Stück für Stück
Ein Gespräch mit Werner Murrer

11. November 2015 • Text von

Ein sonniger Herbsttag in einem Hinterhof in München-Thalkirchen. Werner Murrer führt durch seine moderne Werkstatt, an den Wänden hängen Bilderrahmen in allen erdenklichen Größen und Stilen. Auf zwei Stockwerken wird geschreinert, lackiert, antikes Holz in feinster Handarbeit restauriert. Verpackte Rahmen liegen für den Versand bereit, auf ihnen die Adressen großer europäischer Museen. Werner Murrer gilt als einer der besten Rahmenmacher Deutschlands, bekannte Künstler zählen genauso zu seinen Kunden wie renommierte Museen und Sammlungen. Mit gallerytalk.net sprach er über die Aufgabe, einem Bild den richtigen Rahmen zu geben.

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Copyright Werner Murrer, Foto: Jens Bruchhaus

gallerytalk.net: Sie fertigen und restaurieren seit 30 Jahren Rahmen. Wie sind sie zu dem Beruf gekommen?
Werner Murrer: Ganz einfach. Ich hatte eine Galerie und das Geld ist knapp geworden. Da habe ich die ersten Rahmen einfach selbst gemacht. Und dann bin tatsächlich in das Geschäft hinein gerutscht. Mir war Handwerk immer wichtig, ich habe mir selbst alles beigebracht. Schon ganz früh habe ich dabei Wert auf Austausch gelegt, mit Museen und Restauratoren, um das konservatorisch und handwerklich richtig zu machen. Wir haben eigentlich Glück, dass es uns erst seit dreißig Jahren gibt, da gab es schon bestimmte Materialien, für jemanden, der das noch länger gemacht hat, da gab es einige Sachen noch nicht. Wenn wir Rahmen sehen, die wir vor dreißig Jahren gemacht haben, sind die immer noch gut in Ordnung, da gibt es keine Schäden. Das ist ein großer Vorteil.

gallerytalk.net: Gibt es für Ihren Beruf eine Ausbildung?
Werner Murrer: Es ist kein Ausbildungsberuf mehr. Es gibt Kurse zum geprüften Bildeinrahmer in der Handwerkskammer, da lernt man ein bisschen das Basiswissen, ich nehme da auch Prüfungen ab. Aber wirklich erlernen kann man den Beruf nicht. Das war auf eine gewisse Weise auch schon immer das Problem, weil die Tätigkeit eigentlich immer den Gewerken angehört hat. Der Schreiner, Vergolder, Glaser, Buchbinder, das sind traditionell die Gewerke, die Bilder eingerahmt haben. Aber keiner kann es alleine richtig. Jeder macht aus seinem Berufsfeld typische Fehler.

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Copyright Werner Murrer, Foto: Jens Bruchhaus

gallerytalk.net: Da benötigt man also einen Enthusiasten wie Sie, der das dann zusammenführt.
Werner Murrer: So ist es eben auch mit den Leuten, die bei mir arbeiten. Sie kommen aus den unterschiedlichsten Gewerken, nur so funktioniert es. Jeder ist ein Spezialist in seinem Gewerk und in der Vernetzung untereinander funktioniert es dann. Ein Glaser alleine weiß nicht, wie man ein Bild einrahmt.

gallerytalk.net: Was macht einen guten Rahmen aus?
Werner Murrer: Der Rahmen sollte möglichst unauffällig sein und möglichst gut zum Bild passen, stimmig sein. Stilistisch und zeitlich richtig sollte er auch sein. Zeitgenössische Kunst funktioniert ja auch oft ohne Rahmen. Aber für historische Bilder gibt es Vorlagen, da recherchiert man und weiß dann, woran man sich orientieren kann.

gallerytalk.net: Wie wichtig ist diese historische Komponente und wie wichtig der Geschmack?
Werner Murrer: Ich glaube das ist eine Kombination. Es ist wichtig zu wissen, und das recherchieren wir eben auch für Museen, wie die Bilder eines Künstlers in einer bestimmten Zeitspanne gerahmt waren und ob es auch heute noch nachvollziehbar ist, warum das so war. Es gab viele Künstler, die haben sich nie Gedanken um die Rahmung gemacht, andere haben sich ganz intensiv damit auseinandergesetzt. Und wenn ich weiß, wie etwas tatsächlich gerahmt war, dann kann ich mir überlegen, ob ich das will, ob das passt und ob es sich auch so in mein Museum, in meine Sammlung einfügt. Auch im Zusammenhang mit den anderen präsentierten Bildern. Ich kann mich eben auch für eine Alternative entscheiden. Aber wenn ich nicht weiß, was historisch richtig ist, kann ich mich auch nicht bewusst dagegen entscheiden.

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Copyright Werner Murrer, Foto: Jens Bruchhaus

gallerytalk.net: Sie produzieren selbst Rahmen, sie restaurieren aber auch historische Rahmen. Wie kommen Sie an die alten Rahmen?
Werner Murrer: Ganz unterschiedlich. Es gibt Leute, die haben wir seit Jahrzehnten darauf angesetzt, dass sie uns genau die Rahmen bringen, die wir suchen. Wir sind aber mittlerweile auch so bekannt, dass man uns direkt kontaktiert und uns Rahmen anbietet. Wir haben zum Beispiel einen original Nolde-Rahmen hier, mit lückenloser Provenienz. Der Besitzer hat uns angerufen, da er bei seinen Recherchen gemerkt hat, dass wir wohl die richtigen für so etwas sind. Dann kommt der Rahmen eben direkt zu uns, und wir suchen ja. Wir bilden da einen ganz guten Umschlagplatz.

gallerytalk.net: Wie hat sich das entwickelt? Auch die Kontakte zu den Museen?
Werner Murrer: Das passiert Stück für Stück. Es ist eine relativ kleine Welt in der Kunst, egal ob in der zeitgenössischen oder der historischen. Die Museen reden miteinander, das ist ganz klassische Mund zu Mund Propaganda. Mittlerweile machen wir das auch schon lange, wir sehen wie die Direktoren die Museen wechseln, wie aus Praktikanten Direktoren werden. Es ist wie überall: Wenn man gute Qualität liefert, spricht sich das schnell herum. Und dann eben nicht nur in München, nicht nur in Deutschland sondern auch viel weiter.

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Copyright Werner Murrer, Foto: Jens Bruchhaus

gallerytalk.net: Ist der Rahmen für Sie ein Teil des Bildes, des Kunstwerkes?
Werner Murrer: In bestimmen Fällen ganz sicherlich ja. Wenn ich an Künstler denke wie zum Beispiel Kirchner, der die Rahmen bemalt und auch die Profile mit gestaltet hat. Oder Schmidt-Rottluff, der die Rahmen geschnitzt hat. Auch Whistler war ja am Entwurf seiner Rahmen beteiligt. Da gehört es ganz klar mit zum Kunstwerk dazu. Ich wurde vor kurzem erst gefragt, wie ich den Rahmen im Verhältnis zum Bild einschätzen würde, auch bezüglich des Wertes. Das ist natürlich schwer zu sagen, aber es ist eben schon eine Einheit. Ein Bild und der dafür entworfene Rahmen bilden ganz klar eine Einheit. Eine Bewertung ist dann natürlich noch mal etwas anderes.

gallerytalk.net: Wie ist der Umgang mit den Konservatoren und den Kuratoren in den Museen? Ist das eine partnerschaftliche Beziehung?
Werner Murrer: Es gibt unterschiedliche Museen. Bei manchen sind die Restauratoren für die Rahmen zuständig, bei anderen sind die Kuratoren verantwortlich. Das ist oft ein sehr spannender Austausch. Man trifft auf sehr interessierte Menschen. Es gibt insgesamt ein großes Interesse: Das Thema Rahmen ist bei vielen ins Bewusstsein gerückt, vor zehn Jahren war das noch nicht so.

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Copyright Werner Murrer, Foto: Jens Bruchhaus

gallerytalk.net: Sind sie schockiert wenn Sie Kombinationen von Bilder und Rahmen sehen, die gar nicht zusammenpassen?
Werner Murrer: Ganz schlimm finde ich die übliche, leider sehr häufig vorkommende, Kunsthandels-Rahmung. Da wird, egal ob es Gerhard Richter oder ein Renaissancebild ist, der gleiche Rahmen verwendet, das ist eigentlich indiskutabel, das geht wirklich nicht. Ich bin gegen das falsche Einsetzen eines Rahmens, eines Profils. Ein kleines Aquarell von Gerhard Richter sollte nicht so gerahmt und exponiert werden, dass man sieht, was es kostet. Das ist verkehrt.

gallerytalk.net: Wie ist die Zusammenarbeit mit zeitgenössischen Künstlern, die zu Ihnen kommen?
Werner Murrer: Ich arbeite wahnsinnig gerne mit Fotografen und Künstlern zusammen, weil wir da auch schon im Vorfeld gemeinsam die Ideen besprechen und sehen, wie ein Projekt entwickelt wird. Wenn eine Arbeit einen klassischen Rahmen braucht, machen wir das natürlich. Aber viele Positionen der zeitgenössischen Kunst funktionieren auch sehr gut ohne Rahmen, mit einer anderen Präsentationsform, einer Sonderlösung. Dieser Austausch mit Künstlern und auch Studenten der Kunstakademie ist mir sehr wichtig. Das Ziel ist es, dass man gemeinsam die adäquate, die beste Form der Präsentation findet. Ich kämpfe auch oft dafür, bestimmte Bilder ohne einen klassischen Rahmen zu präsentieren, wenn das einfach besser funktioniert. Ich spreche auch manchmal lange mit einem Künstler und versuche ihm einen Rahmen auszureden. Ich hoffe, dass die meisten damit glücklich sind.

In freundlicher Zusammenarbeit mit Murrer Rahmen.

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