Projizierte Töne

9. März 2016 • Text von

Die Ausstellung „Michaela Melián: Electric Ladyland“ im Kunstbau des Lenbachhauses zeigt intermediale Installationen zwischen Bild, Klang, Text und Historie.

Es gibt Hörspiele, Podcasts oder Radio-Features, die so fesselnd sind, dass man sie im Auto zu Ende hört, obwohl man längst an seinem Ziel angekommen ist. Den Motor bereits abgestellt, sitzt man im parkenden Auto und lauscht wie gebannt den Narrativen dieser fein komponierten Medienkunst, die oftmals unterschätzt wird. Michaela Meliáns „Föhrenwald“ ist ein solches Hörspiel, das wirklich als eigenständiges Kunstwerk gesehen werden muss.

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Bild: MICHAELA MELIÁN, Föhrenwald, 2005, Diapositiv (Detail) © die Künstlerin, VG Bild-Kunst, Bonn 2015

Klug komponiert und vielfältig geschichtet rekapituliert Melián die vergessene und wechselvolle Geschichte einer Wohnsiedlung südlich von München, die in den späten 1930er Jahren als Arbeitermustersiedlung konzipiert wurde, nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs als Lager für Zwangsarbeiter diente und nach Kriegsende zum Camp für jüdische Displaced Persons wurde. In der Ausstellung „ Electric Ladyland“ im Kunstbau des Lenbachhauses wird „Föhrenwald“ als Dia-Sound-Installation präsentiert, dem Hörspiel werden projizierte Zeichnungen gegenübergestellt, die das Gehörte ergänzen und komplementieren. Es ist dieser gekonnte Umgang mit Klang und Bild, die poetische Kombination von Text und Zeichnung, konkretem Inhalt und subtiler Stimmung, die sich durch die Arbeiten von Michaela Melián ziehen, immer an der Schnittstelle zwischen Klang, Musik und Kunst. Das Lenbachhaus richtet der bildenden Künstlerin und Musikerin nun die erste museale Einzelausstellung in München aus. Gezeigt werden multimedialen Rauminstallationen, Filme, Objekte, großformatige Zeichnungen und Musik. Das namensgebende Zentrum der Ausstellung ist die raumgreifende Installation „Electric Ladyland“, die Melián speziell für die räumlichen Gegebenheiten des Kunstbaus entwickelt hat.

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Bild: MICHAELA MELÁN, Electric Ladyland, 2016 (Ausschnitt), © die Künstlerin, VG Bild-Kunst, 2016

Die Wände bestimmende, großformatige Zeichnungen, Objekte, Sitzmöbel, Licht und Ton – Melián bespielt den länglichen Raum des Kunstbaus als ein vielschichtiges und bewusst unübersichtliches Environment. Ausgangspunkt ist eine fiktive elektrische Lady der Pariser Moderne: Die Kunstfigur der Olympia aus Jacques Offenbachs phantastischer Oper „Hoffmanns Erzählungen“ aus dem Jahr 1881. Der mechanisch bewegliche Homunkulus Olympia entwickelt in der Erzählung menschliche Fähigkeiten und wird schließlich wieder von menschlicher Hand zerstört. Ausgehend von der Arie der Olympia entwickelte Melián einen eigenen Soundtrack und eine Performance.

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Bild: Lenbachhaus, © die Künstlerin, VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Die Zeichnungen, teils biologischen Abstraktionen ähnlich, dann wieder fast schematische Konstruktionspläne, spielen mit der Gedankenwelt der Moderne, die technischen Aufbruch und Bedrohung gleichermaßen versprach. „Electric Ladyland“ ist eine offene, sich in Bewegung befindende Installation, die mit weiblichen Rollenbildern spielt, mit Ideen der Sciencefiction und dem Konzept des künstlerischen Autors bzw. der Autorin. Mensch, Maschine, verfügbare Körper, Kunst und Künstlichkeit. Visuelle und klangliche Details ergänzen sich, Musik und Bild werden verwoben und so zu einer dynamischen Einheit.

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Bild: Lenbachhaus, © die Künstlerin, VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Michaela Melián verbindet in ihren multimedialen Arbeiten filmische Elemente mit Fotografien, Zeichnungen und Licht-Objekten. Sie setzt kulturgeschichtliche, popkulturelle und gesellschaftspolitische Referenzen. Sie bezieht sich dabei auf die Ergebnisse von Recherchen und verhandelt konzeptuell die Historizität von Orten. So webt sie ein Geflecht aus Bedeutungsebenen und Verweisen. Doch alle in der Werkschau gezeigten Arbeiten eint primär eine musische Qualität, die sich in bestimmten Rhythmen und Klangfarben äußert. Nie bleiben die Arbeiten kühl, sie öffnen sich für individuelle Leseweisen, subjektive Wahrnehmungen und werden sinnlich erfassbar.

Performances zu „Electric Ladyland“ finden am 13. März, 27. März, 24. April, 29. Mai und 12. Juni, jeweils 15.30 Uhr im Kunstbau des Lenbachhauses statt.

WANN: Die Ausstellung ist bis 12. Juni 2016 zu sehen.
WO: Kunstbau in der städtischem Galerie im Lenbachhaus, Luisenstraße 33, 80333 München.

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