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22. Oktober 2016 • Text von

Au revoir! Die Absolventen verabschieden sich in und von der Akademie in Nürnberg. Wir sehen die letzten Kommentare ihrer institutionellen Bildungslaufbahn und wie sie sich nach Jahren des Kunststudiums verabschieden. Mit einem buntem Blumenstrauß, einem netten Knicks mit Handkuss, einem schlichten Danke-für-nichts oder dem hochgehaltenen Mittelfinger?

Die Preisträger der Absolventen mit zwei der Jurymitgliedern: Rhea Dall (Jury), Tomasz Skibicki, Florian Hemmerlein, Katharina Cameron, Thomas Bergner, Ann-Kathrin Hartel, Nadja Soloviev, Susanne Schwarz, Mario Kramer (Jury)

Die Preisträger der Absolventen und zwei der Jurymitglieder: Rhea Dall (Jury), Tomasz Skibicki, Florian Hemmerlein, Katharina Cameron, Thomas Bergner, Ann-Kathrin Hartel, Nadja Soloviev, Susanne Schwarz, Mario Kramer (Jury), Foto: Johannes Kersting

Das Verlassen einer Hochschule ist nicht selten ein Zustand des „Nicht-mehr“ und doch „Noch-nicht“. Nicht mehr in der Ausbildung und noch nicht im Beruf. Die Kunststudenten verlassen den geborgenen Experimentierraum der Akademie und sollen jetzt Künstler sein. Klingt gut. Klingt aber auch nach einer ganz schön schwierigen Aufgabe. Und bevor sie die Türen hinter sich schließen, verkünden sie ihre Abschiedsworte in Form der Absolventenausstellung. Keine leichte Entscheidung wie man diesen Werdegang absolvieren will: Es wird die Akademie kritisiert, über das Leben philosophiert, die Kunst reklamiert, das Künstlersein definiert und die eigene Person präsentiert.

Gabriel Bethlen, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Gabriel Bethlen, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Institutionskritik scheint unumgänglich in einem solchen Rahmen. Gabriel von Bethlen schreibt uns einen vierseitigen Text über seine Erfahrungen während des Studiums. Dieser liegt auf einem hohem Sockel aus DinA4 Kopierpapier zum Mitnehmen bereit. „Gabriel von Bethlen, Bericht für eine Kunstakademie“ steht auf dem Titelblatt. In seinem Bericht kotzt er sich aus über eine Welt der Heuchelei, Produktion, Anpassung, Kopie und des Selbstverrats. Beleidigungen scheut er nicht, nicht der Professoren, des Publikums und erst recht nicht der Mitstudenten. Auch nicht die Distanzierung gegenüber diesen sogenannten Künstlern, zu denen er nicht gehören will. Ein kultiviertes „Fuck you all“, das ihn hoffentlich um seine Verbitterung erleichtert hat.

Sarah Frawley, Installationsansicht der Absolventausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Sarah Frawley, Installationsansicht der Absolventausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Einen ironischen Blick auf diese Problematiken zeigt Sarah Frawley. Wir sehen zwei Stapel von DinA4 Blättern, die nebeneinander an der Wand hängen, wie ein Abreißkalender, von dem man jeden Tag das Blatt von gestern entfernt. Auf den vordersten und vermutlich auch allen folgenden Blättern beider Stapel ist in grünen Buchstaben das Wort „Hase“ gedruckt. Eine Anspielung auf die Plastiken ihres Klassenprofessors Ottmar Hörl, welche bereits als Symbol für Konsum und Selbstvermarktung stehen. Auf dem linken Stapel wurden die Papiere von der Künstlerin persönlich signiert. Darunter hängt eine Preisliste pro Stück 50 Cent, dann gestaffelt wie in einem Copyshop und signiert jeweils 20 Euro mehr. Indem Sarah Frawley den Namen einer fremden Arbeit zum Discountpreis verkauft und das einfach zum Selbst-abreißen, stellt sie uns die Frage nach dem Wert der Künstlerperson, der Wichtigkeit einer Handschrift, der Kunst als Konsumgut, der Massenanfertigung und Originalität. Der Stapel ohne Signierung ist übrigens bereits deutlich kleiner.

Vroni Hammerl, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Vroni Hammerl, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Auch Vroni Hammerl nimmt Verbindung zu ihrer Lehrzeit auf, indem sie die Platten von Arbeitstischen der Akademie als Präsentationsflächen nutzt. Ich muss unweigerlich an die Formulierung „die Schulbank drücken“ denken. Diese „Schulbänke“ sind hier als Installation meist wandähnlich im Raum aufgestellt. Auf ihnen können wir uns verschiedene ihrer Perfomances als Fotos dokumentiert anschauen. Ihre Arbeiten beschäftigen sich meist mit Verhalten im öffentlichen Raum, Handlungsmustern und institutionellen Vereinbarungen. Mit den „Umpositionierungsmaßnahmen“ greift sie beispielsweise in das Verhalten von Besuchern einer Kunstausstellung ein. Bei der Performance bewegt sie sich selbst durch den Ausstellungsraum, geht gezielt auf verschiedene Besucher zu, um diese wortlos hochzuheben, quer durch den Raum zu tragen und an einem anderen Platz wieder abzustellen. Sie betrachtet den Körper der Besucher wie eine Skulptur, die im Raumkonzept platziert werden muss, um die Komposition bewahren.

Carola Zechner, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Carola Zechner, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Johannes Kersting

Carola Zechner verlässt die Akademie mit dem Video „Winterlandschaft, 1935“, für das sie einen der sechs Preise gewann. Wir sehen eine Frau im Wald stehend und in Gebärdensprache artikulierend. Sie wirkt konzentriert und macht bedachtsame Pausen, in denen sie die Plastikhandschuhe wechselt, die sie trägt, bevor sie weiter Zeichen gibt, die für mich unlesbar sind. Doch kann ich ihre Bewegungen als Bilder wahrnehmen. Eine Erklärung sagt, dass es sich um die Bildbeschreibungen und Titel der Werke einer Kunstsammlung handelt, die seit 1945 als zerstört gilt und die uns die Frau nun darstellt. Auf poetische Weise bringt Carola uns dazu eine Beziehung zu dieser Sammlung aufzubauen, die wir nicht kennen und nie kennenlernen werden, und schenkt ihr somit einen ganz neuen Wert. Eine geistreiche Infragestellung der Malerei völlig ohne Bloßstellung, sondern eher mit Zuneigung.

Tomasz Skibicki, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Tomasz Skibicki

Tomasz Skibicki, Installationsansicht der Absolventenausstellung 2016, Foto: Tomasz Skibicki

Tomasz Skibicki, ebenfalls einer der sechs Preisträger, nutzte die Möglichkeit der Absolventenausstellung, indem er sich drei Wochen intensiv mit seinem Ausstellungsraum auseinandersetzte, dort arbeitete, performte, experimentierte. Der Zuschauer ist mit dem Ergebnis und zugleich den Spuren der Erfahrungen des Künstlers konfrontiert. Ich fühle mich durch Ästhetik und Lichtsituation in die Szenerie eines Computerspiels versetzt. Eine beeindruckende achteckige Stahlstruktur, basierend auf der Idee eines Rings, in dem Kämpfe stattfinden, definiert sich als Schauplatz und Bühne in der Mitte des Raumes. Der Boden innerhalb des Achtecks ist mit einer Klebebandstruktur überzogen, die das Innere vom Äußeren abgrenzt. Auch die Fenster des gesamten Pavillons sind verdunkelt und geben uns das Gefühl des Eindringens und Erkundens einer höchst obskuren Welt.

Das sind nur ein paar der lieben und weniger lieben Grußkarten, die die ehemaligen Studierenden zum Abschied verfasst haben. Egal, ob sie als Künstler berühmt oder erfolgreich werden, ob gewollt oder ungewollt, können sie hoffentlich alle dankbar auf eine gute Zeit zurückblicken.

WANN: Diese Arbeiten und zahlreiche Positionen anderer Künstler könnt ihr noch bis Sonntag, den 23.10., um 20 Uhr sehen.
WO: Auf dem Akademiegelände in der Bingstraße 60.

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