Die Wirklichkeit im Supermarkt
Martin Parr im KUNST HAUS WIEN

20. Juli 2016 • Text von

Martin Parr nimmt die selbstverständlichen, unscheinbaren Dinge in den Blick. Der Fotograf zeigt uns die Welt, die uns täglich umgibt, doch er macht sie zu etwas Besonderem. Klischees sind das fundamentale Werkzeug in seinen Arbeiten. So untersucht er die Angewohnheiten verschiedener Gesellschaftsschichten und Länder. 
Text: Agnes Wyskitensky

Switzerland. St. Moritz polo world cup on snow. 2011 © Martin Parr / Magnum Photos

Das KUNST HAUS WIEN widmet dem weltberühmten britischen Fotografen erstmals eine groß angelegte Retrospektive in Österreich. Insgesamt beleuchtet die Ausstellung dreizehn große Werkkomplexe, darunter die eindrucksvollen Serien „Last Resort“ (1985), „Bored Couples“ (1990-1993), „Common Sense“ (1995-1999) und „Luxury“ (2007-2011), die Einblick in das umfangreiche Œvre Martin Parrs geben. Ein Highlight der Ausstellung bildet die Serie „Cakes and Balls“ (2015-2016), die der Künstler speziell für die Ausstellung geschaffen hat und in welcher er seine Eindrücke zu Wien fotografisch festhält.

Ball der Wiener Kaffeesieder, Vienna, Austria, 2016. © Martin Parr / Magnum Photos

Ab 1982 verschreibt sich Parr gänzlich der Farbfotografie. Seine erste bedeutende Serie in Farbe „Last Resort“ (1985) findet sich am Beginn der Ausstellung, sie war verantwortlich für seinen internationalen Durchbruch. Die Bilder zeigen die Erholung im Badeort von New Brighton, welcher Mitte der 80er-Jahre ausschließlich der Arbeiterklasse vorbehalten war. Parr ist vor allem interessiert am neuen Freizeitvergnügen der Leute, dazu gehörte das Faulenzen und Sonnenbaden am Strand. Dieses Motiv findet sich in mehreren seiner Arbeiten wie, beispielsweise, in „Knokke le Zoute“ (2000-2001).

Seit Ende der 80er-Jahre richtet Parr seinen Blick auch auf andere Länder. In „Small World“ (1989-2002) steht das Phänomen des Welttourismus im Mittelpunkt. Auch die Beschäftigung mit der modernen Konsumgesellschaft, welche in „Common Sense“ (1994-1996) im Besonderen hervorgehoben wird, ist zentral in Parrs Arbeiten. Hier findet man Aufnahmen von verschiedensten Getränken und Speisen, alltäglichen Gebrauchsgegenständen und Kitschobjekten in scheinbar endlos sich wiederholender Weise. Durch die dichte Anordnung der über 300 Arbeiten fügt sich die Serie zu einer Collage unserer Kitsch- und Konsumkultur.

New Brighton, England, GB, 1983-1985. © Martin Parr / Magnum Photos

Auch in „Cakes and Balls“ (2015-2016) geht es um Klischees. Diesmal sind es jedoch die für Wien typischen Dinge, die zum Inhalt der Bilder werden. Wir finden uns inmitten des Praters, unterschiedlicher Bälle, der Produktionsstätte der Konditorei Aida, in Kaffeehäusern und Schrebergärten. Einzigartig an Parrs Zugang ist, dass er versucht über Alltägliches, Klischees und Oberflächliches zum eigentlichen Kern der Dinge zu gelangen und dadurch eine bestimmte Message zu übermitteln. Jeder kann sich mit den dargestellten Personen identifizieren, jedem sind die Klischees und Vorurteile bekannt. Aus dem Zusammenspiel des speziellen Humors, welcher in den Bildern mitwirkt, den leuchtenden Farben und den wohl- überlegten Kompositionen ergibt sich der außergewöhnliche Stil Martin Parrs.

Wann: Die Ausstellung hat bereits am 3. Juni 2016 eröffnet und geht noch bis zum 2. November 2016.
Wo: Kunst Haus Wien, Untere Weißgerberstrasse 13, 1030 Wien

Weitere Artikel aus Wien