Über unterirdische Kunst
Ein Gespräch mit den neuen Machern des Kunstbunkers

19. Juli 2017 • Text von

Gut versteckt und zu etwa 99% unter der Erde – die Rede ist vom Kunstbunker, einer Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst, die zwar inmitten des Altstadtrings liegt, aber dennoch schwer zu finden ist. Wir haben mit dem neuen Vorstand darüber gesprochen, wie es ist, einen von außen beinahe unsichtbaren Kunstraum zu betreuen.

Kunstbunker, Außenansicht, Am Bauhof, Nürnberg. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Kunstbunker, Außenansicht, Am Bauhof, Nürnberg. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Eigentlich könnte die Lage nicht besser sein: Unmittelbar hinter der Kunsthalle und ebenso nah zum Bahnhof wie das Neue Museum liegt der „kunstbunker – forum für zeitgenössische kunst e.V.“. Mitten auf einem Parkplatz bei einem schwarzen hoch aufragenden Metalltor geht es abwärts und dann wird’s erstmal kühl. Der ehemalige Weltkrieg II-Bunker und ABC-Schutzraum dient seit 1994 als Ausstellungsfläche für zeitgenössische Kunst und hat seitdem viele auch sehr experimentelle Ausstellungsformate gezeigt. Vielleicht aufgrund der Unsichtbarkeit im Stadtraum wurde der Kunstbunker in den letzten Jahren mehr und mehr zum Geheimtip – das soll sich nun wieder ändern mit neuem Vorstand, neuen Mitgliedern, neuem Elan und neuen Zielen. Gut so, wie wir finden, und haben dem kreativen Team um Hans-Jürgen Hafner, Elke Haarer und Michael Franz gleich mal ein paar Fragen gestellt.

Marcus Weber: Adalbertstraße 2008-2010, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Marcus Weber: Adalbertstraße 2008-2010, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

gallerytalk.net: Den Kunstbunker gibt es als Verein seit 1994. Jetzt, 2017, gibt es mit einem neuen Vorstand und mehr Mitgliedern eine Art Neuanfang. Was soll sich ändern, was sind die Ziele für den Kunstbunker?
Hafner/Haarer/Franz: Die beste Nachricht ist: Wir können weitermachen! Was im Kunstbunker bisher passiert ist und was wir weiterhin an Vereinsarbeit und Programmtätigkeit realisieren, geschieht sozusagen „nach Feierabend“ auf der Basis ehrenamtlicher Arbeit. Dabei ist in den letzten 25 Jahren Erstaunliches passiert, mit Ausstellungen zum Beispiel von On Kawara, Ellen Cantor oder Chto Delat? – allesamt international anerkannte Künstlerinnen und Künstler, aber auch zur jeweiligen Zeit Geheimtips und vielleicht ein bisschen, sagen wir, schwierig. Das „Geheime“ war ja immer so ein unausgesprochenes Prinzip im Kunstbunker. Und nicht ohne Erfolg, wie man an seiner Ausstellungschronik sehen kann. Wir setzen an der Stelle an und möchten den Kunstbunker, wie wohl immer noch als klassischer „artists run space“ doch öffnen – indem wir eben neue Mitglieder gewinnen, einen Unterstützerkreis aufbauen und vor allem im Zuge eines Generationenwechsels die Verbindung zur Kunstakademie stärken wollen. Dann gibt’s einiges zu tun: Die baulich-räumliche Situation hat mittlerweile einige Schwächen, die wir ändern müssen. Die Geschichte des Kunstbunkers ist quasi unsichtbar, der Ort selbst buchstäblich „underground“…

Nina Könnemann: Unrise (10:32 min.), 2002, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Nina Könnemann: Unrise (10:32 min.), 2002, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

In Nürnberg gibt es einige namhafte Orte, die zeitgenössische Kunst zeigen. Wie will sich der Kunstbunker in diesem Gefüge positionieren? Sind vielleicht auch Kooperationen mit anderen Häusern geplant?
Die institutionelle Landschaft in Nürnberg zeigt sich sehr differenziert. Mit Neuem Museum, der Kunsthalle und dem Kunstverein gibt es repräsentative Orte der „offiziellen“ Kunst. Außerdem bereichern verschiedene, oft an seit Jahren aktive Szenen oder kreative „Zellen“ angeschlossene Initiativen wie das Bernsteinzimmer das Bild. Wir sind dadurch automatisch positioniert. Der Kunstbunker ist klar ein Nürnberger Projekt. Wie auch schon in den vorangegangenen Jahrzehnten haben die Akteure mit der Stadt und da oft mit ihrer Akademie zu tun, ohne notwendigerweise am Ort zu wohnen. Eher im Gegenteil. Der Kunstbunker bezog immer schon Energie aus Amsterdam, Wien, Berlin, wohin es die Leute halt verschlagen hat. Und ohne dass das ein Dogma wäre, stellen wir uns nicht selbst aus. Ich denke, das Prinzip des „artists’ artist“ – Künstlerinnen und Künstler, die unter Kollegen höchste Wertschätzung genießen, ohne im Mainstream allzu sichtbar zu werden oder gar mit offiziellen „Karrieren“ belohnt zu sein – das ist ziemlich genau der Fokus im Kunstbunker. Nur deshalb können wir mit dem kleinen Budget, das uns Seiten der Stadt und dank der Mitgliederbeiträge zur Verfügung stehen, unser Programm verwirklichen. Das hat mit gegenseitiger Wertschätzung und Vertrauen zu tun. Wir denken außerdem schon verschärft darüber nach, wie wir das ausstellen, wen oder was wir vorstellen wollen. Kritik ist ein großes Wort. Es gibt aber eine gewisse institutionskritische Tradition, ausgedrückt in einer selbstreflexiven kuratorischen Praxis, an der wir festhalten und die wir weitergeben wollen. Wichtig ist uns, dass das in einer großen Stadt wie Nürnberg, im Großraum der Nachbarstädte und insgesamt im nordbayerischen Raum passieren kann.

Marcus Weber: Adalbertstraße 2008-2010, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Marcus Weber: Adalbertstraße 2008-2010, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Die Räume des Kunstbunkers, allesamt unter der Erde gelegen, sind nicht unbedingt einfach zu bespielen. Wird dies auch in der Ausrichtung des Ausstellungsprogramms – vielleicht eher weg von klassischen Ausstellungskonzepten – zu bemerken sein?
Sie sagen es! Der Kunstbunker ist ein schwieriger Ort, wir schwimmen nicht im Geld und da jeder von uns auch seine eigene Praxis am Laufen halten muss, ist auch nicht eben viel Zeit. Wir sind ganz zufrieden, wenn man das den Ausstellungen nicht ansieht. In anderen Worten: Der Kunstbunker zwingt dazu, fallweise spezifische Lösungen zu finden und gegebenenfalls zu erfinden. Experimente in den Kunstbunker hineintragen müssen wir entsprechend nicht. Der Grund um zu experimentieren ist immer schon da.

Ist auch eine Art Rahmenprogramm angedacht mit Führungen, Vorträgen, Symposien oder Ähnlichem?
Da sind wir dran. Insgesamt hält man sich im Kunstbunker lieber auf, wenn es draußen 30 Grad hat und in den ersten Monaten des Jahres ist er aufgrund der Kälte unbenutzbar. Wir arbeiten vor allem an einem regelmäßigen Programm mit Underground- und Künstlerfilmen und werden künftige Ausstellungen mit einem Vortragsprogramm kontrastieren. Gut wäre auch eine Art Seminarstruktur zu kuratorischen und künstlerischen Arbeitsweisen.

Nina Könnemann: Unrise (10:32 min.), 2002, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Nina Könnemann: Unrise (10:32 min.), 2002, Installationsansicht, kunstbunker forum für zeigenössische Kunst e. V., Nürnberg, 2017. Foto: Johannes Kersting/Courtesy: kunstbunker forum für zeitgenössische kunst e. V.

Ganz konrekt – auf welche Ausstellungen können wir uns in diesem Jahr schon freuen?
Bis 22. Juli läuft noch unsere erste Ausstellung mit Filmen von Nina Könnemann und einem Gemäldezyklus von Marcus Weber. Am 20. September eröffnen wir dann eine Soloschau von Till Megerle, der einige Semester an der Nürnberger Kunstakademie studiert hat und jetzt in Wien lebt. Das, glaube ich, wird schon eine Freude. Wir sind im Gespräch mit dem Regisseur, Künstler, Autor und notorischen Provokateur Herbert Achternbusch, dessen Werk fast völlig aus der Öffentlichkeit verschwunden ist und denken für 2018 über mindestens einen Geheimtipp aber auch einen so genannten Kracher nach – wobei das Projekt direkt für den Kunstbunker entwickelt würde…

WANN: Beeilt Euch, die aktuelle Ausstellung von Nina Könnemann und Marcus Weber läuft nur noch bis kommenden Samstag, den 22. Juli! Nach der Sommerpause geht es am 20. September weiter.
WO: Unterhalb des Bauhofs hinter der Kunsthalle und neben dem Eingang zum K4-Biergarten liegt der Kunstbunker versteckt. Der Eingang ist bei dem schwarzen Metalltor in der Mitte des Parkplatzes.

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