x 560mm, water color, pencil and color pencil on paper, 2025. Courtesy of the artist. // Niklas Apfel: Blow Up, Installationsansicht Rauch, Krefeld, 2023. Foto: Thomas Schoger.

Café Vingot: “Das Ei”

So gewöhnlich das Ei daherkommen mag – als Frühstücks- oder Osterei, als schlichte Form oder bequeme Proteinzufuhr, es weckt Beschützer:inneninstinkt. Klein und zerbrechlich, jedenfalls im ungekochten Zustand, dabei ein Symbol von Fruchtbarkeit, der Inbegriff effizienter Konstruktion. Ein Fallenlassen, das weiß man vom missglückten Eierlauf, markiert ein Versagen. Mit ihrer nüchtern “Das Ei” betitelten Ausstellung im Café Vigot setzen Sangun Ho, Hee-ji Kim, Eunjung Kwak und Ae Office an, das Ei zu interpretieren.

Vingot, Boppstraße 7, 10967 Berlin.

Vollguter Gemeinschaftsgarten: Niklas Apfel “Blow Up”

Ganz schön aufgeblasen im wahrsten Sinne des Wortes wacht ein Pferd über den Gemeinschaftsgarten des Kindl-Areals. Niklas Apfel hat es dort installiert. Inspiriert von klassischen Reiterstandbildern lässt der Künstler sein Pferd jedoch unberitten, dessen Polyesterkörper in Bewegung: ein denkbar unautoritär anmutendes Gegenstück zu in Bronze gegossener Symbolik der Macht.

Vollguter Gemeinschaftsgarten auf dem Gelände der ehemaligen Kindl-Brauerei, Am Sudhaus 4, 12053 Berlin.

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Projects collage. Courtesy of the artists. Via 48 Stunden Neukölln.

Magdalenenkirche: “Absolute Approximation”

Die Begriffe richtig und wahr mögen oft synonym verwendet werden, gleichbedeutend sind sie nicht. Wahrheit ist mehr als ein falsifizierbares Faktenbündel. Das Kurations-Team hinter der Ausstellung “Absolute Approximation” in der Rixdorfer Magdalenenkirche identifiziert im Sichtbarmachen, etwa durch Kunst, wahre Momente. Maria Mavropoulou, Damjanski, Sebastian Schmieg, Dawoon Park und Aaron Koblin nehmen dem Gewohnten seine Selbstverständlichkeit und fördern so vielleicht ja wirklich verborgene Wahrheiten zutage.

Magdalenenkirche, Karl-Marx-Straße 201-203, 12055 Berlin.

Tony Tao Li centrum 48h neukoelln gallerytalk
Tony Tao Li: “From The Diasphere With Love”, 2024. Foto: Shao-Chun Hsu.

Centrum: “Arrhythmia”

Eine Arrhythmie ist eine Störung der Herzschlagfolge und – in ihrer englischen Schreibweise – Titel einer Ausstellung bei Centrum. Kunstwerke von canvaswan, Orestis Telemachou & Shao-Chun Hsu, Tony Tao Li, ULTRA (Benze De Ream & Tonda Budszus), Niki Danai Chania, Niki Maria Lore und Zuzana Pabisova sollen dort mit Klangperformances zu einer Landschaft verschmelzen, in der die Zeit stottert, Routinen pausieren und Rhythmen aus dem Ruder laufen.

Centrum, Reuterstraße 7, 12053 Berlin – Performance-Programm hier.

WANN: Das Festival 48 Stunden Neukölln läuft von Freitag, den 27. Juni, bis Sonntag, den 29. Juni. Die offizielle Eröffnung beginnt am Freitag um 19 Uhr vor der Galerie im Körnerpark, die Opening Party startet um 21.30 im Cank.
WO: An über 250 Orten in Berlin-Neukölln. Hier entlang zur Karte mit den Veranstaltungsorten.

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