Von der Kunst, die japanische Ästhetik zu erleben
Zeitgenössiche Werkstücke im Neuen Museum

27. November 2017 • Text von

Das Neue Museum erzählt in seiner aktuellen Ausstellung „von der Kunst ein Teehaus zu bauen“. Teezeremonien und ein umfangreiches Begleitprogramm runden das reichhaltige Angebot ab.

Yasuaki Onishi: Reverse of Volume NMN, 2017, aufgebaut für die Ausstellung, Foto: Annette Kradisch

Eine gewaltige Kunststofffolie hängt am Eingang des Ausstellungsraums, ihre bogenförmige Silhouette bewegt sich leicht im Luftzug, das dämmrige Licht scheint sanft durch die vielen Tausend schwarzen Klebefäden, von denen die Struktur in der Luft gehalten wird. Heißklebefäden, die von dem Künstler Yasuaki Onishi von oben auf die Folie geworfen wurden. Ein schwereloses Material, von einer fast materielosen Konstruktion gehalten. Die Ausstellung „Von der Kunst ein Teehaus zu bauen. Exkursionen in die japanische Ästhetik“, die seit Ende Oktober im Neuen Museum stattfindet, zeigt keine Teehäuser. Vielmehr kann man hier die verschiedenen Ansätze und Gedankengebäude beobachten, die in ihrer Synthese zu der vollkommenen Idee des japanischen Teehauses führen. Sieben Sektionen widmen sich solchen Ansätzen, die „Fließende Grenzen“, „Unbeständigkeit“, „Natur und Artefakt“ oder „Neues Handwerk“ heißen und ein gewaltiges Spektrum an modernen und zeitgenössischen japanischen Handwerkern, Architekten, Fotografen, Designern, Plastikern und Keramikern in einem Raum versammeln. Da finden sich Kleidungsstücke von Issey Miyake, die sich wie Lotusblüten zusammenlegen und am Körper entfalten, Tee-Schalen von Takahiro Kondo, in deren Keramik mineralisches Uran eingebrannt ist um auf die Katastrophe von Fukushima zu verweisen, Fotografien von Naoya Hatakeyama, der mal mit Modefotos, mal mit Gesteinssprengungen vertreten ist, und ganz stille Seelandschaften von Hiroshi Sugimoto. Es gibt eine Lampe, deren Schirm ein 3D-Druck des Mondes ist, und die auch eine Art von Mondlicht verströmt. In einer großen hängenden Kiste werden frühe Videoaufnahmen des Berges Fuji von Masanao Abe gezeigt.

Kengo Kuma: Pavillon Hojo-an (Nachbau 2017) © Kengo Kuma & Associates, Foto: Annette Kradisch

Einen besonderen Stellenwert hat die Architektur: Ein Nachbau des Festpavillons von Kengo Kuma wird gezeigt, den er 2012 zum 800-jährigen Jubiläum eines Tempels in Kyoto anfertigte um den wichtigen Philosophen und Einsiedler Kamo No Chomei zu ehren. Der Pavillon wird, ganz dessen Philosophie der Umbeständigkeit folgend, nur von Magneten zusammengehalten, an insgesamt 1200 Einzelpunkten. Mujō heißt diese japanische Denkfigur, es ist eine Vorstellung von Unbeständigkeit und Flüchtigkeit, die ein wichtiger und wertvoller Teil unserer Welt ist.
Daneben ist auch das Architekturbüro Atelier Bow-Wow in der Sektion „Rekonstruktion“ vertreten, dessen Minimal House als Zedernholz-Bausatz aus Japan antransportiert wurde. Das Haus ist der Prototyp einer seriellen Notunterkunft für Krisengebiete, die Erdbebenopfern vielleicht schon bald innerhalb weniger Stunden oder Tage als stabile Unterkunft dienen kann.

ISSEY MIYAKE: Kollektion 132 5., Nr. 7 Top, 2010 © the artist, Foto: Annette Kradisch

Erstaunlich sind auch die Gebrauchsgegenstände, die unter der Sektion „Neues Handwerk“ versammelt sind. Da finden sich Bambusarbeiten von Takano Chikko, deren Trinksets mitunter auch aus dem Holz des Goldenen Tempels in Kyoto gefertigt wurden. Es gibt Musterblätter für Kimono-Designs der 400 Jahre alten Stofffirma Hosoo, deren Ästhetik womöglich schon frühe Japan-Beobachter wie Cezanne oder Van Gogh beeinflusste. Und es gibt kupferne Teedosen von Kaikado, deren Oberflächen erst nach einer Benutzungszeit von 40 Jahren ihre schönste Anmutung erhalten, und deren Deckel so passgenau gefertigt sind, dass sie im langsamen Hinabgleiten die Dose nahezu luftdicht verschließen. Viele der gezeigten Objekte geben einen Einblick in die japanische Ästhetik, der in dieser Form in Nürnberg einzigartig ist. Durch die sensible Kombination der verschiedensten Bereiche wird so nachvollziehbar, mit welcher verfeinerten Beobachtungsgabe in Japan nicht zuletzt das Teehaus als Ort der höchsten Perfektion errichtet wird.

WANN: Die Ausstellung „Von der Kunst ein Teehaus zu bauen“ läuft noch bis zum Sonntag, den 18. Februar. Jeden ersten Sonntag im Monat finden um 16 Uhr im Foyer Teezeremonien statt. Es gibt Führungen samstags um 15 Uhr und sonntags um 11 Uhr, außerdem Sondertermine, die man der Homepage entnehmen kann.
WO: Im Neuen Museum Nürnberg, Klarissenplatz 1, direkt am Hauptbahnhof.

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