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8. Dezember 2015 • Text von

Der temporäre Kunstraum Köşk präsentiert unter dem Titel „UM FÜNF“ aktuelle Arbeiten fünf junger Künstlerinnen. Tülay Akcan, Çigdem Akyigit, Nazli Alkaya, Ece Gauer und Gülbin Ünlü bespielen die Räumlichkeiten im Westend mit Malerei, Installationen und Keramik. Und täglich um 17 Uhr wird zu türkischem Çay geladen.

Die Farbe verteilt sich ungleichmäßig auf der Wasseroberfläche des kleinen Beckens, formt Kreise und abstrakte Muster. Der Besucher kann mit einem Fön, der neben dem Becken bereitliegt, eingreifen und das Motiv verändern, die Farbtupfer in Bewegung setzten. In der Arbeit von Tülay Akcan lassen sich Künstlerin und Besucher auf eine Kollaboration ein: Akcan erstellt während der Ausstellung täglich ein Bild, sie bedient sich dabei der Ebru-Technik, eines traditionellen türkischen Marmorierverfahrens, das sie weiterentwickelt hat. Täglich trägt sie Farbe auf, lässt diese auf der Wasseroberfläche ruhen und setzt sie den Luftbewegungen im Ausstellungsraum und den Eingriffen der Besucher aus. Abends zieht sie das so entstandene Motiv auf ein Papier ab, lässt es trocknen. Die Bilder, zarte, fast nostalgische Abstraktionen, präsentiert sie schliesslich im Raum, der sich zunehmenden mit Arbeiten füllt. Tülay Akcan stellt in ihrer Installation den gemeinschaftlichen Prozess in den Vordergrund, den Austausch mit dem Besucher. In ihrer Technik bezieht sie sich auf ihre Herkunft, greift auf etwas traditionelles zurück, das sie in die Gegenwart holt.

Bild: Tülay Akcan

Akcan ist eine der Künstlerinnen, die unter dem Titel „UM FÜNF“ aktuelle Arbeiten im Kunstraum Köşk zeigen. Neben ihr präsentieren vier weitere deutsch-türkische Künstlerinnen Keramik, Malerei, Fotografie und Installationen. Tülay Akcan, Çigdem Akyigit, Nazli Alkaya, Ece Gauer und Gülbin Ünlü verbindet zwar ihre gemeinsame Herkunft, außerdem haben sie alle an der Akademie in München studiert. Ihre künstlerischen Ansätze unterscheiden sich jedoch deutlich, so entsteht im Köşk eine heterogene Ausstellung, die dennoch schlüssig ist.

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Ausstellungsansicht Köşk

Seit Januar gibt es im Westend den neuen Raum für junge Kunst- und Kulturprojekte. Für einen Zeitraum von etwa drei Jahren wird die ehemalige Stadtbibliothek mit Ausstellungen, Workshops und anderen Events bespielt. Das Köşk ist als Zwischennutzungsprojekt in Kooperation mit unterschiedlichen städtischen Organisationen konzipiert, darunter die Färberei und ein multikulturelles Jugendzentrum. Das Köşk soll junger Kunst eine Plattform und ein Forum bieten. Dabei sollen Offenheit und kulturelle Vielfältigkeit im Vordergrund stehen. Unterschiedliche Kunstrichtungen und Stufen der Professionalität treffen aufeinander und schaffen einen gemeinsamen, temporären Raum, in dem Aufmerksamkeit und Sichtbarkeit entstehen können.

Cigdem Agyigit

Bild: Cigdem Agyigit

Neben der Arbeit von Tülay Akcan werden in „UM FÜNF“ auch die abstrakt-flächigen Gemälde von Çigdem Akyigit präsentiert. Die 1989 geborene Künstlerin, die dieses Jahr mit einem DAAD-Preis ausgezeichnet wurde, zeigt zwei großformatige Bilder, die die Stirnseite des Raumes dominieren, dazu eine Serie kleinerer farbiger Bilder, in denen geometrische Formen aufeinandertreffen und sich gegenseitig auflösen. Nazli Alkaya zeigt eine mehrteilige, an der Wand befestigte, Porzellanarbeit, in der die Oberfläche des Materials eine fast textile Qualität erreicht: Wie verwobene, ornamentale Stoffbänder wirken die Details der Keramik, dynamisch und statisch zugleich lösen sie unweigerlich Assoziationen zu orientalischen Stoffen und Tapisserien aus.

Nazli Alkaya

Bild: Nazli Alkaya

Die farbenfrohe Malerei von Ece Gauer wiederum spielt lustvoll mit den Konzepten von Figuration und Abstraktion, Realität und Fiktion. In ihrer Serie zeigt sie alltägliche Motive, die sie übermalt und erweitert. Durch die Titel, „The happiness of the drop is to die in the river“ ist eines beschrieben, gewinnen die Bilder nochmals an Tiefe. Und auch in ihrer Arbeit zeigen sich traditionelle Muster und Strukturen, wie subtile Verweise auf einen abstrakten Erinnerungsraum.

Ece Gauer

Bild: Ece Gauer

Einen solchen Ort der Erinnerung und Verortung schafft auch Gülbin Ünlü in ihrer mehrteiligen Rauminstallation. Private Fotografien, Freunde auf Reisen, auf einem Tisch, darunter ein Perserteppich, die Projektion eines Videos, das bedrohlich-schöne Bilder aus den Alpen zeigt und über eine großformatige Leinwand projiziert ist. Erinnerungen, Orte, Natur und Städte – Ünlü schafft Verbindungen und setzt Referenzen zu ihrer Lebenswelt. Auch ihre sehr konzentrierte Sound- und Lichtinstallation im Untergeschoss schafft einen bedrückenden Wahrnehmungsraum in dem sich skulpturale Andeutungen und die Elemente des Sounds vermengen. „UM FÜNF“ präsentiert fünf sehr unterschiedliche künstlerische Positionen, die sich jedoch in ihrer jeweiligen Sensibilität gegenüber Prozessen, Strukturen und kulturellen Details befruchten. Genug Schnittmengen über die man sich bei einer Tasse heissem Çay austauschen kann.

WANN: Die Ausstellung ist nur noch bis 12. Dezember 2015 zu sehen. Täglich ab 16 Uhr, um 17 Uhr ist Teestunde.
WO: Köşk, Schrenkstr. 8, 80339 München.

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