Stamm und Lichtung
Geschöpfe der Nacht in der Galerie Bunsen-Goetz

3. September 2018 • Text von

Die Gemälde von Jan Gemeinhardt und die Holzskulpturen von Stefan Schindler evozieren in der Galerie Bunsen-Goetz ein Mysterium von Wald, Holz und Dämmerung.

Vordergrund: Stefan Schindler – Hauptsache ein Dach überm Kopf, Holz, 2017/18 © the artist, Foto: M. Wild

„Geschöpfe der Nacht ans Licht gebracht“, so kündigt die knorrige alte Hexe im Film „Das letzte Einhorn“ die gefangenen Fabelwesen ihres fahrenden Jahrmarkts an, ein zahnloser Löwe, eine altersschwache Schlange, aber auch eine echte, unsterbliche Harpye. Die düstere Szene spielt freilich im dunklen Urwald, der so vielen Märchen eine Heimat gibt und bei so vielen Menschen bis heute gleichermaßen Angst und Sehnsucht  auslöst.

Jan Gemeinhardt – Haube, Acryl und Öl auf Leinwand, 2017 © the artist

Darum ist es ein irritierender Moment, wenn man die schlichten Räume der Galerie zur Ausstellung „Geschöpfe der Nacht ans Licht gebracht“ betritt. Roh behauene Baumstämme wachsen aus dem dunklen Parkett, an den weißen Wänden hängen feingliedrige, poetische Gemälde, dunkle Ahnungen von Personen und Orten.  Es ist eine geheimnisvolle Wechselwirkung, die zwischen den Werken der beiden Künstler entsteht, eine vage Erinnerung an Zeiten, zu denen große Teile Deutschlands von Urwald bedeckt waren. Doch diese Erinnerung hält sich hier die Waage mit dem realen Galerieraum, der großzügig und hell ist, und der den einzelnen Werken ihren nötigen Freiraum gestattet. So werden die Räume indifferent, einerseits scheint man den ausgestellten Wesen fast beiläufig bei ihren Gesprächen und Tätigkeiten zuzusehen, andererseits scheinen auch grundlegende Fragen zur zeitgenössischen Kunst verhandelt zu werden.

Vordergrund: Stefan Schindler – Melek I und Melek II, Holz, 2017/18 © the artist, Foto: M. Wild

Da sind die zwei lebensgroßen Mantelträger im Séparée, von Stefan Schindler aus demselben Baumstamm geschlagen und nahezu spiegelbildlich komponiert, die ins Gespräch vertieft die Mitte des Raums für sich einnehmen.  Deren kompakte Körper, die weitgehend hinter hölzernen Umhängen verschwinden, treten in einen sensible Beziehung mit einem kleinformatigen Portrait von Jan Gemeinhardt, das linksbündig an die großformatige Seitenwand gesetzt ist. Das Gleichgewicht der Komposition ist bemerkenswert, das kleine Gemälde mit blauer Kapuzenjacke kann sich souverän gegen die beiden massiven Holzfiguren behaupten. Die Ausstellung wird durch solche Begegnungen zu mehr als einer atmosphärischen Arbeit über Holz und Bäume, über die beiden Kunstgattungen hinweg gelingt das Kunststück einer Befragung von Fläche und Raum, von Bild und Körper. Das ist kein selbstverständliches Ergebnis, dafür  braucht es Verständnis  auf Seiten der Künstler wie auf Seiten des Galeristen, hier war dieser Austausch aber spürbar erfolgreich.

Vordergrund: Stefan Schindler – Cernunnos, Holz, 2017/18 © the artist, Foto: M. Wild

Es liegt auch an den vielfältigen künstlerischen Details, dass die Synthese der Werke so leichtfüßig gelingt, denn beide Künstler begeben sich in den hellen Räumen der Galerie in voller Sicht in eine poetische Dämmerwelt, bevölkert von mystischen Wesen und dem Wahnsinn der alten Erzählungen. Gehörnte Fabelwesen schweben durch die Räume, halb Faun, halb biblische Märtyrer. Menschen im Halbdunkel und düstere Landschaften bevölkern die teils surrealen Bildräume der Gemälde, oft nur erhellt vom Licht eines rechteckigen Mondes.

Jan Gemeinhardt – Exit, Öl auf Leinwand, 2016 © the artist

Magrittehaft von uns abgewandte Wesen schreiten in die Bildlandschaft oder gehen ihrer Tätigkeit in der Dämmerung des Waldes nach, davor vollführt ein elegant gehörnter Dämon im langen Gewand seinen in sich gekehrten Tanz. Und so umfängt den Betrachter am Ende doch wieder die dominante Atmosphäre der Werke, die aber keinen urtümlichen Wald mehr bevölkern, vielmehr ziehen sie die Galerieräume in ihre rätselhaften Gefilde, und der Besucher reist in ihnen mit, als Passagier.

WANN: Die Ausstellung „Geschöpfe der Nacht“ läuft noch bis zum Samstag, den 22. September.
WO: In der Galerie Bunsen-Goetz, Kressenstraße 11, 90419 Nürnberg.

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