Last and Lost 48 Hours
Ein Gespräch über das letzte Wochenende der Willner Brauerei

14. Dezember 2017 • Text von

Letztes Jahr bespielten Clara Cremer und Sven Sauer die ehemalige Willner Brauerei mit „The Dark Rooms“, jetzt initiieren sie das Festival „Lost 48 Hours“ bevor das Gelände nach diesem Wochenende an einen Investor übergeben wird.

Copyright: Lost 48 Hours and Willner Brauerei, Berlin.

„Bei der Eröffnung von The Dark Rooms, einer Ausstellung, die wir 2016 in der Willner Brauerei organisiert haben, hat der jetzige Pächter erfahren, dass das Gelände dieses Jahr an einen privaten Investor fallen wird. Als er uns gefragt hat, ob wir Lust haben eine Closing Veranstaltung zu konzipieren, waren wir vollkommen erschöpft und überwältigt von dem Besucherandrang. Nach einer Nacht Schlaf haben wir tatsächlich zugestimmt, um diesen Ort zu würdigen. Denn es gibt immer weniger Kunstorte in Berlin, an denen man solche Projekte umsetzen kann.“, erzählt Clara Cremer. Kurz vor dem vorzeitigen Ende der Willner Brauerei in Berlin-Pankow haben wir die Kuratorin von „Lost 48 Hours“ und Sven Sauer, strategischen Leiter des Projektes, getroffen, um über das Festival zu sprechen, das vom 15. bis 17. Dezember stattfinden wird.

Das gesamte Gelände wird von 80 Künstlern bespielt, zusätzlich legen ebenso viele DJs das ganze Woche in den Kellerräumen der Brauerei auf. „Die gesamte Fläche in diesem Umfang zu bespielen, das konnten wir so nicht leisten. Deshalb haben wir uns Ausstellungsmacher mit in Boot geholt, die ähnlich ticken wie wird. So wird das Publikum dieses Wochenende drei unterschiedliche, thematisch verbundene Ausstellungen sehen.“, erklärt Sven. In einer Doppelfunktion übernahmen der Künstler und die Kuratorin die organisatorischen Leitung des Festivals und sind gleichzeitig mit ihrem eigenen Projekt „The Dark Rooms“ Teil davon. „The Dark Rooms entstand gewissermaßen als Reaktion auf meine Beobachtung auf Kunstmessen oder dem Gallery Weekend: Die Menschen machten eigentlich nur Selfies – ohne die Kunst wirklich zu betrachten. In unseren Dark Rooms ist es dunkel, sodass nur das Werk sichtbar ist, während der Betrachter unsichtbar bleibt. Einerseits können die Leute so keine Selfies machen, andererseits kommen sie auf eine viel unmittelbarere Art und Weise mit den Werken in Berührung.“, berichtet Clara.

Copyright: Lost 48 Hours and Willner Brauerei, Berlin.

Die Doppeldeutigkeit des Titels „The Dark Rooms“ findet sich auch im Konzept des Festivals „Lost 48 Hours“ wieder. Neben dem Moment der Kunstbetrachtung wird das Publikum zu Essen, Trinken und Tanzen eingeladen, sogar Ruhebereiche wie auf einem Musik Festival wurden eingerichtet. „Der Titel steht nicht nur für den Ort, der verloren geht, sondern repräsentiert für mich auch dieses Festival in einer Stadt wie Berlin, zu der die Sucht nach dem Exzess, die Suche nach dem sich selbst verlieren – mit all ihren positiven und negativen Aspekten – eben auch gehört.“, sagt Clara. Für Sven hat der Eventcharakter nicht nur mit Berlin, sondern auch mit der Willner Brauerei als Ort und dessen Zukunft zu tun: Als letzte Veranstaltung, bevor das Gelände vorerst geschlossen wird, ist es eine zeitlich begrenzte Begegnung zwischen Betrachter, Werk und Ort. Eine rückwärtslaufende Digitaluhr erinnert permanent an das Ende, denn am Sonntagabend werden pünktlich um 18:00 Uhr die Türen geschlossen.

Die einzelnen Ausstellungsbereiche sind nicht nur räumlich, sondern auch thematisch voneinander abgegrenzt. „The Dark Rooms“ bespielt die ehemaligen Brauereihallen mit Öfen, Speichern und Getreidelagern und, wie auch im letzten Jahr, werden die Räume komplett abgedunkelt sein. Unter dem Titel „Lost in Society“ versammelt Kuratorin Clara Cremer dort gesellschaftskritische künstlerische Positionen.
In zwei großen Säulenhallen, vormals Lagerräume für die Brauerei, zeigen die Ausstellungsmacher von „Priest and Prawns“ ihre Interpretation von „Lost Humans“. Für das Kollektiv ist es ebenfalls bereits die zweite Ausstellung in der Willener Brauerei, so kam auch der Kontakt zu Clara und Sven zustande. Außerdem ist die Enter Art Foundation an „Lost 48 Hours“ beteiligt, gleichermaßen Ausstellungsprojekt und private Kunstsammlung, die aufstrebenden Künstlern Präsentationsräume ermöglicht und gleichzeitig deren Werke in ihre Sammlung aufnimmt. „Die Kollegen inszenieren viele kleine Räume – die alte Kantine, die Umkleidekabinen für Männer und Frauen und das Pförtnerhäuschen. Das Thema „Lost Control“ passt sehr gut zu diesem Teil des Festivals, weil auch der ein oder andere Besucher die Orientierung verlieren wird.“, beschreibt Clara und Sven ergänzt: „Die drei Ausstellungen, die am Ende entstehen, werden sich stark voneinander unterscheiden, nicht nur thematisch, sondern auch bezüglich der Dramaturgie. Aber genau das fanden wir so reizvoll an diesem Projekt. Alle Beteiligten bekamen einen Ort zugewiesen, an dem sie entsprechend des übergeordneten Themas und einigen kuratorischen Richtlinien machen konnten, was sie wollten. Gewissermaßen ein Spielplatz.“

Copyright: Lost 48 Hours and Willner Brauerei, Berlin.

Ob das Wort „Lost“ im Rahmen des Projektes eine affirmative Haltung gegenüber der Kunstlandschaft in Berlin einnimmt und eine Gelegenheit markiert, in der Überflüssiges abgelegt und Etikette gehen gelassen wird, oder die Resignation über die Zukunft der Willner Brauerei beschreibt, lassen die beiden offen. „Sicherlich wollen wir ein Statement setzen, dass wieder ein Ort für die Künstler verloren geht“, sagt Clara. Die Pächter der Brauerei sind bereits auf der Suche nach neuen Orten, Off-Spaces, die sie bespielen und neu beleben können. Für Sven ist das Grund positiv in die Zukunft zu blicken: „Natürlich verliert Berlin etwas, aber irgendwo entsteht auch etwas neues. Unser Ansatz ist zu zeigen, was an einem solchen Ort möglich ist und dem Besucher damit klar zu machen, wie wichtig es ist eben diese Ort zu erhalten.“

WANN: Das Festival beginnt am Freitag, den 15. Dezember, um 18:00 Uhr, und endet am Sonntag, den 17. Dezember, ebenfalls um 18:00 Uhr.
WO: Willner Brauerei, Berliner Straße 80-82, 13189 Berlin. Details und kostenlose Tickets gibt’s hier.

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