Permanenter Wandel

8. April 2016 • Text von

Als Dan Perjovschi Zeichnungen noch faxte. Der Kunstraum München reflektiert in einer nachdenklichen Ausstellung einen Teil seiner eigenen Geschichte und Verortung in der Stadt. Die Künstlerinnen Monika Kapfer und Cora Piantoni bespielen unter dem Titel „Abriss. Wir haben viel erlebt“ die beiden Stockwerke in der Holzstraße mit lakonischen und nostalgischen Interventionen und schaffen so einen vielschichtigen Erinnerungsraum.

Das Gedächtnis einer Stadt und deren Bewohner ist unweigerlich an bestimmte Orte und Institutionen geknüpft. Cafés an denen Erinnerungen haften, Bars, Clubs und Restaurants in denen man Abende verbracht hat, Galerien und Kunsträume in denen Begegnungen stattfanden. Manch ein Gebäude muss einer stadtplanerischen Verdichtung weichen, manch Lokal wird von der unvermeidlichen Gentrifizierung verdrängt. Einige dieser Orte verschwinden für immer, manche bleiben und verändern sich, andere kommen in unterschiedlichen Formen zurück. Eine solche Institution, die dem steten Druck der Veränderung mit offensiver Adaption begegnet, ist der 1975 gegründete Kunstraum. 1990, 1997, 2002 und 2008 musste die Institution umziehen und auch die sich immer wieder ändernde Zusammensetzung des Vorstandes spiegelt den Charakter des Kunstraums als Ort der Transformation und des andauernden Übergangs wieder.

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Bild: Monika Kapfer und Cora Piantoni, Baulücke Goethestraße 34, ehemaliger Kunstraum (1996 bis 2002)

Trotz oder vielleicht gerade wegen dieser dynamischen und langen Geschichte war und ist der Kunstraum für unterschiedliche Generationen von Künstlern und Künstlerinnen ein spezieller Impulsgeber und besonderer Ort des Austausches in München. Eine Konstante in Bewegung. So auch für Monika Kapfer und Cora Piantoni die beide in den 1970er geboren sind und in den 90er-Jahren an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert haben. Die beiden Künstlerinnen bespielen in der Ausstellung „Abriss. Wir haben viel erlebt“ die Räume des Kunstraums nun mit nachdenklichen und assoziativen Arbeiten und reflektieren so nicht nur den Ort, sondern auch die Ästhetik einer bestimmten Zeit.

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Kunstraum München, Installationsansicht, Foto: Thomas Splett

Basierend auf Recherchen in Archiven, persönlichen Erinnerungen und assoziativen Verknüpfungen präsentieren sie Arbeiten, die sich zwischen dokumentarischen Ansätzen, poetischen Eingriffen und konzeptuellen Reflexionen bewegen. Im Erdgeschoss präsentiert Cora Piantoni Text-Fragmente aus dem Archiv des Kunstraumes, Auszüge aus Korrespondenzen und Beschreibungen, zurückhaltend auf Retro-Aufstellern montiert. Diese kleinen Texte, teils sehr humorvoll, teils fast bewegend, illustrieren die Haltung, mit der eine unabhängige Institution wie der Kunstraum agieren muss: Eine gesunde Mischung aus hemdsärmeligem Pragmatismus und dem für die Umsetzung von schwierigen Projekten notwendigen Idealismus. Fotografien aus der Geschichte des Kunstraums, einfach an der Wand befestigt, runden die Selbstbefragung dieser Institution ab.

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Kunstraum München, Installationsansicht, Foto: Thomas Splett

Eine subtile Form der Selbstreflexion präsentiert auch Monika Kapfer in ihrer Rauminstallation im ersten Stock. Wie marmorierte Zeichnungen muten die kleinen bunten Farbfelder an den Wänden zunächst an, doch bei genauerer Betrachtung erweisen sie sich als feine Eingriffe in die Architektur. Kapfer trägt Farbschicht um Farbschicht der Wände des Kunstraums ab und schafft so eine fast archäologische Untersuchung: Jede Farbschicht eine vergangene Ausstellung. Baunetze, Parkettelemente, schwere Metallskulpturen und quadratische Farbflächen, die auf die Außenfarben der unterschiedlichen Kunstraum-Lokalitäten referieren, funktionieren schlüssig als selbstständige Elemente einer Installation und unterstreichen gleichzeitig den Charakter der Ausstellung und des Kunstraums selbst – Als ein idealistischer, sich immer in Bewegung befindender Ort der Reflexion. Eine Nische die weder die Galerien noch die großen Institutionen ausfüllen können.

WANN: Die Ausstellung ist bis zum 1. Mai zu sehen. Am 17. April um 15 Uhr findet ein Roundtable „Die Neunziger Jahre“ – Zeiten des Wandels im Kunstraum München statt.
WO: Kunstraum München, Holzstraße 10 Rgb., 80469 München.

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