Was wurde aus dem großen Traum?
Gordon Parks' ausgewählte Fotografien

18. Februar 2017 • Text von

Gordon Parks war Chronist der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung, Reporter in den ärmsten Regionen der Welt und leidenschaftlicher Modefotograf. Dass seine Arbeiten erschreckend aktuell sind, zeigen gegenwärtige Ereignisse wie der „Women’s March on Washington“ und Trumps „Muslim Ban“ mehr als deutlich.

Gordon Parks: Untitled, Washington D.C., © The Gordon Parks Foundation

Gordon Parks: Untitled, Washington D.C., © The Gordon Parks Foundation

Man kennt sie, die Geschichte von Rosa Parks, der Frau, die 1955 in Alabama verhaftet wurde, weil sie sich weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Fahrgast zu räumen. Man kennt Martin Luther Kings revolutionäre Rede “I Have a Dream”, die er 1963 vor über 250.000 Menschen in Washington hielt. Und doch sind es die Bilder, noch stärker als die Geschichten, die sich ins kollektive Gedächtnis gebrannt haben. Nicht wenige Momentaufnahmen dieser bewegenden Zeit, in der die Zeichen auf Veränderung standen und doch irgendwie alles an der zementierten Ordnung festzuhalten schien, gehen auf Gordon Parks zurück. Parks porträtierte die Größen der Bürgerrechtsbewegung in den USA und schuf doch seine eigentlichen Ikonen, in dem er den amerikanischen Alltag und dessen schlichte Protagonisten abbildete.

Gordon Parks: Husband and Wife, Sundaymorning, Detroit, Michigan © The Gordon Parks Foundation

Gordon Parks: Husband and Wife, Sundaymorning, Detroit, Michigan © The Gordon Parks Foundation

Eine junge, schwarze Frau im weißen Kleid macht am Vorbeigehen an einem Trinkbrunnen halt. Sie nutzt den linken Brunnen, denn der rechte trägt die Aufschrift „white only“. Es ist eine schlichte, ästhetische Aufnahme, die jedoch die ganze Tragweite einer Zweiklassengesellschaft offenbart. Symbolträchtiger und offensichtlicher ist die Fotografie „American Gothic“, die eine schwarze Putzkraft vor der Amerikaflagge zeigt. Sie evoziert die grundlegende Frage nach einer amerikanischen Identität. Was ist Amerika, was will es sein und wer darf diesen American Dream leben, der schon in der Unabhängigkeitserklärung versprochen wird? Präzise und schonungslos fängt Parks ein absurdes Gesellschaftssystem ein, ohne dabei voyeuristisch zu sein. Seine Fotografien sind dokumentarisch und zugleich poetisch. Sein Anliegen ist die Veränderung, sein Instrument die Kamera.

Gordon Parks: Ingrid Bergman at Stromboli, Stromboli, Italy  © The Gordon Parks Foundation

Gordon Parks: Ingrid Bergman at Stromboli, Stromboli, Italy © The Gordon Parks Foundation

Den sozialkritischen Serien und Reportagen steht ein Bildkanon gegenüber, der keine heilere Welt zeigen könnte. Parks’ Modefotografien sind kunstvolle Gemälde, in denen er die Schönheit von Stoffen, Schnitten und Models – weißen Models wohlgemerkt – gekonnt inszeniert. Eine scharfe Linie trennt diese Aufnahmen von seinen politischen Arbeiten und dennoch sind sie auf ihre Weise politisch, denn Parks produzierte sie als erster schwarzer Fotograf für internationale Verlage und Magazine. Parks war ein Allrounder, ein Profi, der mittels der Fotografie dann doch irgendwie zum amerikanischen Traum fand.

Gordon Parks: Untitled, Washington D.C., © The Gordon Parks Foundation

Gordon Parks: Untitled, Washington D.C., © The Gordon Parks Foundation

Gordon Parks’ Fotoarbeiten sind gut gemachte Klassiker, die es problemlos in die Postkartenständer der Museumsshops schaffen und dennoch sind sie 2017 wieder besonders brisant. Sie zeigen eine Gesellschaft, die sich einst gegen Rassismus und Ungleichheit zur Wehr setzte und führen zugleich vor Augen, wie fragil das Konstrukt Demokratie ist. Unweigerlich ploppen Gedanken zu Trumps Amerika auf, das tagtäglich mit Maßnahmen irritiert, die nicht weniger schockieren als Parks’ Foto-Realitäten aus der Mitte des letzten Jahrhunderts und das sich wieder neu (er)finden muss.

WANN: Die Ausstellung, die in Kooperation mit der Gordon Parks Foundation präsentiert wird, ist noch bis zum 7. Mai zu sehen. Im Anschluss wird sie im FOAM in Amsterdam zu sehen sein.
WO: Kunstfoyer der Versicherungskammer Bayern, Maximilianstraße 53, 80538 München.

Weitere Artikel aus München