Zwischen Ordnung und Chaos

13. Februar 2016 • Text von

In Fürth gastieren derzeit die „Floating Volumes“ von Elizabeth Thallauer. Wie hier Kunst und Wissenschaft an einem einzigartigen Ort eine ungewohnte Liaison eingehen ist noch heute und morgen zu erleben.

Die Kunstwissenschaftlerin Carla Orthen und die Künstlerin Elizabeth Thallauer sind ein eingespieltes Team. Schon seit einiger Zeit kennen sie sich von anderen Ausstellungsprojekten und wenn man mit Ihnen im sonnengetränkten Garten der Badstraße 8 sitzt und Ihnen zuhört, kriegt man schnell ein Gespür für den künstlerischen Idealismus, den dieser Kulturort versprüht und Menschen wie Orthen und Thallauer für sich vereinnahmt. Wobei, einfach sei das nicht gewesen, soviel verrät Elizabeth Thallauer gleich vorneweg über die Entstehung ihrer Arbeit „Floating Volumes“. Der Raum hätte sie zunächst fast etwas überfordert, er hätte sich gesperrt für die Positionierung ihrer Gedanken. Letztlich entschied sie sich dafür, an die räumlichen Vorgaben anzuknüpfen, im wahrsten Sinne des Wortes.

Carla und Elizabeth, Foto im Kulturort Bastarde 8 e.V., Foto: Stefan Gerhardt

Carla und Elizabeth, Foto im Kulturort Badstraße 8 e.V., Foto: Stefan Gerhardt

Es sei nicht nur eine Herausforderung, eine Arbeit in diesen Ort formal zu integrieren, sondern man müsse auch eine Anbindung an den sozialen Raum Badstraße 8 schaffen, wie etwa das ausgiebige Kino- und Konzertprogramm, so Carla Orthen. Sie engagiert sich im Kulturverein Badstraße seit einiger Zeit im Rahmen einer „doppelten“ A.G., also wahlweise einer „Arbeits-“ oder „Ausstellungsgruppe“. In dieser Funktion schlug sie Elizabeth Thallauer als Künstlerin vor, die schon in der Vergangenheit mit raumgreifenden, installativen Arbeiten, etwa auf AEG, in Erscheinung getreten ist.

Elisabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Elizabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Im Zentrum von Elizabeth Thallauers Interesses steht dabei meist der Ton des 21. Jahrhunderts, wie sie es nennt: Kunststoffe, vor allem Polypropylen. Ein Material, aus dem Plastiktüten, Folien und Abfallsäcke gemacht sind. In diesem Fall kamen Dämmunterlagen, wie sie normalerweise unter Laminatböden verwendet werden, zum Einsatz. Sie wurden von der Künstlerin zu wolkenartigen „Floating Volumes“ verarbeitet. Diese wesenhaften, weißen Gebilde sind in der Badstraße eingebettet in ein Koordinatensystem aus schwarzen Schnüren und hölzernen Tetraedern, die durch ihre formale Ähnlichkeit zu den Holzdielen des Fußbodens und der Metallträgerkonstruktion des Daches erst den eigentlichen Bezug zum Raum herstellen. Dadurch schafft sie es, die Logik ihrer Objekte mit der des Gebäudes zu verbinden. Die so entstehenden, ständigen Perspektivwechsel, das Spiel zwischen Flachheit und Raum, erzeugen beim Betrachter den Impuls immer weiter in das Konstrukt hinein- und um es herumgehen zu wollen, um ständig neue Ansichten zu erlangen. Man ist gewillt die Schnurreihen potentiell über den Raum hinaus zu verlängern und möchte den suggerierten Fluchtpunkten folgen.

Elisabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Elizabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Ein anderer Gedanken, der sich beim Betrachten der Arbeit schnell auftut, ist der eines nachhaltigen Baukastensystems. Hier wurden einfachste Materialien aus dem Baumarkt verwendet um eine faszinierende Ortsaneignung umzusetzen. Man kann sich gut vorstellen, dass große Teile dieser Installation zu anderer Gelegenheit wiederverwendet werden und in einen ästhetischen Kreislauf der Wiederverwertbarkeit eintreten; man könnte es Kunst-Recycling nennen. Doch ist es Elizabeth Thallauer wichtig, mit zeitgenössischen Materialien zwar zeitgemäß umzugehen, sie möchte dabei jedoch nicht eine ökologische Nischenkunst betreiben. Viel lieber spricht Thallauer über die mannigfaltigen Verbindungen zwischen Kunst und Wissenschaft. Ausgangspunkt all ihrer Formgebungen sind die platonischen Grundformen, Körper größtmöglicher Symmetrie, wie etwa der Tetraeder. Erst bringt sie ihr Material in diese Grundformen um sie dann wieder zu zerstören und zu wolkenartigen Gebilden aufzulösen.

Elisabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Elizabeth Thallauer, Floating Volumes, Foto: Johannes Kersting

Vor ihrem Kunststudium studierte Elizabeth Thallauer Geologie und beschäftigte sich mit mathematischen Fragen. Für sie ist Kunst auch ein Strukturierungsprozess, der Weltschöpfungsmodelle aufgreift um zumindest kurzfristig Ordnung in das Chaos zu bringen. Ihre Objekte sind irgendetwas dazwischen, im Großen wie im Kleinen: Denn durch Erhitzen wird die kristalline Struktur des Polypropylen zerstört. Das Material verbleibt halb amorph, halb geordnet in einem Zwischenzustand. Hier schlägt Orthen schmunzelnd eine Brücke zum Kulturverein Badstraße, denn auch er sei aus einer Pendelbewegung zwischen Ordnung und Chaos hervorgegangen. Manche Dinge seien geplant gewesen, andere passierten einfach so. Wir dürfen hoffen, dass dieser dynamische Prozess noch eine Weile weitergeht.

WANN: Die Ausstellung läuft noch bis zum 14. Februar – Finissage ist dann um 16 Uhr.
WO: Kulturort Badstraße 8 e.V., Badstraße 8
90762 Fürth

Künstlergespräch im Kulturverein Badstrasse 8 e.V., Foto: Stefan Gerhardt

Künstlergespräch im Kulturort Badstrasse 8 e.V., Foto: Stefan Gerhardt

 

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