Fransen und Fragmente Facetten der Collage im weissen haus
2. Februar 2017 • Text von Anna Möslinger
Picasso und Braque gelten als ihre Pioniere. Mit Werken von Hannah Höch und Kurt Schwitters zur Zeit des Dadaismus wurde sie zum Ausdruck der künstlerischen Revolte. Die Rede ist von der Collage. Doch wie sieht die Umsetzung in der zeitgenössischen Kunst aus? Antworten gibt es im weissen haus.
Als George Braque 1912 „Obstschale und Glas“ erschuf und Pablo Picasso seine Zeichnung mit einem Rohrstuhlgeflecht zusammenfügte, hat die Geburtsstunde der Collage in der modernen Kunst geschlagen. Etwas Neues wird geschaffen, indem unterschiedliche Elemente aus diversen vorhandenen Materialien zusammengefügt bzw. zusammengeklebt werden. In der Zeit des Dadaismus wurde sie zum Mittel der Kritik gegen vorhandene Kunst und Kunstformen und zum Zeichen der Revolte gegen den Krieg. Eine der wichtigsten Vertreterinnen, Hannah Höch, arbeitete erstmalig realistische Fotografien in ihre Werke ein, und begründete somit die Fotomontage.
Doch seit damals sind 100 Jahre vergangen, weitere unzählige Werke entstanden, die von den ErschafferInnen als auch den BetrachterInnen als Collage definiert und identifiziert werden. Jetzt haben wir 2017. Braque, Picasso und auch Hannah Höch sind bereits verstorben. Doch die Collage lebt – kreativer und vielfältiger als je zuvor. Insgesamt 18 internationale KünstlerInnen und Kollektive finden sich zur Ausstellung „Stratified – Fragmentierte Welt(en)“ im weissen haus zusammen. Auf den ersten Blick könnten die Werke nicht unterschiedlicher sein. Doch wagt man es, sie genauer zu betrachten, merkt man was sie verbindet: Das Collagieren. Die Gruppenausstellung, kuratiert von Günther Oberhollenzer und Sandra Schwender, gibt einen Eindruck in die Vielfältigkeit des Mediums Collage in der heutigen Zeit. Es folgen unsere fünf Lieblinge.
Anita Witek erschafft eine eigens für die Räumlichkeiten des weissen hauses konzipierte Installation aus Plakatpapier. Die Rauminstallation an den Wänden des Vereins schafft es, das Medium der Collage betretbar und somit tatsächlich erfahrbar zu machen.
Einen anderen Zugang bieten die Werke von Sophie Dvořák. Aus Lexika und Landkarten werden Dreiecke geschnitten und zu neuen, geometrischen, konstruktivistisch wirkenden Bildern umfunktioniert. Bezug nehmend auf die Kartographie sowie die Landvermessung übernimmt die Form des Dreiecks die wichtigste Rolle in ihren Werken.
Auch das deutsche Künstlerinnenkollektiv Karen Elliot ist Teil der Ausstellung. Ob die Künstlerinnen am Eröffnungsabend anwesend waren, bleibt unklar. Die realen Personen, welche sich hinter dem Namen verbergen, wollen unbekannt bleiben. Bei den ausgestellten Werken handelt es sich um diverses Material, wie Bilder aus Büchern oder auch alte Fotografien, die gesammelt und collagiert wurden. In Glaskästen wird das Ergebnis gezeigt, Florales trifft auf Weibliches. Nach Karen Elliot sollen diese als „Abbild unserer fragmentierten Welt“ verstanden werden.
Gabi Trinkaus’ Werk bleibt besonders in Erinnerung. Es zeigt eine Skyline, vermeintlich aus dem Fenster eines Flugzeuges fotografiert. Erst beim genauen Betrachten erkennt man, dass es sich keineswegs nur um eine Fotografie handelt. Zu sehen ist eine nächtliche Stadt, die aus kleinen Papierschnipseln aus Hochglanz-, Lifestyle- und Modemagazinen zusammengeklebt wurde. Trinkaus lässt aus Altem etwas Neues entstehen. Es entsteht die täuschend echte Luftansicht einer nächtlichen Stadt.
Claudia Larcher arbeitet ebenfalls mit Magazinen, genauer gesagt mit Architekturmagazinen. Textpassagen wurden hierfür entfernt, nur die architektonischen Abbildungen des Magazins bleiben. Die somit frei gewordenen Stellen zeigen, was sich auf den hinteren Seiten verbirgt. Es entsteht eine Montage, die eine Stadtansicht, ihre Hochhäuser und Beton-Bauten freigibt. Doch auch in der Video-Kunst ist die Collage möglich, wie Larchers Video “Noise above our heads” zeigt. Überlappende Felsenwände bewegen sich ineinander aufwärts und geben den Betrachtern den Anschein, als würde man in die Steinfelsen eintauchen und beinahe von ihnen verschluckt werden.
Weiters sind die Werke von Alexandra Baumgartner, Astrid Busch, Bernhard Hosa, Moni K. Huber, Anna Maria Kowalsky, Andrea Maria Krenn, Larissa Leverenz, Micha Payer und Martin Gabriel, Thomas Riess, Veronika Schubert, Vanessa von Heydebreck, Sinta Werner und Nives Widauer zu sehen. Die Ausstellung zeigt, wie vielseitig und außergewöhnlich die Umsetzung der Collage in der heutigen Zeit sein kann. Der künstlerische Aspekt steht zumeist im Vordergrund, dennoch hinterfragen die Werke auch gesellschaftliche und soziale Phänomene.
Fügt man die einzelnen Teile der Ausstellung zusammen, so könnte man fast meinen, sie selbst soll als Collage betrachtet werden, zusammengefügt aus Kunstwerken, KünstlerInnen, KuratorInnen und dem weissen haus.
WANN: Die Ausstellung hat noch bis zum 25. März 2017 geöffnet.
WO: das weisse haus, Hegelgasse 14, 1010 Wien. Am 03. März 2016 um 18:00 führt der Kurator Günther Oberhollenzer durch die Ausstellung.