Überraschende Realitäten
Poetische Objekte in der Galerie Barbara Gross

28. Juni 2016 • Text von

Vielfältig, zart und erstaunlich. Unter dem Titel „The astonishing reality of things“ werden in der aktuellen Ausstellung die lyrischen Objekte und Rauminterventionen der Bildhauerinnen Leonor Antunes, Haris Epaminonda und Bethan Huws gezeigt.

AA_2016_the astonishing relaity of things_1

the astonishing reality of things, Leonor Antunes, Haris Epaminonda, Bethan Huws, Ausstellungsansicht ,Barbara Gross Galerie, 2016, Foto: Wilfried Petzi.

Bilder, räumliche Eingriffe und Objekte. Die drei Künstlerinnen präsentieren in der doch recht dicht gehängten Ausstellung in den Räumen in der Theresienstraße sehr unterschiedliche Arbeiten, verbunden sind sie jedoch durch ihren jeweils individuellen Blick auf die Alltäglichkeit der Dinge und unserer unmittelbaren Umgebung. Perspektiven werden untersucht und verrückt, Selbstverständlichkeiten kritisch unterminiert. Anspielungen, Verknüpfungen und Zitate gesetzt. Die gezeigten Arbeiten sind reduziert, abstrahiert, fragil und teilweise durchaus komisch. Die feinen Eingriffe in die Architektur, die präzise Präsentation im Raum zeichnet diese Ausstellung aus, die unterschiedliche konzeptuelle Ansätze und lyrische Ausdrucksformen kombiniert.

AA_2016_the astonishing relaity of things_4

the astonishing reality of things, Leonor Antunes, Haris Epaminonda, Bethan Huws, Ausstellungsansicht ,Barbara Gross Galerie, 2016, Foto: Wilfried Petzi.

Ein feines Muster durchzieht die Wände der Ausstellung, goldene Diagonalen geben den Wänden einen Rhythmus und strukturieren den Raum. Fast wie eine Tapete wirkt die Installation auf den ersten Blick, doch ist die Arbeit „Chão“ eine raumgreifend skulpturale. Die Portugiesin Leonor Antunes spielt in ihrer Praxis mit geometrischem Mustern und Pattern. Ihre Arbeiten beziehen sich auf  architektonischen Strukturen oder Details von Designs. In der Galerie ortsspezifisch installiert referiert „Chão“ auf ein Bodenmuster der Villa Serralves in Porto, minimalistisch übersetzt und räumlich umgesetzt. Die Proportionen, der Rhythmus und die Struktur der Pattern bleibt dabei intakt, durch einen Wechsel des Materials und der Dimensionen entsteht jedoch eine inhaltliche Verschiebung. Der Raum bleibt nicht lediglich Ausgangspunkt, er wird spezifischer Teil der Arbeit, wird überlagert und integriert.

AA_2016_the astonishing relaity of things_2

the astonishing reality of things, Leonor Antunes, Haris Epaminonda, Bethan Huws, Ausstellungsansicht ,Barbara Gross Galerie, 2016, Foto: Wilfried Petzi.

Auch Haris Epaminonda schränkt sich in ihrer Praxis nicht auf bestimmte Medien ein. Sie appropriiert existierende Bilder, kombiniert Artefakte aus nichteuropäischen Kulturen, Vasen und Bücherseiten mit eigenen Skulpturen und Filmen und kreiert so neue Linien der Verbindung. Der Gegenwart entrückt schafft sie so melancholische Objekte der Erinnerung, in denen sich die teils archaischen Überbleibsel verlebter Kulturen zu etwas Neuem verbinden. Trockener Humor, Emotion und Ernsthaftigkeit. Die konzeptuelle künstlerische Praxis der Waliserin Bethan Huws oszilliert zwischen existenziellen Fragestellungen und Diskursen, ohne eine gewisse Sinnlichkeit und Lockerheit zu verlieren. Ihre Auseinandersetzung mit der Arbeit von Marcel Duchamp zeigt sich nicht nur in ihrer Verwendung von ‚Readymade’-Objekten, auch die Integration von Sprache als Medium zieht sich durch ihr Werk. Wortwitz, Mehrdeutigkeiten und Widersprüche, die sie in ihren „Wort-Vitrinen“ präsentiert, von denen eine in der Galerie zu sehen ist. Neben dieser Arbeit werden auch weitere skulpturale Positionen gezeigt, das breite Spektrum einer Künstlerin, die nicht nur komplex-intellektuell agiert, sondern in ihrer Arbeit sinnliche Anstöße gibt.

Die vom jungen Kurator Christian Ganzenberg zusammengestellte Ausstellung kombiniert die Arbeiten dreier unterschiedlicher Künstlerinnen zu einer in sich schlüssigen Präsentation, deren einzelne Teile sich inhaltlich wie formal ergänzen. Der begrenzte Raum wird zwar dicht bespielt, den einzelnen Arbeiten bleibt jedoch genug Raum, sich zu entfalten. Und es bleibt genug Platz für den Besucher, die überraschende Realität der Dinge zu erahnen.

WANN: Die Ausstellung ist noch bis zum 3. September 2016 in der Galerie zu sehen.
WO: Barbara Gross Galerie, Theresienstrasse 56, Hof 1, 80333 München.

Weitere Artikel aus München